Bildung
Bern, der Berufsverband der Berner Lehrkräfte, rückt einen Schritt ab vom
Frühfranzösisch-Lehrmittel «Mille Feuilles». Man habe das Projekt
«Passepartout» mit dem umstrittenen Lehrmittel bis jetzt kritisch und
konstruktiv begleitet, schreibt Bildung Bern am Dienstag in einer
Medienmitteilung. Nun aber unterstütze man ein Wahlobligatorium.
Franziska
Schwab, Co-Leiterin Pädagogik des Berufsverbands, erklärt auf Anfrage, was sie
darunter versteht: Die kantonale Erziehungsdirektion solle eine Auswahl mehrerer
erprobter Französischlehrmittel treffen, aus der die Schulen eines auswählen
müssen. Bildung Bern fordert also eine Alternative zu «Mille Feuilles». «Es ist
nicht zielführend, auf einem einzigen Lehrmittel zu beharren, wenn der
Widerstand dagegen so gross ist», sagt Franziska Schwab.
Der Druck auf das Lehrmittel «Mille Feuilles» wächst, Berner Zeitung, 27.11. von Stefan von Bergen
Wahlfreiheit
gefordert
Seit drei
Jahren ist «Mille Feuilles» in der Volksschule im Kanton Bern obligatorisch.
Bern gehört mit Basel-Stadt und Baselland, Solothurn, Freiburg und Wallis zum
Verbund der Passepartout-Kantone, die das Lehrmittel entwickelt haben. Es setzt
auf die Didaktik des sogenannten Sprachbads. Die Schülerinnen und Schüler
sollen ab der 3. Klasse im spielerischen mündlichen Umgang Französisch lernen.
Von Anbeginn an war «Mille Feuilles» bei Berner Lehrkräften und Eltern
umstritten. Sie monieren, das Lehrmittel sei unstrukturiert und vernachlässige
Grammatik wie auch Wortschatz.
«Wir
verlangen nicht, dass die Schulen völlig frei ein auf dem Markt erhältliches
Lehrmittel wählen können», relativiert Franziska Schwab. Und man begrüsse, dass
in der «Mille Feuilles»-Version für die 5. Klasse die Kritik von Bildung Bern
eingearbeitet worden sei: weniger Stoff, mehr Grammatik und ein realitätsnaher
Grundwortschatz.
Englisch
toppt Französisch
«Uns ist
klar, dass das Geld für ein ganz neues Französisch-Lehrmittel fehlt, wir wollen
auch nicht zurück zum früheren Lehrbuch «Bonne Chance», betont Franziska
Schwab. Für Bildung Bern gehe es aber um mehr als bloss ein Lehrmittel: «Wir
müssen diskutieren über das im Vergleich zum Englischen schlechte Image des
Französischen in unserer Gesellschaft und über die Weiterbildung der
Französisch-Lehrkräfte», sagt Schwab.
«Mille
Feuilles» ist auch das Thema in überparteilichen Vorstössen, die Anfang Woche
im Grossen Rat eingereicht wurden. Während die einen wie Bildung Bern eine
gewisse Wahlfreiheit beim Französisch-Lehrmittel verlangen, fordert
GLP-Grossrat Michael Ritter gar Berns Ausstieg aus dem Passepartout-Verbund.
Auslöser
der jüngsten Berner Aufregung ist die Abstimmung im Halbkanton Baselland am
letzten Wochenende. Das Volk befürwortete dort deutlich eine
Lehrmittelfreiheit. Die Schulen können neu aus einer Liste von
Französischlehrmitteln auswählen. Bürgerliche Kritiker von «Mille Feuilles»
wollten es gar ganz verbannen. Auch die jetzt gutgeheissene Lösung beendet wohl
seine Hoheit.
Unterschlagene
Evaluation
Die
wachsende Kritik an «Mille Feuilles» hat noch einen weiteren Ursprung. Diese
Zeitung hatte Ende September aufgedeckt, dass die Passepartout-Kantone eine
schlecht ausgefallene Frühfranzösisch-Evaluation, die sie selber in Auftrag
gegeben hatten, ganz verschwiegen. Im Mai hatte das Institut für
Mehrsprachigkeit an der Universität Freiburg gezeigt, dass die
Passepartout-Lernziele in der 6. Klasse verfehlt worden waren. Nur 32,8 Prozent
der Schülerinnen und Schüler erreichten die Ziele beim Leseverstehen, 57
Prozent beim Hörverstehen.
Erziehungsdirektorin
Christine Häsler war am Mittwoch absorbiert durch die Session im Grossen Rat
und wollte sich nicht äussern zur sich zuspitzenden Frühfranzösisch-Frage.
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