22. Juni 2019

Verfilzte Schulleitungen


Fussballtrainer werden bei Misserfolg oder Unstimmigkeiten gefeuert, die Mannschaft jedoch bleibt. Bei Schulleitern ist das oft umgekehrt: Sie bleiben, die Lehrkräfte aber müssen gehen. Mittendrin in akuten Fällen: zwei ehemalige Spitzensportler.


Unrühmliche Seilschaften an den Schulen, NZZ, 22.6. von Jörg Krummenacher



«Das Wichtigste ist, dass es den Lehrern und Schülern gut geht.» So sprach Mirko Spada im Juli 2018, bevor er sein Amt als Schulleiter der Sekundarschule im thurgauischen Wigoltingen antrat. Zehn Monate später hat die Mehrzahl der Lehrkräfte gekündigt und begründet dies mit «mangelnden fachlichen und menschlichen Kompetenzen» der Schulleitung, was zu «einem immer grösseren Vertrauensverlust» geführt habe. Nicht nur Lehrkräfte, auch Schüler wandten sich gegen Mirko Spada und forderten ihn an einer Versammlung auf, «die Schule zu verlassen und somit die Schule geeignetem Personal zu überlassen». Es geht nicht mehr gut an der Sekundarschule.


Der Stil des Ex-Zehnkämpfers

Wigoltingen ist kein Einzelfall. Verwerfungen an Schulen häufen sich auffällig – von der Volksschule bis zur Hochschule. Mittendrin finden sich jeweils die Schulleitungen und Rektorate. Unterschiedliche pädagogische Ansichten gehören zum Lehrerzimmer, beispielsweise bei der Umsetzung des Lehrplans 21. Kommt es aber zur offenen Auseinandersetzung, liegt dies oft am Verhalten der Schulleitung, an Machtspielen und Überforderung. Manche Konflikte legen soziale, fachliche und kommunikative Inkompetenz der Schulleitungen wie auch der zuständigen politischen Behörden offen. Gelegentlich wappnen sich Schulleitung und Aufsichtsbehörde gegen Kritik, indem sie eine unrühmliche Seilschaft bilden. Jeder Fall hat seine eigene Geschichte.


Das Beispiel Wigoltingen: Was ist passiert?

Die Sekundarschule, die idyllisch mitten im Grünen liegt, hat auf dieses Schuljahr hin ein neues Leitungsmodell eingeführt mit Mirko Spada als pädagogischem Leiter sowie einem organisatorischen Leiter. Spada, heute 50-jährig, war 1993 und 1994 Schweizer Meister im Zehnkampf und gründete 2001 die Nationale Elitesportschule Thurgau, die er bis zum Wechsel nach Wigoltingen leitete. Er förderte die heutigen Eishockeystars Timo Meier und Kevin Fiala sowie den erfolgreichen Behindertensportler Marcel Hug. Statt mit jungen, ambitionierten Sportlern hatte er es ab August 2018 mit Sekundarschülern und deren Lehrkräften zu tun. Das wollte nicht zusammenpassen.


Vor zwei Monaten wurde der Konflikt öffentlich, worauf sich Nathalie Wasserfallen, die Präsidentin der Volksschulgemeinde Wigoltingen, umgehend und «unmissverständlich», wie sie in einem Elternbrief schrieb, hinter die Schulleitung stellte. Den «betreffenden Lehrpersonen», also der Mehrheit der Mitarbeitenden, warf sie im Brief vor, «bewusst notwendige Entwicklungsschritte verhindern» zu wollen. Diese sahen sich daraufhin veranlasst, in einem offenen Brief «persönlich desavouierende und in unserer Berufsehre verletzende» Falschinformationen Wasserfallens zu korrigieren. Tatsache sei, dass die Schulleitung Veränderungen in einem Tempo durchziehen wolle, das weder sinnvoll noch wohlüberlegt sei. Hauptgrund für den Konflikt und die Kündigungen sei aber der Führungs- und Kommunikationsstil der Schulleitung.


Weder Mirko Spada, sein Schulleitungskollege noch Schulpräsidentin Wasserfallen zeigten sich bereit, zu Fragen der NZZ Stellung zu nehmen. Die Kommunikation ist bis heute intransparent, der pädagogische Hintergrund des Konflikts diffus. Nachdem Eltern von Sekundarschülern Aufsichtsbeschwerde gegen die Wigoltinger Schulbehörde eingereicht hatten, ist das Thurgauer Amt für Erziehung und Kultur aufsichtsrechtlich aktiv geworden und hat einen Fragebogen verschickt. Derzeit haben die Beteiligten Gelegenheit, ihre Sicht der Dinge kundzutun. Ein Vorstoss im Kantonsparlament beschreibt den Fall als «dramatisch».


