12. Juni 2019

Wahre Ursachen des Bildungsabbaus zur Kenntnis nehmen

Die Ergebnisse des ersten nationalen Bildungsvergleichs sind unbestritten miserabelausgefallen (NZZ 25. 5. 19). Von dem bei Pisa 2018 noch hochgejubelten «Europameister im Rechnen» erreichen 40 Prozent der Schüler die minimalen Grundkompetenzen in Mathematik nicht. Die sprachlichen Kompetenzen wurden nur teilweise überprüft, für Sprechen und Schreiben liegen keine Testergebnisse vor. Kein Wunder, hat sich die EDK erst nach zwei beziehungsweise drei Jahren getraut, die Resultate zu veröffentlichen. Über die Ursachen gibt es viele Spekulationen. Nur eines scheint gemäss den Bildungsverantwortlichen klar zu sein: Mit dem Reformpaket Lehrplan 21 habe es nichts zu tun, weil er zur Testzeit 2016/17 noch gar nicht eingeführt gewesen sei. Auffallend ist, dass die Resultate bei den weniger reformfreudigen Kantonen meist besser ausgefallen sind.
NZZ, 12.6. Leserbrief von Peter Aebersold

Vor genau 30 Jahren, als noch niemand vom Lehrplan 21 sprach, wurde im Schuljahr 1989/90 bei der Schule für Kunst und Sport in Zürich erstmals das «selbstgesteuerte Lernen» unter der harmlosen Bezeichnung «Wochenplan» eingeführt. Das Reformelement «selbstgesteuertes Lernen» nimmt im Lehrplan 21 eine zentrale Rolle ein und führt beim Lehrerberuf und beim Unterricht zu einer dramatischen Veränderung: Der Lehrer wird zum Lernbegleiter/Coach degradiert und darf nicht mehr vor der ganzen Klasse unterrichten, sondern nur noch «individuell begleiten», weil das Lernen der Kinder laut den Schulreformern nur «authentisch» ist, wenn die Schüler «selbstgesteuert» sozusagen das Rad neu erfinden können. Das «kostengünstige» selbstgesteuerte Lernen ist dem traditionellen, erfolgreichen Ansatz des Klassenunterrichts komplett entgegengesetzt. Wenn die wahren Ursachen für den von den kritischen Bildungsfachleuten vorausgesagten Bildungsabbau weiterhin nicht zur Kenntnis genommen werden, wird sich die Bildungsqualität unweigerlich weiter verschlechtern.


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