Wenn sich fast dreitausend Lehrer auf den Weg
in die St. Jakobshalle machen, wird es beschwerlich. Fünf Mal musste der
Chauffeur mahnen, bevor er im voll gepferchten 36er-Bus die Türen schliessen
konnte, und der Einlass in die Halle zum Kaffee dauerte eine gute halbe Stunde.
Doch als die Bühne, umrundet von 2897 Pädagogen, im Scheinwerferlicht
erstrahlte, war Gaby Hintermann der Star: Die Lehrerin und Präsidentin der
Kantonalen Schulkonferenz, die gerne mit Haien taucht, eine Leidenschaft hegt
für den FCB, für Thorsten Fink und für ihren Beruf, stand verschmitzt da –
etwas nervös und im knallgelben Jäckchen .
Tag für Tag in der Wildnis des Lehrerberufs, Basler Zeitung, 28.3. von Franziska Laur
Bericht zum Rücktritt von Gaby Hintermann, SRF Regionaljournal, 27.3.
Bericht zum Rücktritt von Gaby Hintermann, SRF Regionaljournal, 27.3.
Und
die Lehrer lieben sie. Die meisten jedenfalls, so schien es. Sie wurde mit
solch tosendem Applaus empfangen, dass die Wände der frisch renovierten St.
Jakobshalle zitterten. Sie blickte in ihrer Rede auf Turbulenzen und Höhepunkte
ihrer auslaufenden Amtszeit zurück. Die Reformen beispielsweise: Die Oberstufe
verschwand, Personal wurde verschoben, und der Lehrplan 21 wurde eingeführt. Da
blieb ihr nur noch «Gring ache u seckle» zitierte sie die ehemalige Läuferin
Anita Weyermann – es sei eine schwierige Phase gewesen.
Noch
immer Klippen
Ganz
vorbei ist die schwierige Phase nicht. So monierten die Gymnasiallehrer eben
erst, dass die Sekundarschüler zu wenig gut die französische Sprache
beherrschen, wenn sie ins Gym eintreten (BaZberichtete). Neben allen
anderen Reformen führten Basel-Stadt und fünf weitere Kantone an der
französischen Sprachgrenze das Passepartout-Projekt ein. Doch mit diesem
Konzept sind viele Lehrer, Eltern und Schüler nicht glücklich.
Gaby
Hintermann jedoch liess sich in den Debatten um den umstrittenen neuen Lehrplan
oder Passepartout nie unterkriegen. Anstatt auf Konfrontation zu gehen, versuchte
sie zäh und unverdrossen Verbesserungen auszuhandeln, was ihr auch immer wieder
gelang. Doch es gab auch Lehrer, die sich etwas mehr Biss erhofft hätten. Sie
monierten, dass es keine wirklich unabhängige Gewerkschaft gebe. Gaby
Hintermann und andere Vorstandsmitglieder der Kantonalen Schulkonferenz sitzen
nämlich auch in der Geschäftsleitung der Freiwilligen Schulsynode. So wird
immer wieder infrage gestellt, ob eine Gewerkschaft, die so eng mit der
kantonalen Schulverwaltung zusammenarbeitet, unabhängig sein kann. Es dürfte
auf jeden Fall der Hauptgrund sein, weshalb die Lehrer im Kanton Basel-Stadt,
anders als im Baselland, kaum aufbegehren, sondern stets den Konsens mit den
Behörden suchen.
Gaby
Hintermann indes entspannte sich nach Ablauf der Rede sichtlich, schickte
Kusshändchen in die frenetisch applaudierende Kollegschaft und lud
Erziehungsdirektor Conradin Cramer auf die Bühne, dem sie in ihrer Rede ein
Kränzlein gewunden hatte. Denn neben der Hartnäckigkeit von Hintermann und
ihrer Crew sowie einiger Bildungspolitiker ist es auch ihm zu verdanken, dass
die Einführungsklassen, also die Möglichkeit, die erste Klasse in zwei
Schuljahren zu machen, wieder eingeführt werden. Er schien in diesem Bereich
die Nöte der Pädagogen also durchaus ernst genommen zu haben und will auch die
telefonischen Sprechstunden beibehalten.
In
seiner Ansprache erzählte er, wie er im vergangenen Jahr litt, da er die
Strafen gefasst hatte, einmal Pausenaufsicht zu machen, einmal in den
Tagesstrukturen Rüebli zu rüsten und einmal Unterricht zu erteilen. «Ich stand
in der Pause da und niemand kam.» Dann seien die Knirpse doch noch erschienen
und er hätte lieber mitgespielt. Warum er es nicht getan hat, liess er offen.
Rüeblirüsten sei glimpflich verlaufen, doch am Wirtschafts-Gymnasium zu
unterrichten, da habe er Blut und Wasser geschwitzt. Nicht wegen des Inhalts,
sondern weil er nicht gewusst habe, wie die Schüler einzubeziehen, ihr
Interesse wach zu halten und auch die Stilleren zum Mitmachen zu motivieren.
«Acht
Jahre sind genug»
Genau
das dürfte das A und O des pädagogischen Berufes sein. Entscheidend ist der
Lehrer, das wurde Conradin Cramer bewusst, und das weiss auch Hintermann. Sie
sei eine unglaublich mitreissende und engagierte Lehrerin, sagten einige
Anwesende, und sie habe sie mit ihrer warmen, rhetorisch gewandten Art stets
bestens vertreten. Gestern gab sie das Präsidium ab. «Acht Jahre sind genug»,
sagte sie. «Nach meinem Verständnis ist es gut und richtig, wenn so viele
Menschen nicht zu lange von der gleichen Person vertreten werden.» Sie wurde
von Cramer mit Blumen und der Entschuldigung geehrt, dass er trotz aller
Bemühungen Thorsten Fink nicht habe heranschaffen können, da dieser an einem
Spanisch-Kurs sei.
An
Stelle von Hintermann wurde Sekundarlehrer Simon Rohner gewählt. Der 32-Jährige
hat eine Lehre als Chemielaborant gemacht, bevor er Pädagogik studierte. Er hob
die Vielfalt und Ungewissheit des Lehrerberufs hervor. «Schliesslich stürzen
wir Lehr- und Fachpersonen uns Tag für Tag in die Wildnis des Schulalltags und
es gehört zum Wesen der Wildnis, dass man nie genau weiss, was einen erwartet.»
So sprach er, bevor verschiedene Pädagogen Conradin Cramer und anderen
Verwaltungsvertretern einen Einblick in den Schulalltag gaben.
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