Eine Auswahl weiterer Fälle

Führungsprobleme führen an diversen weiteren Schulen zu Verwerfungen. An den Bezirksschulen Küssnacht haben nach Kritik am Führungsstil des Rektors zehn Personen gekündigt. Der Rektor bleibt. Koni Schuler, Präsident des Schwyzer Lehrerverbands, stellt dazu in der «Luzerner Zeitung» fest, dass Probleme vor allem dort auftauchten, «wo zwischen Politik und Lehrerschaft noch mehrere Hierarchiestufen eingebaut» seien. Weniger Probleme gebe es, wenn die Schulleitungen nahe der Basis seien.


An der Berufsschule Gesundheit und Soziales im aargauischen Bruggkam es zu mehreren Wechseln im Führungspersonal, zuletzt musste der Stellvertreter des Rektors mitten im Schuljahr «aufgrund divergierender Vorstellungen über Werte, Führung und Kommunikation» gehen. Der Rektor bleibt.


Auch an der Kantonsschule Sargans darf der Rektor bis heute im Amt bleiben, obwohl ihn das Bundesgericht im Konflikt um die Entlassung eines Mathematiklehrers wegen Amtsgeheimnisverletzung verurteilt hat. Zudem hat der Rektor einräumen müssen, dass er ein weiteres Mal vorbestraft sei. Gegenüber seinem Arbeitgeber, dem Kanton St. Gallen, hatte er dies aber verschwiegen. Das sankt-gallische Bildungsdepartement stellt den Rektor ungeachtet dessen nicht infrage.


An weiteren Orten mussten Lehrkräfte im Konflikt mit Schulleitungen entnervt kündigen: 2017 kam es im Kanton Zürich gleich an vier Schulen zu Konflikten, in Winterthur nahmen an der Primarschule Brühlberg 18 Lehrkräfte wegen Schulleitung und Schulpflege den Hut, an der Primarschule in Ebnat-Kappel verliessen sechs Lehrpersonen wegen eines von der Schulleitung angerichteten Chaos das Schulhaus. In einem aktuellen Fall an der Schuleinheit Luberzen in Dietikonhaben gleich 13 Lehrkräfte gekündigt, vier davon nennen explizit den Konflikt mit der Schulleitung als Grund. Auch hier stellt sich die Schulbehörde gemäss «Limmattaler Zeitung» «voll und ganz» hinter die beiden Schulleiter, die erst relativ kurz im Amt sind.

Eine Frage der Macht

Die genannten Fälle stellen eine Auswahl von Schulleitungskonflikten dar, die eskaliert und an die Öffentlichkeit gelangt sind. Haften bleibt der Eindruck zunehmender Führungsmängel an Schulen, von Grabenkämpfen unter Pädagoginnen und Pädagogen. «Die Zahl der Konflikte hat sicher nicht abgenommen», sagt Bernard Gertsch, der den Schweizerischen Schulleiterverband (VSLCH) präsidiert. Gertsch glaubt jedoch nicht, «dass es mehr schlechte Schulleiter gibt als früher. Es gibt sehr viele, die sehr gut sind. Gestiegen sind aber die Anforderungen, so dass manche überfordert sind.» Schulleiter wirkten auf einem Feld mit vielen Turbulenzen. Neben sozialer Kompetenz, ist Gertsch überzeugt, benötigten sie grosse Analysefähigkeit. Auch habe das Tempo der Veränderungen im Schulalltag zugenommen. Schulleitungen müssten zudem mit gestiegenen Ansprüchen und den Eigenheiten der Lehrkräfte, Schüler und Eltern umgehen können.

