Intelligente Lernsysteme gibt es auch in der Schweiz. Plattformen wie
Summit Learning, die ganze Lehrpläne in verschiedenen Fächern abdecken, sind
zwar noch nicht in deutscher Sprache vorhanden. Doch Lehrmittelverlage und
andere Firmen bieten zunehmend Online-Systeme zur Analyse des Wissensstands der
Schüler an, die auf intelligenten Technologien basieren.
Vertragsabschlüsse in den nächsten Tagen, Bild: NZZaS
Google und Co. sammeln auch in der Schweiz Schülerdaten, NZZaS, 2.2. von Ursina Haller und Michael Furger
Mit Programmen wie «Lernlupe» oder «Mindsteps» absolvieren Schülerinnen
und Schüler in Fächern wie Mathematik oder Deutsch Tests, die sich laufend
ihren Fähigkeiten anpassen und die ihren Lernstand analysieren.
Pädagogen sind allerdings skeptisch. «Die Erwartungen an solche Systeme
sind hoch, die tatsächlichen Erfolge bisher sehr begrenzt», sagt Beat Döbeli
Honegger, Leiter des Instituts für Medien und Schule an der Pädagogischen
Hochschule Schwyz, Sie könnten zwar maschinell ausführbare Aufgaben wie
Rechenoperationen auswerten, aber bisher nicht herausfinden, wie ein Schüler
wirklich lerne.
Die Vorbehalte der Lehrer
Vorsichtig ist man auch beim Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz
LCH. «Die Systeme sind geprägt von der Grundphilosophie des Silicon Valley»,
sagt Beat A. Schwendimann, Leiter der pädagogischen Arbeitsstelle des LCH.
«Alles, was man vermessen kann, muss vermessen werden.» Systeme im Ausland
versuchten sogar aus der Mimik und dem Blick von Schülern Emotionen und deren
Aufmerksamkeit abzulesen. «In vielen Fällen kann das die Lehrperson besser.»
Erste Untersuchungen bestätigen die Zweifel der Lehrerschaft. Sie kommen
zum Schluss, dass sich die Technologie nur positiv auf die Leistung auswirken
kann, wenn sie in ein pädagogisches Konzept eingebettet ist.
Eine Studie des amerikanischen Think-Thanks «Rand Corporation» zeigt,
dass personalisiertes Lernen allein sogar negative Folgen haben kann. Die
Autoren schreiben: «Lehrpersonen und Schulleitungen müssen kritische Fragen zu
den Programmen, zum Inhalt und zur Integration in den Unterricht stellen.»
Die Skepsis ändert allerdings nichts daran, dass sich die amerikanischen
Techgiganten längst in den Schweizer Klassenzimmern breitgemacht haben, und
zwar in Form von zahlreichen Dienstprogrammen. Marktführer in der Schweiz ist
Microsoft mit Office 365, stark vertreten ist auch Google mit ihrem Paket
Google Suite for Education. Beide Systeme sind für Schulen praktisch gratis.
Google zum Beispiel stellt neben Mail, Kalender, Textverarbeitung,
Browser, Tabellenkalkulation und Präsentationen auch die Lernplattform Google
Classroom zur Verfügung. Das Problem: Die Daten, die Schüler dort hinterlassen,
landen auf einem Google-Server. Was das Unternehmen damit anstellt, ist unklar.
Denkbar wäre, dass es zum Beispiel anhand von Textdokumenten der Schüler ihre
Rechtschreibschwäche ermittelt.
Die Behörden versuchen den Schutz von Schülerdaten über Rahmenverträge
mit den Unternehmen sicherzustellen. Verhindern wollen sie unter anderem, dass
Daten personenbezogen ausgewertet werden, dass also Persönlichkeitsprofile von
Schülern erstellt werden. Federführend bei den Verhandlungen ist Educa, die
IT-Fachagentur von Bund und Kantonen.
Den Vertrag mit Microsoft hat sie gerade erst verschärft, einer mit
Google liegt unterschriftsbereit vor. Der Zürcher Datenschützer Bruno
Baeriswyl, der die Verträge geprüft hat, rechnet mit einem Abschluss in den
nächsten Tagen.
Die Konzessionen von Google
Interessant ist, dass Google den Schweizer Schulen überraschend weit
entgegengekommen ist. Der Konzern akzeptiert, dass für die Anwendung in der
Schule nicht das amerikanische, sondern das strengere Schweizer
Datenschutzrecht gilt. Und: Gerichtsstand bei Rechtsverstössen wären nicht die
USA, sondern die Schweiz.
Ob diese Abkommen aber wirklich einen umfassenden Schutz garantieren,
ist offen. «Spätestens seit der Snowden-Affäre wissen wir auch, dass
Technologieunternehmen mit Geheimdiensten kooperieren», sagt Döbeli Honegger.
Auch aus anderen Datenschutzskandalen habe man lernen müssen, dass die Unternehmen
oft mehr mit Nutzerdaten machen, als sie zugeben. «Die vereinbarten
Konventionalstrafen dürften nicht wirklich abschreckend wirken.»
Wäre es gescheiter, die Schulen würden eigene Systeme entwickeln und
Daten lokal abspeichern? Döbeli Honegger winkt ab. Ein Server in der Schule sei
anfälliger für unerlaubte Zugriffe durch Schüler, Lehrer oder den Hauswart, als
wenn die Daten von einer darauf spezialisierten Firma verwaltet werden.
Vollständiger Datenschutz sei nur möglich, wenn man Computer in der Schule
verhindert. «Das ist auch keine Lösung.»
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