24. November 2019

Berset will Sprachaustausch massiv fördern


Bundesrat Berset ist ein Getriebener: Er will die offenbar zerbrechende Eidgenossenschaft mit sprachlichen Zwangsmassnahmen (Erste Fremdsprache eine Landessprache) kitten. Da die Resultate dieser Politik verheerend ausfallen, rennt er nun in vollem Tempo in die einzige Richtung, die den Protagonisten des frühen Fremdsprachenunterrichts noch geblieben ist: Sprachaustausch. Dafür will er 10 Millionen Franken pro Jahr zusätzlich ausgeben. Doch auch dies ist eine Sackgasse. Wer rechnen kann weiss, dass es niemals genügend Plätze für die Deutschschweizer in der Romandie geben wird. Und das Interesse der Welschen für solche Aktivitäten hält sich seit jeher in engen Grenzen. Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass Westschweizer Klassen vorzugsweise nach Deutschland gehen, um dort "richtiges" Deutsch zu hören. So viel zum nationalen Zusammenhalt. 

Quelle: Movetia, BFS, Tages Anzeiger

Als Schulpraktiker frage ich mich auch, wieso man dazu 10 Millionen Franken pro Jahr zusätzlich ausgeben kann. Die Kinder wohnen im Normalfall bei ihren Gasteltern, die anfallenden Kosten sind hauptsächlich Reisekosten. Ausserdem gibt es ja bereits eine gut ausgebaute und ausserordentlich hoch alimentierte Organisation mit 34 Angestellten (www.movetia.ch) dafür. Im Jahr 2018 kassierte man Beiträge der öffentlichen Hand von über 32 Millionen Franken. Angesichts des eklatanten Missverhältnisses zwischen der Anzahl Nutzer und der dafür eingesetzten Mittel liegt der Verdacht nahe, dass es beim Sprachaustausch in erster Linie um den Aufbau eines weiteren administrativen Überbaus geht. (uk)
Schul-Französisch könnte Spass machen, wenn, Schweizer Illustrierte, 23.11. von Sandra C.


In der letzten Ausgabe der «Schweizer Illustrierten» kündigt Bundesrat Alain Berset an, den schulischen Austausch innerhalb der Schweiz massiv stärken zu wollen. Ab 2020 sollen vier Jahre lang zehn Millionen Franken in den Klassen- und Einzelaustausch gesteckt werden, damit möglichst viele Schülerinnen und Schüler in den Genuss eines Austausches in einer anderen Sprachregion unseres Landes kommen.
Locker vom Hocker: Berset will Geld verteilen, Bild: Kurt Reichenbach

Ich finds toll. Meinen Kindern dreht sich beim Gedanken, mehrere Wochen in einer französisch-sprachigen Umgebung verbringen zu müssen, der Magen um. Und ich würde mal behaupten, da sind sie nicht die einzigen. «Franz» gehört in der Deutschschweiz zu den meist gehassten Fächern. Ich habe mich schon oft gefragt, warum eigentlich.

Die Sprache «spielerisch kennen lernen»
Ich persönlich finde die Sprache eine der schönsten der Welt und ich habe sie ab der ersten Lektion in der 7. Klasse geliebt. Vermutlich auch deshalb, weil es die erste Fremdsprache war, die ich in der Schule lernte. Meine Kinder lernen seit der 2. Klasse Englisch, Französisch kam in der 5. Klasse dazu. Die Freude darüber, (noch) eine Fremdsprache zu lernen, hielt sich also naturgemäss in Grenzen. Und wenn ich ganz ehrlich bin, fragte ich mich da schon, ob man diese eine Französisch-Lektion, die sie pro Woche hatten, vielleicht lieber darin investieren sollte, dass die Kids erst mal richtig Deutsch lernen, und das Französisch später, dafür intensiver einführen.

«Beim Üben war ich denn auch ziemlich geschockt darüber, wohin sie diese vier Jahre spielerischer Französisch-Unterricht gebracht hatte. Nämlich gar nirgends!»
«Sie sollen die Sprache ganz spielerisch kennen lernen», sagte mir eine Lehrerin, als ich bei einem Gespräch mal nachfragte. Nun, als meine Tochter nach der 8. Klasse in der Sekundarschule die Aufnahmeprüfung ans Gymnasium machte, wurden genau drei Fächer getestet: Deutsch, Mathe - und Französisch. Also bitte, kein Druck, alles ganz spielerisch! Beim Üben war ich denn auch ziemlich geschockt darüber, wohin sie diese vier Jahre spielerischer Französisch-Unterricht gebracht hatte. Nämlich gar nirgends! Während sich beide meine Kinder in Englisch unterhalten können, als hätten sie nie etwas anderes getan, kriegen sie in Französisch kaum ein paar Sätze hin. Woran liegt das bloss?

Die Lehrpersonen sind selbst nicht sattelfest
«Das ist so kompliziert. Echt, diese Sprache besteht nur aus Ausnahmen!», sagt meine Tochter, als ich sie frage, warum sie «Franz» nicht mag. «Und die Lektionen sind soooo langweilig!» Tatsächlich finde ich das Schulmaterial wenig inspirierend: Vokabular, Grammatik, Grammatik, Vokabular. Und dann kommt die Lehrerin meines Sohnes, die sich darüber wundert, dass dieser zwar sowohl «Voci» als auch Grammatik im Griff hat, aber kaum einen sinnvollen Satz hinkriegt.

«Den echten Sprachgebrauch lernt man nicht durch Vokabeln-Büffeln, sondern durch Reden. Und Zuhören.»
Abgesehen davon, dass nicht alle das gleiche Sprachtalent haben: Den echten Sprachgebrauch lernt man nicht durch Vokabeln-Büffeln, sondern durch Reden. Und Zuhören. Ich hatte in der 10. Klasse einen grossartigen Französisch-Lehrer. Wir unterhielten uns über dies und das, schauten Filme, hörten Musik - ausschliesslich in Französisch. Dazu muss man sagen: dieser Lehrer war Franzose und sprach kaum Deutsch.

Genau hier liegt wohl der Hund begraben: Ich habe das Gefühl, dass viele Lehrpersonen in der Sprache nicht sattelfest sind, weshalb sie sich ganz strikt an Lehrplan, Vokabular und Grammatik halten. Und so hält sich halt der Spass an der Sache in ganz engen Grenzen. Laut Berset soll auch ein Austauschprogramm für angehende Lehrpersonen und eines für die berufliche Grundausbildung finanziert werden. Das halte ich schon mal für einen guten Anfang.


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