Auffällig ist, dass die Schulleitungen fast immer auf eine teilweise bedingungslose Unterstützung durch die Schulbehörden zählen können. Diese sind selten bereit, Personen, die sie selbst eingestellt haben, infrage zu stellen. Das führt zu Seilschaften und zu Machtspielen, die nicht dem Wohl der Schule dienen, sondern persönlichen, oft über Jahre gewachsenen Beziehungen geschuldet sind. Folge: Die Schulleitung bleibt an Bord, den Lehrkräften wird ein Maulkorb verpasst, viele verlassen frustriert das Boot.
«Der erste Reflex ist tatsächlich, dass sich eine Behörde bei Konflikten hinter die Schulleitung stellt», sagt Bernard Gertsch. «Das kann zu einem Ohnmachtsgefühl bei den Lehrkräften führen.» Verstärkt wird dieses Gefühl, wenn Schulleiter und Rektoren – wider das Verständnis guter Corporate Governance – gleich auch noch Mitglied des Behördengremiums sind, das sie beaufsichtigen soll. Wer wen führt, ist dann oft nicht mehr ersichtlich, zumal in vielen Schulbehörden pädagogische Laien sitzen, die gerade in Konfliktsituation überfordert sind. Greifen sie dann einseitig ein, führt das erst recht zur Eskalation – insbesondere wenn der Wille zu ernsthafter Reflexion, Aufarbeitung und Transparenz fehlt.

Zu schnell zu viel

Gemeinsam ist manchen Fällen eine krass divergierende Wahrnehmung und Darstellung der Vorgänge und Ursachen durch die Beteiligten, verbunden mit tiefen Gräben in der Belegschaft. Die Zerstrittenheit führt auch zum Bruch von Freundschaften. Konfliktursachen ortet Bernard Gertsch im Spannungsfeld von Tradition und Innovation: «Wenn Schulleitungen scheitern, dann oft, weil sie zu schnell zu viel wollen – nicht umgekehrt.»
Um Konflikte nicht eskalieren zu lassen, müssten diese in einer möglichst frühen Phase angegangen werden, ist Gertsch überzeugt. Dies zu lernen, gehört zur Ausbildung «CAS Schulleitung», die das pädagogische, personelle und betriebliche Rüstzeug mitgibt und berufsbegleitend an pädagogischen Hochschulen angeboten wird. Sie dauert insgesamt ein halbes Jahr und führt zu einem Zertifikat. Die meisten Schulleiter verfügen über diese Ausbildung, aber längst nicht alle. Mit jährlichen Fachtagungen und spezifischen Weiterbildungen bemüht sich der Schulleiterverband, die Professionalisierung voranzutreiben. Die Aktivitäten erfolgen Hand in Hand mit dem Schweizerischen Lehrerverband. Gemeinsam ist der Verein Profil Qgegründet worden, um die schulinterne Qualitätsentwicklung zu stärken.

Lernprozesse sind damit noch nicht garantiert: nicht bei den Schulleitungen, schon gar nicht auf der politischen Führungsebene. Bernard Gertsch weist auch auf jene Konflikte hin, die sich zwischen Schulbehörden und Schulleitungen abspielen und selten in der Öffentlichkeit landen. Sie kämen am häufigsten vor, und auch sie nähmen zu. Sichtbar wird dies anhand der Rechtsschutzversicherung, die der Schulleiterverband anbietet. Sie werde zunehmend in Anspruch genommen, sagt Gertsch. Als Beispiel lässt sich ein Fall aus Ipsach bei Biel anführen, als die Schulkommission einen beliebten Schulleiter drängte, selbst zu kündigen, jedoch am Widerstand von Schule, Eltern und Kindern scheiterte. Auslöserin des Konflikts war anscheinend die verantwortliche Gemeinderätin; sie trat schliesslich zurück.

Dass Konflikte aber auch zu Verbesserungen führen können, zeigt sich am Beispiel des Kantons St. Gallen: Am Gewerblichen Berufs- und Weiterbildungszentrum geriet der Rektor 2017 massiv in die Kritik: Er pflege rüde Umgangsformen und habe ein «System der Einschüchterung» installiert. Der Fisch stinke vom Kopf her. Die öffentlich ausgetragene Debatte endete zu seinen Gunsten: Die zuständige Berufsfachschulkommission, ein Laiengremium, stellte sich unreflektiert hinter ihn. Der Rektor war von der Kommission gewählt worden und gehörte ihr selbst an. Die Politik reagierte, indem sie diese Struktur korrigierte und entfilzte. Im November 2018 hiess das Stimmvolk mit 82 Prozent Ja-Stimmen die entsprechende Reform gut, welche die Kumpanei von Aufsichtsorgan und Schulleitung künftig zumindest erschwert. Andere Kantone sind noch nicht so weit. Der «Filz» lebt.

