2. Januar 2020

Zur Lage der Aargauer Volksschule


Die Schule Aargau ist eine gute Schule. Bewährt und stabil. Egal, ob mit oder ohne Schulpflege: Die Aargauer Schule wird weiter funktionieren. Auch mit der komplizierten Neuressourcierung bleibt die Schule auf Kurs. Der Lehrplan 21 bringt zwar viel zusätzliche Arbeit in der Einführungsphase, aber auch viele Chancen. Auch der neue Lehrplan 21 wird den Schulbetrieb nicht auf den Kopf stellen. Die Lehrpersonen werden rasch einen pragmatischen Umgang finden. Das war beim bisherigen Lehrplan nicht anders. Die Vorteile der Harmonisierung werden sich schon bald zeigen. Schmerzhafte Schulfusionen wird es weiterhin geben und damit viel Unmut bei den betroffenen Gemeinden.
Plakat des Lehrervereins zum Thema Lehrermangel, alv
Die gute Schule ist gefährdet - Anmerkungen zur Lage der Aargauer Volksschule, Aargauer Zeitung, 31.12. von Jörg Meier


Aber auch da wird man sich im Kanton der Regionen arrangieren und irgendwann zur Tagesordnung übergehen. Wer also von aussen auf die Schule Aargau blickt, kommt zum Schluss: Es gibt zwar überall Baustellen, aber es besteht kein ernsthafter Grund zur Sorge, weil ringsum überaus viele Menschen professionell und mit grossem Engagement für die Schule Aargau arbeiten. Wenn da nur nicht der Lehrermangel wäre.
Jedes Jahr müssen im Aargau rund 470 Lehrpersonen an der Volksschule ersetzt werden. Weil sie pensioniert werden oder weil sie aus dem Beruf aussteigen. Von der Pädagogischen Hochschule aber kommen nur 250 bis 300 neue Lehrerinnen und Lehrer nach. Und von diesen sind nach spätestens fünf Jahren über die Hälfte wieder weg. Sie wandern ab in andere Berufe oder andere Kantone. Zudem steigt die Schülerzahl im Aargau kontinuierlich weiter; der Bedarf an Lehrpersonen wird weiter steigen. Was also ist zu tun?

Natürlich, der Lohn. Der wird jetzt endlich angepasst, rund 70 Millionen Franken zusätzlich sollen die Lehrpersonen von Kanton und Gemeinden ab 2021 pro Jahr erhalten, so jedenfalls die Absicht des Regierungsrates. Zweifellos ein guter Ansatz. Aber dass das allein nicht reicht, um den Beruf wieder attraktiv zu machen, ist unbestritten. Immerhin ist die Lohnanpassung hilfreich, um die jetzigen Lehrpersonen im Aargau zu halten und den Exodus in besser zahlende Nachbarkantone zu stoppen oder zumindest zu reduzieren. Der aargauische Lehrerinnen- und Lehrerverband (alv) hat eine Reihe von Vorschlägen zuhanden der Regierung formuliert, was die Politik gegen den akuten Lehrpersonenmangel tun müsste. So sollen schulnahe Kitas geschaffen werden, die Lehrpersonen mit kleinen Kindern höhere Unterrichtspensen ermöglichen. Berufseinsteigende sollen professionelle Unterstützung erhalten; ein wirkungsvolles Gesundheitsmanagement soll dafür sorgen, dass krankheitsbedingte Abwesenheiten reduziert werden. Kleinstpensen sollen unkompliziert vergeben werden können. Aber vor allem möchte der alv, dass der Kanton, den Lehrerberuf wieder so attraktiv macht, dass genügend junge Leute, Lehrerin oder Lehrer werden wollen. Das sind alles sicherlich berechtigte Forderungen. Nur: Wie macht man einen Beruf attraktiv, der zurzeit kein besonders hohes Ansehen geniesst? Kann das die Politik?

Sie muss es können und die Gesellschaft muss es wollen. Was passiert, wenn alle Notmassnahmen, wie wir sie auch von den Aargauer Schulen her kennen, nicht mehr greifen, sehen wir in Deutschland. Dort hat man in einzelnen Bundesländern schleichend die Klassen vergrössert, Fächer aus dem Lehrplan gestrichen, aus Zeitgründen auf Zeugnisse verzichtet. Zudem wurde an vielen Schulen Teilzeitarbeit verboten - und Lehrpersonen werden dorthin zwangsversetzt, wo die Not am grössten ist. Schliesslich fällt der Unterricht teilweise aus.

Von solchen Zuständen sind wir im Aargau noch weit entfernt. Trotzdem: Der Lehrermangel ist tückisch. Denn er lässt sich nicht mit einfachen Rezepten beheben. Und schon gar nicht kurzfristig. Das hat zur Folge, dass zunehmend Laienlehrer an der Schule Aargau tätig sind. Sie können eine Bereicherung sein. Wenn sie aber ohne entsprechende Ausbildung der Not gehorchend die Aufgaben von ausgebildeten Lehrpersonen ganz oder teilweise übernehmen müssen, führt das zu einer Deprofessionalisierung der Schule. Wenn Chirurgen fehlen, übernehmen in der Regel nicht Biologen oder Physiotherapeutinnen die Operationen.

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