Basler Lehrlinge, das lässt sich schon lange nicht mehr leugnen,
geniessen einen miserablen Ruf. Gebessert hat sich in den letzten Jahren aber
nichts, das Grummeln der Lehrmeister und Wirtschaftsverbände wird immer lauter.
Die 600 Jugendlichen aus dem Stadtkanton, die sich am Mittwoch an der
Lehrstellenbörse des Gewerbeverbands mögliche Jobs bei 50 Unternehmen ansehen
können, dürften nicht den besten Stand haben.
Ins Zentrum der Kritik rücken die Volksschulen. Es muss ein Alarmsignal
für diese sein, wenn der Basler Bankenverband auf Anfrage sagt: «Wir stellen
fest, dass viele Banken weniger und qualitativ schlechtere Bewerbungen aus dem
Kanton Basel-Stadt erhalten. Entsprechend werden mehr Dossiers von Schülern aus
den benachbarten Kantonen berücksichtigt.» Das liegt hauptsächlich daran, dass
viel zu viele Jugendliche heute das Gymnasium oder eine weiterführende Schule
besuchen. Letztes Jahr sind 37,2 Prozent aller Schüler ins Gymi
übergetreten – eine viel zu hohe Zahl und Deutschschweizer Spitzenwert,
natürlich.
Kritik an Schulen: Viele Basler zu schlecht für Lehre, Basler Zeitung, 12.2. von Sebastian Briellmann
Ob Bankenverband, Gewerbeverband oder Handelskammer beider Basel: Alle
stören sich an diesem Wert; vor allem weil die Kenntnisse der Schüler in
wichtigen Fächern wie Deutsch und Mathematik laut Pisa-Studie katastrophal
sind. Reto Baumgartner, Leiter Berufsbildung des Gewerbeverbands, sagt
deutlich: «Es ist doch klar, dass die Basler Schüler nicht so viel cleverer
sind als jene in anderen Kantonen.» Die hohe Gymnasium-Quote sei also nicht zu
rechtfertigen und erweise im Grunde allen einen Bärendienst.
Handelskammer-Boss Martin Dätwyler sagt über dasselbe Problem: «Es ist
nicht Aufgabe der Wirtschaft, in der Schule entstandene Defizite
auszugleichen.» Die Lehranstalten hätten eine grosse Verantwortung und müssen
sich fragen, mit welchen Massnahmen sie dem begegnen wollten. Dieter Baur,
Leiter Volksschulen, bestätigt, dass die heterogene Bevölkerung in Basel die
Schulen vor Herausforderungen stelle, namentlich in den beiden genannten
Fächern. Man räume diesen grosse Priorität ein, etwa mit einem erhöhten
Bewusstsein für sprachbewussten Unterricht.
Nur das Gymnasium zählt
Offensichtlich ist der Erfolg überschaubar – und die Kritik an den
Schulen wächst weiter. Die Wirtschaftsverbände beklagen sich auch lautstark
darüber, dass die Berufslehre nicht den Stellenwert erhalte, den sie verdient
hätte. Kurz: Nur das Gymnasium zählt. Baur widerspricht dem: Man unternehme
grosse Anstrengungen – die Gleichwertigkeit der verschiedenen Ausbildungswege
könne nicht genügend betont werden.
Nur: Das klappt überhaupt nicht. In Basel sind die Lehrlinge bei
Ausbildungsbeginn durchschnittlich ein bis zwei Jahre älter als in anderen
Kantonen. Was daher rührt, dass die Übertrittsquote ins Gymnasium «deutlich zu
hoch» sei, wie Baumgartner sagt. Stossend sei für ihn – wie für Dätwyler auch
–, dass von den Verbänden angebotene Berufslehre-Förderprojekte in den Schulen
nicht auf grosse Resonanz stossen.
Baur geht mit den Kritikern insofern einig, indem er sagt, dass für das
nächste Schuljahr die Übertrittsquote ins Gymnasium «im Minimum stabilisiert
werden soll», da sie zwischen 2018 (über 40 Prozent) und 2019 (37,2 Prozent)
erfreulicherweise stark gesunken sei. Die Statistik zeigt in der Schweiz als
auch im Ausland klar: Je höher der Anteil des jeweils höchsten Schulabschlusses
ist, desto höher auch die Jugendarbeitslosigkeit.
Das bestreitet auch Baur nicht – und wünscht sich «mehr starke
Schülerinnen auf dem Lehrstellenmarkt».
In der Politik wird aber noch nicht vehement gepocht – und für
Baumgartner ist klar, warum: Die Reaktion auf die Anhebung des
Notendurchschnitts fürs Gymnasium habe gezeigt, wie heikel dieses Thema sei.
Offensichtlich will sich da niemand die Finger daran verbrennen. Baumgartner,
ein erfahrener Berufsbildner, legt nach: «Was mich auch stört: Wenn
10 Prozent der Auszubildenden ihre Lehre abbrechen, ist der Aufschrei
riesig. Dass es im Gymnasium 20 bis 30 Prozent sind, darüber empört sich
offensichtlich niemand.»
Doch nicht nur die Schulen stehen im Kreuzfeuer der Kritik. Auch die
Lehrlinge schwächeln. Dätwyler spricht an, was von vielen Lehrmeistern schon
lange kritisiert wird: «Es sind auch immer öfter die Soft Skills, die nicht
zufriedenstellend sind: Es fehlt manchen Lehrlingen an Ernsthaftigkeit,
Motivation, Disziplin und Durchhaltewillen. Das ist gesellschaftlich bedingt.»
Keine guten Aussichten.
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