Fall Kreuzlingen: Solidarität mit dem Prorektor

Auch an der Pädagogischen Hochschule Thurgau (PHTG) eskalierte ein Konflikt mit der Schulleitung, sprich: der Rektorin Priska Sieber. Er versetzte die PHTG «in Totenstarre», wie es in einem Vorstoss heisst,ausgelöst «durch ein irregeleitetes Verständnis von Führungsstrukturen, Hierarchien und Organisationsprozessen». Konsequenz: Der Hochschulrat stellte sich uneingeschränkt hinter die umstrittene Rektorin und verfügte die Kündigung und Freistellung des Prorektors Matthias Begemann, der die 2003 gegründete Schule mit aufgebaut hatte. Grund: «unüberbrückbare Differenzen» mit der Rektorin, die seit 2012 im Amt ist.

Begemann leitete den Bereich Lehre, die weitaus grösste Abteilung an der PHTG. Umgehend stellte sich die Mehrzahl der Mitarbeitenden in einem Brief hinter ihn und zeigte sich schockiert über die Kündigung, die «grundlegende Fragen zur Zusammenarbeits-, Debattier- und Konfliktkultur» aufwerfe. In einem nächsten Schreiben verlangte das Leitungsteam des Prorektorats Lehre eine «nachvollziehbare Begründung für diesen schwerwiegenden Entscheid» sowie eine unabhängige Untersuchung. Der nationale Ruf der PHTG stehe in Gefahr, ebenso die Erneuerung der nationalen Akkreditierung. Der Leiter des Studiengangs Primarstufe kündigte aus Protest. Seither untersuchen die Geschäftsprüfungs- und Finanzkommission (GPK) des Grossen Rats sowie der Regierungsrat den Fall. Bis Ende Juni will die Regierung einen Bericht vorlegen. Bis heute fehlt die eingeforderte «nachvollziehbare Begründung» für die Entlassung Begemanns.
Der Fall veranschaulicht das strukturelle und persönliche Beziehungsgeflecht auf Behördenebene, das eine objektive Aufklärung zumindest erschwert. Gewählt wurde Rektorin Priska Sieber vom Hochschulrat, in dem sie seither mit beratender Stimme sitzt. Beim Kündigungsentscheid gegen Begemann sei sie allerdings nicht selbst dabei gewesen, schreibt sie auf Anfrage. Eine zentrale Rolle nimmt Hans Munz ein, der den Hochschulrat präsidiert und sich mit Priska Sieber auch im Vorstand des Fördervereins der PHTG trifft.
Munz ist Jurist, ehemaliger FDP-Kantonsrat und Sohn des 2013 verstorbenen Alt-Ständerats gleichen Namens. Er war Anwalt von FDP-Regierungsrat Walter Schönholzer im Fall des Tierquälers von Hefenhofen und wendete ein Verfahren gegen diesen wegen Amtsgeheimnisverletzung ab. Zudem vertrat Munz die Thurgauer Gesamtregierung vor Bundesgericht im Skandal um den Bau eines neuen Kunstmuseums. Die Regierung hatte Lotteriefondsgelder missbräuchlich verwendet und eine Volksabstimmung umgangen. Just diese Regierung soll nun «unabhängig» entscheiden, ob ihr Anwalt Hans Munz bei der Freistellung des Prorektors Begemann korrekt vorgegangen ist.

Derzeit bemüht sich die Leitung der PHTG um Schadensbegrenzung. Rückblickend glaubt Munz, dass die Trennung von Begemann «möglicherweise zu vermeiden gewesen wäre, wenn wir uns zu einem früheren Zeitpunkt aktiv mit den Problemen auseinandergesetzt hätten». Auch Rektorin Priska Sieber meint, dass man zu lange daran geglaubt habe, die Meinungsunterschiede konstruktiv auflösen zu können. Aus heutiger Sicht würde sie «früher und dezidierter handeln». Matthias Begemann sieht das gänzlich anders: Die Verantwortlichen in Hochschulrat und Hochschulleitung hätten «die eigentlichen Konfliktursachen bis heute nicht verstanden. Anstatt den Mitarbeitenden Wertschätzung und Vertrauen entgegenzubringen», kritisiert er auf Anfrage der NZZ, «dominieren nach wie vor Kontrolle und Misstrauen das rigide und streng hierarchische Führungshandeln».

Fall Schaffhausen: Hosenlupf mit dem Schwingerkönig

Auch am Berufsbildungszentrum BBZ in Schaffhausen stellte sich die Aufsichtsbehörde hinter den Rektor. Dieser heisst Ernst Schläpfer und war 1980 und 1983 Schwingerkönig. Doch dann wendete sich die Geschichte. Aber der Reihe nach.

