26. Mai 2019

Basel fällt sowohl in Mathe wie auch in den Sprachen ab


Lange hat sich die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) geziert, die Ergebnisse der ersten schweizweiten Erhebung von Grundkompetenzen in der Volksschule offenzulegen. Am Freitag ist nun endlich publiziert worden, wie gut die Sechstklässler ihre Schulsprache beherrschen, wie weit sie beim Lernen der ersten Fremdsprache sind und wie viel an Mathematik bei Sekundarschülern zum Ende der Schulzeit hängengeblieben ist. Getestet wurde, wie viele Schülerinnen und Schüler die Grundkompetenzen erreichen, die 2011 im Rahmen der Harmonisierung der nationalen Bildungsziele definiert wurden. Die jetzt publizierten Erhebungen fanden bereits vor drei (Mathematik) und zwei Jahren (Sprachen) statt.
Katastrophales Zeugnis für die Basler Schulen, NZZ, 24.5. von Jörg Krummenacher

Passable Sprachkompetenzen

Bei den Sprachen fielen die Resultate einigermassen befriedigend aus, bei der Mathematik überraschend schlecht. In der Schulsprache erreichen 80 bis 90 Prozent der Sechstklässler beim Leseverstehen wie bei der Orthographie die gesetzten Ziele. In der ersten Fremdsprache, die ab der dritten Primarklasse gelehrt wird, ergab sich ein weniger kompaktes Bild – je nach Landesteil, gewählter Erstsprache und Prüfungsbereich (getestet wurden hier das Hör- und das Leseverständnis). In den Deutschschweizer Kantonen, die entweder Englisch oder Französisch als erste Fremdsprache wählen konnten, ergaben sich beim Englischen deutlich bessere Resultate. Auffällig ist insbesondere, dass das Hörverständnis beim Französischen bei einem Drittel aller Schüler ungenügend ist. Ähnlich sieht es in Bezug auf die Fremdsprache Deutsch in der Westschweiz aus.


Aber auch bei den Fremdsprachen erwies sich die Grundkompetenz als deutlich höher als bei der Mathematik, wo im Durchschnitt lediglich 62,2 Prozent der Schulabgänger das von der EDK anvisierte Bildungsziel erreichten. Dieses Ergebnis hat die EDK auf dem falschen Fuss erwischt; eine Erklärung dafür hat sie nicht. Auch für Beat W. Zemp, den Zentralpräsidenten des Lehrerverbands, und Bernard Gertsch, der dem Verband der Schulleiter vorsteht, kam das schlechte Abschneiden überraschend, zumal die Schweizer Schüler 2016 im internationalen Pisa-Vergleich gut abgeschnitten hatten. Zemp sagt klar: «Das Ergebnis ist zu tief».

Besser im Lesen als im Rechnen

Geprüft wurden über 20 000 Schülerinnen und Schüler aus allen Kantonen, so dass sich auch ein aufschlussreiches Bild über die Kompetenzen in den einzelnen Landesteilen und Regionen ergibt.

Grosse kantonale Differenzen

An der Spitze liegen die Kantone Freiburg, Wallis und Appenzell Innerrhoden, deren Schüler sowohl bei Mathematik wie bei den Sprachen überdurchschnittliche Kompetenzen bewiesen haben. Am anderen Ende der Skala finden sich die Kantone Basel-Stadt, Baselland und Solothurn. Besonders augenfällig ist das schlechte Abschneiden der Schüler aus Basel-Stadt, wo in Mathematik nicht einmal die Hälfte der Schüler genügt (43,5 Prozent), wo aber auch bezüglich Sprachkompetenzen weniger erreicht wurde als in fast allen anderen Kantonen.
In den zweisprachigen Kantonen Bern, Freiburg und Wallis wurde der deutsch- und der französischsprachige Teil gesondert bewertet. Dabei zeigte sich, dass diese jeweils in der Kenntnis der anderen Landessprache grosse Vorteile haben. Freiburger und Walliser, besonders im französischsprachigen Kantonsteil, erwiesen sich indes auch bei der Mathematik als überdurchschnittlich gut.
Grosse Unterschiede bei der Mathema



Weit geringer als bei der Mathematik sind die kantonalen Unterschiede in den sprachlichen Fächern. Das zeigt sich am Beispiel des Leseverständnisses in der Schulsprache, wo nur gerade drei Kantone nach oben oder unten abweichen.

Grössere kantonale Differenzen zeigten sich im Sprachbereich lediglich beim Leseverständnis in der Fremdsprache Französisch. Da liegen das Tessin und die zweisprachigen Kantone Freiburg und Wallis naturgemäss an der Spitze. Schlusslichter sind Baselland, Solothurn und Basel-Stadt.

Tessiner verstehen Französisch am besten


Zürich im nationalen Durchschnitt

Die Resultate der Zürcher Schülerinnen und Schüler liegen sowohl in Mathematik wie Sprache nahe beim Schweizer Durchschnitt. Neun weitere Kantone fallen weder auf noch ab: Aargau, Appenzell Ausserrhoden, St. Gallen, Thurgau, Graubünden, Uri, Obwalden, Nidwalden, Neuenburg und Genf.

Die EDK hat gemäss ihrer Präsidentin, der Zürcher Bildungsdirektorin Silvia Steiner, eine Fachkommission beauftragt, die markanten Unterschiede zwischen den Kantonen zu untersuchen, ebenso die ungenügenden Ergebnisse aus der Nordwestschweiz. Tests haben bereits ergeben, dass die unterschiedliche Bevölkerungszusammensetzung nicht hauptsächlicher Grund ist: weder soziale Herkunft, noch zu Hause gesprochene Sprache noch Migrationsstatus seien entscheidend für das Erreichen der Kompetenzen. «Die Analysen zeigen», hält die EDK fest, «dass die unterschiedlichen Anteile nicht oder nur zu einem äusserst geringen Teil auf die Schülerzusammensetzungen zurückgeführt werden können». Auch der Verweis auf den neuen Lehrplan 21 geht ins Leere, da dieser zum Zeitpunkt der Erhebungen noch nicht umgesetzt war.

Steiner: «Lehrkräfte machen guten Job»

Einen nur begrenzten Einfluss haben zudem die unterschiedlichen Stundendotationen in den Kantonen. «Wir haben erst Vermutungen», sagt Silvia Steiner. Gab es methodische Gründe, da die Aufgaben digital gelöst werden mussten? Waren insbesondere die Mathematik-Aufgaben zu anspruchsvoll, wie Lehrkräfte mutmassen? Lag es an den Lehrmitteln? An den Lehrkräften? Silvia Steiner nimmt diese aus dem Schussfeld: «Sie machen einen sehr guten Job».

Die Ergebnisse sind laut der EDK jedenfalls «ein Indikator dafür, wie hoch die Übereinstimmung bei den Bildungszielen bei den Kantonen ist». Das Startbild, das die Schweizer Volksschule hinsichtlich der Harmonisierung abgegeben hat, lässt viel Luft nach oben: In der Mathematik haben fast alle Kantone Aufholbedarf, bei den Sprachen muss vor allem das Leseverständnis in der Fremdsprache Französisch angehoben werden. Und die Nordwestschweizer Kantone Basel-Stadt, Baselland und Solothurn müssen sich aufmachen, den Rückstand gegenüber den anderen Kantonen aufzuholen.


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