16. Februar 2020

Direkte Instruktion auch an Hochschulen erfolgreich


Mario Andreotti, Sie lehren heute an einer Pädagogischen Hochschule. Erleben Sie es da, dass Studierende auf Whatsapp schreiben, während Sie unterrichten? 
Ja, das kommt vor, vor allem in Vorlesungen, und ärgert mich denn auch, zumal ich mich bemühe, inhaltlich und rhetorisch ansprechende Vorlesungen zu halten. Allerdings kann ich wenig dagegen tun, wenn sich Studierende hinter ihren Laptops «verbergen» oder auf ihren Handys Nachrichten schreiben. Zum einen fehlt dazu die rechtliche Legitimation und zum andern befinde ich mich fast immer in einem Beweisnotstand. Ist es aber offensichtlich, dass Studierende durch Laptops und Handys abgelenkt sind, reagiere ich und verweise sie auf ihre künftige Rolle als Lehrpersonen. Das nützt dann meistens.
"Selbstgesteuertes Lernen ist oft ziellos", St. Galler Tagblatt, 14.2. von Felix Mätzler


In Ihren Vorträgen und Gastkommentaren kritisieren Sie immer wieder die Bildungsreformen, beziehen sich aber vor allem auf die Situation in der Volksschule und am Gymnasium. Sind Sie ähnlich kritisch gegenüber den Entwicklungen in der höheren Bildung und der Weiterbildung? 
Natürlich ist die Lernsituation auf der tertiären Stufe und in der Weiterbildung eine andere. Die Lernenden besitzen mehr Eigenverantwortung. Das heisst aber nicht, dass jegliche Führung durch den Lehrenden fehlen darf. Genau das passiert aber beim Selbstorganisierten Lernen, bei dem sich die Lernenden selber Lernziele setzen können. Dabei haben verschiedene Studien gezeigt, dass direkte Instruktion auch auf der tertiären Stufe die erfolgreichste Lehrmethode ist.

Studierende kommen heute mit einer unglaublichen Erwartungshaltung und auch mit viel Vorwissen in Vorlesungen und Kurse. Wie soll die Bildung damit umgehen? 
Die verstärkte Erwartungshaltung hängt vor allem mit zwei Faktoren zusammen: Zum einen zählt nicht mehr die Amtsautorität der Lehrenden, sondern ihre fachliche und didaktische Kompetenz, und zum andern definieren Studierende Bildung zunehmend pragmatisch, also im Hinblick auf ihren praktischen Nutzen. Dass sie in der Regel mit einem recht grossen Vorwissen in die Lehrveranstaltungen kommen, hängt natürlich auch mit der Digitalisierung zusammen. Lehrende müssen daher immer wieder aufzeigen, dass dieses Wissen erst dann Bildung ist, wenn es zum Nachdenken anregt.

Ist «Flipped Classroom» ein Modell, das die Bildung reformieren könnte? 
«Flipped Classroom» oder «Umgedrehter Unterricht», bei dem der Lehrstoff von den Lernenden individuell erarbeitet wird und die Vertiefung im Unterricht geschieht, ist als Unterrichtsmethode nicht so neu, wie sie sich gibt. In der Erwachsenenbildung wird sie schon lange praktiziert. Den Studierenden bietet die Methode die Möglichkeit, den Lehrstoff selbstgesteuert und im eigenen Tempo zu erarbeiten. Das hat aber den grossen Nachteil, dass sich die Studierenden mit dem Lehrstoff zunächst einmal allein gelassen fühlen, was vor allem bei den schwächeren unter ihnen Überforderung und Stress auslöst.

Sie mokieren sich in Ihren Kolumnen immer wieder über Lehrer, die zu reinen «Lernbegleitern» herabgestuft werden. Was sagen Sie denn zu Dozenten, die zu Moderatoren werden? 
Der Wandel vom Dozenten zum Moderator hängt mit den offenen Lernformen – Selbstorganisiertes Lernen, E-Learning – zusammen. Im Gegensatz zu Dozenten als Wissensvermittler geben Moderatoren in der Regel nur noch Inputs. So können die Studierenden ihren Lernprozess weitgehend selber steuern. Aber dieses selbstgesteuerte Lernen ist häufig ziellos und führt zu stofflichen Defiziten. Vor allem schwächere Studierende bleiben da auf der Strecke.

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