Gerade an
Universitäten macht sich ein Ungeist breit, der besorgniserregend ist. Der Ruf
nach Vorschriften und Verboten kommt dabei von den Studenten selber.
Woher dieser fanatische Hass auf jene, die für sich die Freiheit des Denkens noch in Anspruch nehmen wollen? NZZ, 30.4. von Konrad Liessmann
Neulich erreichte mich die
elektronische Nachricht eines Studenten, der ein etwas seltsames Anliegen
vorbrachte. Er schreibe an einer Arbeit über die Vorschriften des
«geschlechtsneutralen Sprachgebrauchs» an seiner Universität, und er habe
gelesen, dass ich es den Studenten in meinen Seminaren freistelle, ob sie
«gendern» oder nicht. Das habe ihn doch sehr gewundert, dass da jemand gegen
den akademischen Common Sense verstosse. Da er sich aber auch für «konträre»
Argumente interessiere, wolle er mir die Gelegenheit einräumen, meinen
Standpunkt darzustellen.
Ich gestehe, ich war
verwundert. Verteidigen muss sich heute also jemand, der jungen Erwachsenen,
die an einer Universität studieren, also zur geistigen Elite des Landes
gehören, die Freiheit zugesteht, in sprachpolitisch sensiblen Fragen selbst zu
entscheiden, wie sie es damit halten wollen. Freiheit ist zu einem «konträren»
Standpunkt geworden, der unter Rechtfertigungsdruck gesetzt wird. Das kann nur
bedeuten, dass das Gegenteil der Freiheit, der Zwang, die Unterwerfung, als
beglückende Norm empfunden wird. Zum Störenfried des Common Sense wird, wer
sich dieser Norm nicht einmal widersetzt, sondern darauf verweist, dass es in
diesen und ähnlichen Fragen unterschiedliche Zugangsweisen gibt, die jeder für
sich entscheiden und verantworten könne.
Gerade an Universitäten
macht sich ein Ungeist breit, der besorgniserregend ist
Das Anliegen des Studenten
passt ins Bild. So wurde dieser Tage gefordert, dass ein Symposion an der
Universität Frankfurt, das von einer renommierten Islamwissenschafterin
organisiert wurde, abgesagt und die Professorin entlassen werde, da auch die
Islamkritikerin Necla Kelek eingeladen wurde. Der Vorwurf des antiislamischen
Rassismus ist in diesem Zusammenhang zwar vollkommen unzutreffend, zeigt aber,
dass die Denunziation, die sich als Empörung tarnt, mittlerweile in bestimmen
Kreisen zum Common Sense geworden ist.
Gerade an Universitäten,
die die Freiheit von Forschung und Lehre noch irgendwo in ihren Satzungen
verankert haben, macht sich ein Ungeist breit, der besorgniserregend ist. Der
Ruf nach Vorschriften, nach Verboten, nach Regelungen des Sprachgebrauchs, nach
Normierung von Leselisten, nach Verbannung aller Positionen, die einem
vermeintlich unfehlbaren Zeitgeist widersprechen, wird dabei nicht von
übergeordneten Instanzen autoritär vorgeschrieben, sondern er kommt von unten.
Von der Basis. Von den Studenten. Von kleinen, aber lautstarken Gruppierungen.
Dass Universitätsleitungen
auf solche Rufe, mit der Freiheit des Denkens, Sprechens und Schreibens doch
endlich Schluss zu machen, nur sehr zögerlich reagieren, wenn sie sich diesen
illiberalen Anliegen gegenüber nicht überhaupt als willfährig erweisen, kann
durchaus als fatales Signal gewertet werden. Und dass jene, die sonst mit der
Phrase «Wehret den Anfängen» schnell bei der Hand sind, hierzu schweigen und
keine Anfänge sehen wollen oder können, stimmt auch nicht gerade
zuversichtlich.
Immanuel Kant hat in
seiner kleinen Schrift über die Aufklärung angemerkt, dass es vor allem
Faulheit und Feigheit seien, die die Menschen daran hindern, ihrer
selbstverschuldeten Unmündigkeit zu entkommen. Faulheit kommt heute dafür wohl
nicht mehr infrage. Gerade an Universitäten wird so viel publiziert, getalkt,
evaluiert und dokumentiert wie nie zuvor, Leitbilder, Zielvereinbarungen,
Kompetenzkataloge und grandiose Selbstdarstellungen werden am laufenden Band
produziert. Dann bleibt wohl nur noch die Feigheit.
Dass jemand, aus welchen
persönlichen Motiven auch immer, Freiheitszumutungen abwehrt, mag man ja noch
akzeptieren. Aber woher diese Wut, woher diese Indolenz, woher dieser
fanatische Hass auf jene, die für sich die Freiheit des Denkens noch in
Anspruch nehmen wollen? Freiheit muss in der Tat etwas Furchtbares sein.
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