In der
Welt von gestern lernten Kinder schreiben, indem sie mit Wandtafelkreide Buchstaben
und Wörterformten. Lehrer verwendeten die Kreide manchmal als Munition, um
störende Schüler in Schach zu halten.
Eine klassische Wandtafel hält fast ewig. Bild: Florian Bärtschiger
Schulmobiliar für die Ewigkeit, Basler Zeitung, 14.2. von Martin Furrer
In der Welt von heute üben Erstklässler das
Abc mit dem Digitalstift auf ihrem Tablet. Analog ist out, digital ist in. Zumindest
glauben das viele. Doch sie irren sich. In Basels Schulzimmern findet sich zwar
moderne Technologie, doch in den Primar- und Sekundarschulen setzt der Kanton noch
immer auf ein Möbel, von dem man glaubte, es sei längst auf der
Entsorgungshalde der Geschichte gelandet: die klassische Wandtafel.
Als vor
knapp drei Jahren die neuen Primarschulen Schoren und Erlenmatt eröffnet
wurden, fanden die Schüler in ihren Klassenzimmern keine interaktiven Tafeln
vor, keine elektronischen Hightech-Geräte – sondern Wandtafeln, wie sie schon
seit Jahrzehnten in Basler Schulzimmern hängen. Dazu Kreide in vielen Farben
und Formen.
Nachschub bleibt gesichert
Kürzlich hat Basel-Stadt mit der
Luzerner Firma Novex AG einen Rahmenvertrag zur «Lieferung von Wandtafeln für
die Primar- und Sekundarschulen» abgeschlossen, wie dem Kantonsblatt zu
entnehmen ist. Damit bleibt der Nachschub gesichert. «Laufzeit fest über fünf
Jahre, vom 1.3.2020 bis 28.2.2025 und optionale Verlängerung bis maximal
28.2.2030», heisst es. Das Beschaffungsvolumen beträgt 842525 Franken.
«Die
Wandtafel, die old fashioned erscheinen mag, ist in Tat und Wahrheit noch immer
sehr modern», sagt Dieter Baur, Leiter Volksschulen im Erziehungsdepartement
(ED). FlavioTiburzi, ehemaliger Primarlehrer und heute Stufenleiter
Primarschule im ED, pflichtet Baur bei: «Die Wandtafel bleibt in der Didaktik
äusserst aktuell.»
Tiburzi schätzt, dass es in Basel-Stadt, Riehen und
Bettingen mit seinen insgesamt 29 Primar- und 10 Sekundarschulen insgesamt gut
600 Klassenzimmer gibt, in denen derzeit eine Wandtafel installiert ist. Einzig
in der Sekundarschule Sandgruben setzen die Lehrer auf sogenannte
White-Board-Tafeln mit integriertem Beamer. Und statt zur Kreide greifen sie
dort zu Filzstiften.
Diese Ausnahme bestätigt eine Regel: dass nämlich Basel-Stadt auf
der unteren Schulstufe in einem Bereich der Didaktik anders tickt als
beispielsweise der Kanton Basel-Landschaft.
Dort sind die Gemeinden für die Ausstattung
der Schulen verantwortlich. Wenn immer sie es sich finanziell leisten können,
schaffen sie sich elektronische Tafeln an. Das ist etwa in Therwil der Fall.
Dort stehen in der Primarschule Wilmatt, die vor eineinhalb Jahren eröffnet
wurde, interaktive Tafeln mit Touchscreens.
In Basel gilt eine andere
Philosophie. «Das Schreiben mit Kreide auf der Wandtafel hat den Vorteil, dass
die Schriftführung besser
unterstützt wird als etwa beim Beschreiben eines White Board mit Filzstift»,
sagt Tiburzi. «Der Schreibfluss ist besser.» Punkto Haftung und Reibung seien
Wandtafeln einem elektronischen Tablet weit überlegen. «Es gibt noch keine
digitale Art des Schreibenlernens», sagt Tiburzi und fügt an: «Das digitale
Schreibenlernen wird das analoge nie ersetzen.»
Magnete statt Klebstreifen
Wandtafel ist nicht gleich Wandtafel. Es gibt die bis zu vier Meter breite,
grün-gräuliche Buch Wandtafel. Man handhabt sie – der Name
sagt es – wie ein überdimensioniertes Buch, indem man verschiedene Tafeln
umklappt. Diese können uni sein oder karierte oder horizontale Linien aufweisen.
Sie werden im Siebdruckverfahren aufgetragen. Und es gibt die Säulen-Wandtafel.
Sie lässt sich vertikal nach oben oder unten schieben und braucht weniger Platz.
«Das Grundprinzip der Wandtafel ist noch immer dasselbe», sagt Tiburzi, «nur
technisch hat sie sich verändert.» Die Tafeln bestehen heute nicht mehr aus
Schiefer, sondern sind mit Kunststoff beschichtet. Und wo früher Lehrer mit Klebband
hantieren mussten, um Dinge daran zu befestigen, können sie heute dank
integrierten Metallflächen Magnete verwenden.
Gut investiertes Geld
Eine Buch-Wandtafel
kostet nach Auskunft der Abteilung Raum und Anlagen im ED etwa 3300 bis 3500
Franken, eine Säulen-Wandtafel 4300 bis 4500 Franken. Es scheint gut
investiertes Geld zu sein. Denn im Gegensatz zu Hightech-Tafeln, die Updates brauchen
und nach ein paar Jahren womöglich schon veraltet sind und als Elektroschrott
enden, sind die klassischen Wandtafeln «ein gutschweizerisches Produkt», wie
Tiburzi betont: «Wenn man sorgfältig damit umgeht, halten sie eine halbe
Ewigkeit.» Alles in allem gibt das für die praktisch unzerstörbare Wandtafel die
Bestnote. Die Firma Novex prophezeit jedenfalls auf ihrer Homepage:«Die Schrift
ist Ausdruck der Persönlichkeit: Wir müssen sie über Jahre erlernen, sei es auf
Papier oder auf Tafeln – ganz werden beide nicht aus dem Schulzimmer verschwinden.»
Geändert hat sich bloss, dass es Lehrer heutzutage kaum mehr wagen dürften, mit
Kreide nach ihren Schülern zuwerfen.
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