Wer
erinnert sich nicht an die Mathe- oder Französischlektionen, die kein Ende
nehmen wollten. Die Aufmerksamkeit aufrechtzuerhalten war quasi unmöglich, und
so versank man oft nach wenigen Minuten in Tagträumen. Diese Zeiten sind
vorbei. Heute fördern die Schulen Bewegung. Damit, so die Hoffnung, soll auch
das stupide Wörtlibüffeln vereinfacht werden. Im Kampf gegen schlafende Schüler
setzt das Erziehungsdepartement nun auf: Stehtische. In den kommenden zehn
Jahren sollen die Tische und Stühle an den Basler Primar- und Sekundarschulen
ersetzt werden. Die Lehrer und Schulleitungen sollen gemäss Ausschreibung auch
die Möglichkeit haben, in der Höhe verstellbare Tische anzuschaffen. Stehende
Kinder? Vor zwei Jahrzehnten wäre das noch unvorstellbar gewesen. Die Lehrer
versuchten, die zappligen Kinder so gut es ging ruhigzustellen. Nun aber hat
das Basler Erziehungsdepartement «auf wiederkehrenden Wunsch einzelner
Schulstandorte» Stehtische in die Ausschreibung aufgenommen, wie Sprecher Simon
Thiriet sagt.
Stillsitzen war gestern, Basellandschaftliche Zeitung, 10.4. von Leif Simonsen
Stehtische würden gewünscht, um bewegungsfreudigen Kindern die
Möglichkeit zu geben, sich besser konzentrieren zu können. Der Stehtisch-Trend
ist jung – und stammt aus den Vereinigten Staaten. Vor knapp fünf Jahren
berichtete die CBS über die
angeblich weltweit erste Schule in Kalifornien, die Stehtische einführte. Nicht
nur Pädagogen, sondern auch Mediziner waren über den Effekt voll des Lobes. So
würden die Schüler täglich bis zu 25 Prozent mehr Kalorien verbrennen. Ein kurz
darauf in Österreich lanciertes Pilotprojekt lieferte die Erkenntnis, dass die
Aufmerksamkeit der Kinder um zwölf Prozent steige, wenn die Schüler stünden statt
sässen.
Wackelbretter und Seilspringen
Erste Erfahrungen in Basel-Stadt sind
auch schon gesammelt worden. Die vor knapp vier Jahren eröffnete Sekundarschule
Theobald Baerwart setzt auf das sogenannte Atelier-System. Die
unterschiedlichen Niveaus A, E und P teilen sich ein grosses Zimmer, für den
niveaugetrennten Unterricht stehen zwei weitere Zimmer zur Verfügung. In einem
dieser Zimmer sind Tische, die mittels Hydraulik zu Stehtischen umfunktioniert
werden können.
«Wir sind keine Sitzschule», lässt die Theobald Baerwart Schule
im Konzept verlauten. Es gehe dabei «nicht um die Ausweitung des
Sportunterrichts, sondern um die möglichst jederzeit vorhandene Gelegenheit,
den Körper nach individuellen Bedürfnissen zu bewegen, um damit Konzentration
und Motivation zu steigern», wie es auf der Homepage des Kantons Basel-Stadt
heisst. Dabei setzt die Sek am Kleinbasler Rheinufer nicht nur auf Stehtische.
Die Bewegungsmöglichkeiten sind
in den Schulräumen fast grenzenlos. Hier soll sich niemand über den Tisch beugen
müssen, wenn es das Einmaleins zu lernen gilt. Bälle und Wackelbretter stehen
zur Verfügung.
Auch an anderen Schulen wird das Atelier-System erfolgreich
angewandt, etwa im Sandgrubenschulhaus oder in der Sek Vogesen. Doch nicht nur
in den neu gebauten Schulhäusern mit den architektonischen Möglichkeiten sind
die Lehrerinnen und Lehrer darauf sensibilisiert, die Schüler zur Bewegung
anzuregen. Jean-Michel Héritier, Präsident der Freiwilligen Schulsynode
Basel-Stadt, sagt, dass auch die Primarschulen erfinderisch seien, wenn es
darum gehe, das Vermitteln des Schulstoffs an die Bewegung zu knüpfen. Einige
setzten auf Seilspringen, andere auf Bewegungsboxen. Pausenplätze würden
umgestaltet, Bewegungsecken eingerichtet. Im Inselschulhaus, wo Héritier unterrichtet,
steht beispielsweise ein Klettergerüst.
Der Bewegungstrend der Schüler stösst
freilich nicht nur auf Euphorie. Einige Lehrerinnen und Lehrer empfinden die
Arbeit inmitten hüpfender, stehender oder jonglierender Kinder als zu unruhig,
nehmen die Stehtische als Bedrohung wahr. Ein Gedanke könnte sie beruhigen.
Nicht jede Mode hat sich durchgesetzt. So sind heute kaum noch Sitzbälle
anzutreffen. Diese waren um die Jahrtausendwende populär geworden; sie sind
aber kaum mehr in den Schulzimmern anzutreffen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen