11. November 2019

"Ich trauere 'Bonne Chance' nach"


Nach den eidgenössischen Wahlen, die ganz im Zeichen des Klimawandels gestanden sind, ist es nun Zeit, das Augenmerk vermehrt wieder andern Sachthemen zuzuwenden. In Baselland finden am 24. November die nächsten kantonalen Volksabstimmungen statt (nebst dem zweiten Ständerats-Wahlgang). Es geht um die Steuervorlage 17 und um die Abschaffung des Lehrmittelobligatoriums an unseren Schulen. Diese Abstimmung dürfte weniger hohe Wellen werfen als jene um die Steuerfrage. Dennoch ist sie wichtig und verdient Beachtung.
La Suisse Romande existe! BZ Basel, 11.11. von Thomas Schweizer


Zustande gekommen ist die Bildungsvorlage wegen der miserablen Resultate des didaktischen Sprachkonzepts Passepartout mit dem gescheiterten Lehrmittel «Mille feuilles». Hier sind die Resultate tatsächlich desolat. Im Lauf der Zeit wurde die Kritik bei Eltern sowie Lehrerinnen und Lehrern immer heftiger. Man forderte eine bessere Sprachvermittlung. Bald bekamen nämlich alle am Fach Französisch den
Verleider. Unsere zweite Landessprache darf aber nicht vernachlässigt werden und verdient darum beste Lehr- und Lernbedingungen. Kürzlich hatte zudem Peter Rothenbühler in einem bz-Gastkommentar die bittere Wahrheit ausgesprochen, dass die Westschweiz bei uns immer weniger wahrgenommen würde. Eine Ursache sah er in den Schulen, die den Austausch von welschen und Deutschschweizer Klassen fördern müssten. Ihm kann ich nur zustimmen, denn das berühmte «Welschlandjahr» von früher gibt es ja längst nicht mehr. Persönlich sehe ich eine weitere Ursache der Geringschätzung unserer «compatriotes romands» darin, dass eben die seit 2011 eingesetzten Lehrmittel im Rahmen von Passepartout für unsere Kinder (und wohl auch für manche Lehrkräfte) untauglich sind. Den Schulen aber kommt eine vorrangige Bedeutung für die Kenntnisse unserer verschiedenen Landesteile und Sprachregionen zu.

Noch immer trauere ich «Bonne Chance» nach, das meiner Ansicht beste Französisch-Lehrmittel, das je an unseren Schulen eingesetzt worden ist. Entwickelt hatten es Sprachpraktiker (keine weltfremden, oft behördlichen Theoretiker!) aus mehreren Kantonen. Entsprechend war das Lehrmittel sehr kindgerecht aufgebaut. Wenn auch der Beginn sehr spielerisch (dem Alter der Kinder entsprechend) daherkam, so wurde doch die Grammatik nie vernachlässigt, und das gesamte Konzept der drei Bände folgte einem logischen Aufbau. Durch die beiden Stabpuppen Pierrette und Pierrot erreichten die Kinder bald eine sehr natürliche und ungehemmte Sprechfertigkeit.

Nebst einem Vokabular, das dem Grundwortschatz entsprach und in «Mille feuilles» sträflich vernachlässigt wurde, bekamen unsere Kinder auch einen ausgezeichneten Einblick in das Alltagsleben zweier unterschiedlicher westschweizer Familien. So wurden ihnen nie die sattsam bekannten Klischees und Vorurteile über «les Welschs» vorgesetzt. Sie lernten ganz einfach eine andere Lebensweise kennen. «Mille feuilles» brachte Themen aus der ganzen Welt, wohl gut gemeint, aber die Lernenden oft überfordernd.

Ehrlich, mir ist schleierhaft, warum «Bonne Chance» nicht weiterentwickelt und damit unsern Kindern ein sehr vernünftiges, weil praxisnahes Lehrmittel in die Hand gegeben worden ist. Das Konzept Passepartout verschlang auch unverschämt viel Geld, das für bessere Schulzwecke hätte eingesetzt werden können. Zu hoffen ist, dass ein positives Abstimmungsresultat in Baselland Signalwirkung für andere Kantone hat. Unsern aufgeweckten Kindern und unserer unverzichtbaren Westschweiz zuliebe.

Thomas Schweizer ist ein schriftstellerisch tätiger Kulturschaffender und Lokalhistoriker aus Füllinsdorf.

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