Schläpfer leitete ab 1993 das BBZ. Eine Auseinandersetzung zwischen ihm und einem Lehrer vom letzten Sommer wuchs sich in diesen Frühling zu einer Krise aus, welche die gesamte Schaffhauser Politlandschaft erfasst hat. Ausgangspunkt: Die Kritik an Schläpfers rauem Führungsstil, persönliche Verletztheiten, Mobbing.

Zunächst passierte das Übliche: Das Schaffhauser Erziehungsdepartement setzte eine Subkommission ein, welche die Vorwürfe untersuchte. Sie kam zum Schluss, dass Schläpfer eine respektierte Führungsperson sei, deren Führungsstil «von allen Befragten als zielführend beurteilt» werde. Als Präsident der Subkommission war Erwin Gfeller eingesetzt worden, der auch die ordentliche Aufsichtskommission der BBZ präsidiert. Dieser gehört Schläpfer ebenfalls an. Auch Erziehungsdirektor Christian Amsler ist Mitglied. Gfeller, Schläpfer und Amsler sind seit drei Jahrzehnten eng verbandelt: Sie sassen während Jahren gemeinsam in Bildungskommissionen. Gfeller wie Schläpfer unterstützten die Wahlkämpfe von Christian Amsler, Gfeller war Leiter von dessen Wahlausschuss. Gfeller und Amsler kannten sich schon aus der gemeinsamen Tätigkeit im Gemeinderat von Stetten.

Doch die Dinge haben sich in Schaffhausen anders entwickelt als anderswo. Die Regierung hat Schläpfer Ende Mai geschasst und per sofort freigestellt. Gfeller ist zurückgetreten. Man deckt sich gegenseitig mit Vorwürfen ein.

Es begann damit, dass die Subkommission unter Gfeller nicht nur Schläpfer reinwusch, sondern auch ein «Führungsdefizit» bei Regierungsrat Amsler ausmachte, worauf die Regierung den Bericht der Subkommission zurückwies. Eine externe Fachperson, zusätzlich mit der Untersuchung beauftragt, erkannte, «dass die Subkommission die Untersuchung nicht vollkommen neutral und unabhängig durchgeführt hat». Die BBZ vermittle das Bild einer geteilten Lehrerschaft, es herrsche eine «allgemeine Angstkultur», der Rektor verhalte sich persönlichkeitsverletzend. In der Folge gab Amsler beim Winterthurer Rechtsanwalt Florian Schneider noch einen dritten Bericht in Auftrag. Schneider kam zum Schluss, dass die beiden anderen Berichte «mit Vorsicht zu geniessen» seien und beide die Kriterien einer unabhängigen und objektiven Beurteilung nicht erfüllten. Offensichtlich sei aber, dass sich Ernst Schläpfer öfters im Ton vergreife, Lehrkräfte diffamiere und in Kauf nehme, dem Ruf des BBZ Schaden zuzufügen. Zur Freistellung Schläpfers führte schliesslich ein aus Sicht der Regierung inakzeptabler Brief an Amsler. In diesem warf Schläpfer dem Erziehungschef vor, er verstosse «immer wieder gegen die Rechtsordnung». Er drohte ihn einzuklagen, bezichtigte ihn des Mobbings.

Der erbitterte Hosenlupf zwischen Schläpfer und Amsler, der 2018 Bundesrat werden wollte, dauert an. Er hat politische und juristische Nachbeben. Die SVP nutzt die Entlassung Schläpfers, der auch schon für die SP als Regierungsrat kandidierte, zur Kampagne gegen Amsler, der nun für die FDP als Ständerat kandidiert. Und Schläpfer geht gegen die Kündigung vor Gericht.

Der Fall dürfte auch in Schaffhausen zur Einsicht führen, dass Schulleitungen in ihrer eigenen Aufsichtskommission nichts zu suchen haben. Und dass, wie es der Bericht von Rechtsanwalt Schneider verlangt, Schulbehörden zu verpflichten sind, in ihrer Aufsichtsfunktion «die Grundsätze von Neutralität und Unabhängigkeit zu beachten». Zum Wohl der Schule.

1 Kommentar:

  1. Die Aufzählung von Problemfällen lässt sich erweitern:
    Die "berühmte" Sekundarschule Niederhasli, wo Eltern gegen die Methoden der Schulleitung protestierten. St. Gallen, wo Reallehrern missbräuchlich gekündigt wurde. Die Sekundarschule March SZ. Konflikte und Machtkämpfe dürfte es noch an vielen weiteren Schulen geben - die dabei entstehenden Reibungsverluste belasten alle an einer guten Schule interessierten Kreise, besonders aber die Schulkinder.

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