28. März 2020

Klassenwiederholung kommt nicht gut an


Was Sarah Knüsel, oberste Schulleiterin im Kanton Zürich zur «NZZ am Sonntag» sagte, hat viele Eltern verunsichert: «Sollte der Unterrichtsstopp bis zu den Sommerferien ausgeweitet werden, müssen wir uns überlegen, ob wir nicht alle Schüler ein Jahr zurücksetzen.» Manche Kinder seien mit dem Fernunterricht «schlichtweg überfordert»; fehle den Schülerinnen und Schülern zum Beispiel in der 1. Sek ein halbes Jahr Präsenzunterricht, werde es nicht nur einzelne Kinder geben, die ein Schuljahr wiederholen müssten: «Das wird eher flächendeckend ein Problem.» 

Bildungsdirektorin Silvia Steiner: «Kinder holen den Schulstoff wieder auf», Tages Anzeiger, 24.3. von Liliane Minor und Daniel Schneebeli

Nun hat Bildungsdirektorin Silvia Steiner (CVP) der Idee eine klare Absage erteilt: «Dass alle Schülerinnen und Schüler um ein Jahr zurückgesetzt werden, ist kein Thema», schreibt sie per Mail. Der Präsenzunterricht sei erst seit einer Woche eingestellt, und was Lehrpersonen und Schulleitungen in dieser Zeit geleistet hätten, sei beeindruckend. Sie habe grosses Vertrauen in die Lehrerinnen und Lehrer: «Auch wenn der Fernunterricht länger dauern sollte, werden die Schülerinnen und Schüler den allenfalls nicht optimal vermittelten Schulstoff wieder aufholen können.»

Wenn nötig, werde die Bildungsdirektion «besonnene und verhältnismässige Massnahmen» ergreifen. Eine Aussage, die man durchaus als versteckten Rüffel an Knüsels Adresse lesen kann. Tatsächlich wären die Konsequenzen auf Jahre hinaus einschneidend, würde man alle Kinder ein Jahr zurücksetzen. Unklar wäre zum Beispiel, ob das auch mit den Schulabgängern aus der 3. Sek, dem Gymnasium und aus den Berufslehren gelten würde. 
Noch gravierender wären die Konsequenzen aber bei den Kleinen. Entweder müsste der Kanton mehr als 17’000 Kinder zurückstellen, die diesen Sommer eingeschult werden sollen. Oder er müsste ab dem Schuljahr 2020/21 einen kompletten Jahrgang doppelt führen. Das würde allerdings bedeuten, dass allein an der Volksschule zwischen 700 und 800 zusätzliche Klassen gebildet und ebenso viele neue Stellen geschaffen werden müssten, was Kosten in dreistelliger Millionenhöhe auslösen würde. 

«Unüberlegter Hüftschuss»

Der Zürcher Schulvorsteher Filippo Leutenegger (FDP) hat bereits viele Mails von verunsicherten Eltern erhalten: «Das ist ein unüberlegter Hüftschuss.» Derzeit sei es die wichtigste Aufgabe der Schulleitungen, einen effizienten Fernunterricht umzusetzen und Schülerinnen und Schüler zu motivieren, daran teilzunehmen, meint Leutenegger. «Es ist kontraproduktiv, nun die Eltern zu verunsichern.» Vielmehr müssten diese gestützt und angeleitet werden. 

Der Schulvorsteher räumt allerdings ein, dass ein so langer Schulausfall vielen Kindern und Jugendlichen Probleme bereiten werde. «Wir müssen darum prüfen, welche Hilfsangebote nötig sind, um alle auf den nötigen Wissensstand zu bringen», sagt Leutenegger. Vera Lang (FDP), Präsidentin des Schulkreises Glattal in Zürich, weist darauf hin, dass die Raum- und Personalressourcen jetzt schon knapp seien, daher sei das von Knüsel verlangte Vorhaben gar nicht umsetzbar. «Sollten wir bis zum Sommer weiter mit Fernunterricht fortfahren, dann müssten wohl schweizweit Anpassungen beim Lernstoff angedacht werden, und das würde nicht nur die Volksschule betreffen», sagt Lang weiter.


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