Im
aktuellen Bildungsbericht sind sie nicht vermerkt. Auch die Konferenz der
Erziehungsdirektoren oder der Lehrerverband wissen nicht, wie viele es sind. Es
heisst einzig, ihre Zahl nehme stetig zu: An Schulen in der ganzen Schweiz
arbeitet immer öfter freiwilliges oder bezahltes Assistenzpersonal. Es sind
keine Spezialisten wie Heilpädagogen, sondern Senioren, Eltern oder Zivildienstleistende,
welche die Lehrer im Klassenzimmer unterstützen sollen.
Lehrer, die keine sind, erobern die Klassenzimmer, Schweiz am Wochenende, 10.8. von Yannick Nock
Beat Schwendimann,
Bildungsexperte des Schweizer Lehrerverbands, gibt eine Grössenordnung. «Aus
Rückmeldungen wissen wir, dass viele Schulen Assistenzpersonen beschäftigen»,
sagt er. «Es dürfte sich daher schweizweit um mehrere Tausend Personen
handeln.» Und die Zahl steigt von Jahr zu Jahr, wie eine Umfrage unter einigen
Städten zeigt. In Zürich waren es 2015 bloss zwei Personen, 2018 bereits 336.
In St. Gallen sind mittlerweile jährlich knapp 60 Senioren, 10 Praktikanten und
10 Zivildienstleistende tätig, in Basel sind es gar 65 Zivis und 110
Praktikanten. Auch die Kantone Luzern (115 Vollzeitstellen), Aargau (130
Vollzeitstellen) und Bern (730 Personen) beschäftigen zahlreiche Klassenassistenten.
In Graubünden hingegen gibt es laut Kanton keine.
Die Mondlandung nicht richtig
wiedergegeben
Die Helfer kommen auf den tiefen Stufen zum Einsatz. In Bern sind
sie nur im Kindergarten tätig. Meistens handelt es sich um ein befristetes
Engagement. Es geht darum, die Kindergarten- und Primarlehrer zu entlasten, sie
auf Ausflügen zu begleiten und im kleinen Kreis den Stoff nochmals zu erklären,
wenn Kinder nicht alles verstanden haben. Meistens handelt es sich bei den
Assistenten um engagierte Personen mit einem Flair für den Unterricht. Eine
spezielle Ausbildung haben nur die wenigsten absolviert. Mittlerweile bieten
einige Pädagogische Hochschulen allerdings solche Kurse an.
Laut Schulleitern
sind die meisten Assistenten sehr hilfreich im Klassenzimmer. Allerdings gibt
es auch negative Rückmeldungen. So berichten Eltern, dass ihren Kindern Unsinn
in der Schule erzählt wurde. Beispielsweise hatte kürzlich ein Senior im Kanton
Aargau einige Begebenheiten zum 50 Jahrestag der ersten Mondlandung verwechselt.
Der Lehrerverband forderte bereits 2017 verbindliche kantonale Konzepte für
Assistenzpersonal. Zudem brauche es mehr Angebote für Weiterbildungen. Viel ist
seitdem allerdings nicht passiert. Es würden nach wie vor klare Regelungen der
Qualifikation, der Tätigkeitsbereiche und der Anstellungsbedingungen fehlen,
sagt Schwendimann. Gemäss Verband wurden zuletzt auch Assistenten aus
Spargründen angestellt. Solche Notmassnahmen dürften allerdings nicht sein.
Dass Schulen vermehrt auf Assistenten zurückgreifen, hat mehrere Gründe: Durch
die steigenden Schülerzahlen und den akuten Lehrermangel werden die Klassen
tendenziell grösser. Und in der integrativen Förderung, die auf Sonderklassen
verzichtet, gibt es zudem öfter Buben und Mädchen im Unterricht, die spezielle
Hilfe benötigen.
Profitieren können Kinder mit Migrationshintergrund
Welchen
pädagogischen Wert die Hilfslehrer haben, ist dennoch umstritten. In der
Schweiz gibt es keine Untersuchung dazu – im Ausland allerdings schon.
Italienische Schulen kamen zum Schluss, dass Klassen mit Assistenzpersonal
nicht besser abschneiden, als jene ohne. Das liegt aber nicht an der
Hilfskraft, sondern weil der eigentliche Lehrer dann weniger Zeit in die Buben
und Mädchen investierte.
Anders sieht es in Österreich aus. Dort zogen die
Schulen ein positives Fazit. Vor allem Kinder mit Migrationshintergrund würden
davon profitieren. In Wien schnitten beispielsweise türkischstämmige Kinder mit
Assistenten deutlich besser ab. Der Hilfslehrer hatte ebenfalls türkische
Wurzeln.
«In solchen Fällen können die Assistenten sehr nützlich sein», sagt
Stefan Wolter, Bildungsökonom und Verfasser des Schweizer Bildungsberichts.
«Die Schüler wüssten, wenn sie sich nicht anstrengen, kommt jemand zu ihnen
nach Hause, vor dem die Eltern auch Respekt haben.» Zudem hätten die
Assistenten manchmal einfach einen besseren Zugang zu den Jugendlichen als der
Klassenlehrer.
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