7. April 2019

Kreativität - nichts einfacher als das!


Das Wichtigste vorab: Dieser Artikel basiert auf den Erlebnissen und Erfahrungen aus zwei Workshops mit insgesamt etwa 120 Lehrkräften. Also keine wissenschaftliche Studie, aber doch ein unzweifelhaftes Ergebnis: Unsere Schulen wären dazu in der Lage, von heute auf morgen eine neue Kreativ-Kultur zu etablieren, ohne auf Lehrpläne oder Ansagen aus der Politik zu warten.
Ein paar einfache Ideen, wie Schweizer Schulen die Kreativität anregen können, NZZaS, 7.4. von Dennis Lück


Fangen wir von vorne an. Schulen haben die Aufgabe, unsere Kinder aufs Leben vorzubereiten. Dass Kreativität als überfachliche und transversale Kompetenz dabei eine tragende Rolle spielt, ist eine Binsenweisheit. Aber wie man es tatsächlich schafft, Kreativität in die Klassenräume zu bringen, darüber scheiden sich die Geister.
Unternehmen sind da schon viel weiter. Design-Thinking, Creative Sprints, Scrum-Prinzip, Kollabo-Sessions, Collision Zones – es sprudelt nur so vor Massnahmen, um Rahmenbedingungen für Denk- und Kreativ-Prozesse zu ermöglichen. Was in diesen Prozessen immer wieder auftaucht, sind Kreativitäts-Techniken.

Meine Grundidee lautete darum: Wenn es in Unternehmen sogenannte Kreativitäts-Toolboxen gibt, wieso nicht auch an Schulen? Also habe ich die Prinzipien solcher Werkzeugkästen einfach auf den schulischen Alltag übertragen: Um eine Toolbox zu erstellen, muss man erst einmal alle Werkzeuge einsammeln.

Ich habe die Lehrer gefragt, welche Techniken sie schon einmal eingesetzt hätten, um Wissen überraschend, spannend und unterhaltsam zu vermitteln. Jeder Lehrer sollte seine besten Tipps und Tricks notieren. Was dann passierte, war überhaupt nicht überraschend. Die Kreativität sprudelte nur so aus den Lehrkräften heraus. Kaum verwunderlich, wenn man jeden Tag das anspruchsvollste Publikum der Welt vor sich sitzen hat.

Das Anwenden kreativer Techniken zum Vermitteln von Lehrstoff bietet gleich mehrere Vorteile: Neben dem Unterhaltungsfaktor verwandelt es rezeptives in produktives Lernen. Also weg vom Auswendiglernen, hin zum angewandten Wissen. Und angewandtes, direkt in die Praxis umgesetztes Wissen bleibt nachhaltiger im Kopf.

Eine andere Lehrerin hat den Unterricht einfach unter den Bänken abgehalten, als es um das Thema «Leben in Höhlen» ging.

Beim rezeptiven Lernen heisst es «Liebe Schüler, ich zeige euch nun, wie das Herz funktioniert». Jetzt die produktive, kreative Lern-Variante: «Liebe Schüler, zeigt mir bitte, wie das Herz funktioniert. Mit einem kleinen Comic.» Die Schüler müssen das Wissen direkt anwenden und ideenreich verpacken. Die Schüler haben gar keine andere Wahl, als kreativ zu werden.

Neben diesem Wissens-Comic tauchten in beiden Workshops etliche weitere Methoden auf. Unter anderem auch der Klassiker der Kreativitäts-Techniken, das Rollenspiel. Schüler sollten ein Problem, beispielsweise die Umweltverschmutzung, aus verschiedenen Perspektiven beleuchten. Aus der Sicht des Ölmagnaten, aus der Sicht der Tiere oder der Kinder aus dem Jahre 2100. Spüren Sie, wie spannend das den Unterricht macht?
Eine andere Lehrerin hat den Unterricht einfach unter den Bänken abgehalten, als es um das Thema «Leben in Höhlen» ging. In einer anderen Klasse wurde ein «Weltwirtschaftskuchen» gebacken. Im Anschluss sollten die Schüler den Kuchen so verteilen, wie man ihn auch in der Wirtschaft verteilen würde. So erhielten wenige Schüler viele Stücke, manche nur Krümel, und ein paar Stücke gingen in die Nachbarklasse. Ein junger Lehrer liess den Stoff der Klasse in einer Instagram-Story zusammenfassen.
Auch strenge Massnahmen wurden aufgegriffen. Die Technik einer Lehrerin hiess «Der Spiegel». Wenn sich ein Schüler danebenbenommen hatte, schlug man ihn symbolisch mit den gleichen Waffen. Hatte er immer gestört, bat man ihn, eine Geschichte zu erzählen und störte ihn dann ebenfalls auf lustige Art und Weise. Paradoxe Intervention auf kreativ.
Besonders spannend war die Technik «Der Superfehler». Schüler durften etwas absichtlich so falsch machen wie überhaupt nur möglich. Nicht nur, dass das sicher unterhaltsam ist, es lehrt auch eine gute Fehlerkultur.

Dass unsere Lehrer und Lehrerinnen Wissen kreativ vermitteln, ist nichts Neues. Neu wäre es, die ganzen Techniken digital zu sammeln und allen zugänglich zu machen. Man stelle sich das einmal vor: Jede der 25 000 Lehrpersonen der Schweiz würde nur eine Technik hochladen. Das ergäbe eine Onlineplattform, auf der die kreativen Unterrichtstechniken nach Klassenstufe, Fach und Stoff sortiert würden. Alles wäre für alle zugänglich, kreativer Unterricht wäre digitalisiert. Und schon hätte man sie: Die Kreativitäts-Toolbox für Schweizer Schulen.

Dennis Lück ist Kreativchef der Kommunikationsagentur Jung von Matt/Limmat.


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