28. März 2019

Rohner folgt auf Hintermann


Wenn sich fast dreitausend Lehrer auf den Weg in die St. Jakobshalle machen, wird es beschwerlich. Fünf Mal musste der Chauffeur mahnen, bevor er im voll gepferchten 36er-Bus die Türen schliessen konnte, und der Einlass in die Halle zum Kaffee dauerte eine gute halbe Stunde. Doch als die Bühne, umrundet von 2897 Pädagogen, im Scheinwerferlicht erstrahlte, war Gaby Hintermann der Star: Die Lehrerin und Präsidentin der Kantonalen Schulkonferenz, die gerne mit Haien taucht, eine Leidenschaft hegt für den FCB, für Thorsten Fink und für ihren Beruf, stand verschmitzt da – etwas nervös und im knallgelben Jäckchen .
Tag für Tag in der Wildnis des Lehrerberufs, Basler Zeitung, 28.3. von Franziska Laur
Bericht zum Rücktritt von Gaby Hintermann, SRF Regionaljournal, 27.3.


Und die Lehrer lieben sie. Die meisten jedenfalls, so schien es. Sie wurde mit solch tosendem Applaus empfangen, dass die Wände der frisch renovierten St. Jakobshalle zitterten. Sie blickte in ihrer Rede auf Turbulenzen und Höhepunkte ihrer auslaufenden Amtszeit zurück. Die Reformen beispielsweise: Die Oberstufe verschwand, Personal wurde verschoben, und der Lehrplan 21 wurde eingeführt. Da blieb ihr nur noch «Gring ache u seckle» zitierte sie die ehemalige Läuferin Anita Weyermann – es sei eine schwierige Phase gewesen.

Noch immer Klippen
Ganz vorbei ist die schwierige Phase nicht. So monierten die Gymnasiallehrer eben erst, dass die Sekundarschüler zu wenig gut die französische Sprache beherrschen, wenn sie ins Gym eintreten (BaZberichtete). Neben allen anderen Reformen führten Basel-Stadt und fünf weitere Kantone an der französischen Sprachgrenze das Passepartout-Projekt ein. Doch mit diesem Konzept sind viele Lehrer, Eltern und Schüler nicht glücklich.

Gaby Hintermann jedoch liess sich in den Debatten um den umstrittenen neuen Lehrplan oder Passepartout nie unterkriegen. Anstatt auf Konfrontation zu gehen, versuchte sie zäh und unverdrossen Verbesserungen auszuhandeln, was ihr auch immer wieder gelang. Doch es gab auch Lehrer, die sich etwas mehr Biss erhofft hätten. Sie monierten, dass es keine wirklich unabhängige Gewerkschaft gebe. Gaby Hintermann und andere Vorstandsmitglieder der Kantonalen Schulkonferenz sitzen nämlich auch in der Geschäftsleitung der Freiwilligen Schulsynode. So wird immer wieder infrage gestellt, ob eine Gewerkschaft, die so eng mit der kantonalen Schulverwaltung zusammenarbeitet, unabhängig sein kann. Es dürfte auf jeden Fall der Hauptgrund sein, weshalb die Lehrer im Kanton Basel-Stadt, anders als im Baselland, kaum aufbegehren, sondern stets den Konsens mit den Behörden suchen.

Gaby Hintermann indes entspannte sich nach Ablauf der Rede sichtlich, schickte Kusshändchen in die frenetisch applaudierende Kollegschaft und lud Erziehungsdirektor Conradin Cramer auf die Bühne, dem sie in ihrer Rede ein Kränzlein gewunden hatte. Denn neben der Hartnäckigkeit von Hintermann und ihrer Crew sowie einiger Bildungspolitiker ist es auch ihm zu verdanken, dass die Einführungsklassen, also die Möglichkeit, die erste Klasse in zwei Schuljahren zu machen, wieder eingeführt werden. Er schien in diesem Bereich die Nöte der Pädagogen also durchaus ernst genommen zu haben und will auch die telefonischen Sprechstunden beibehalten.

In seiner Ansprache erzählte er, wie er im vergangenen Jahr litt, da er die Strafen gefasst hatte, einmal Pausenaufsicht zu machen, einmal in den Tagesstrukturen Rüebli zu rüsten und einmal Unterricht zu erteilen. «Ich stand in der Pause da und niemand kam.» Dann seien die Knirpse doch noch erschienen und er hätte lieber mitgespielt. Warum er es nicht getan hat, liess er offen. Rüeblirüsten sei glimpflich verlaufen, doch am Wirtschafts-Gymnasium zu unterrichten, da habe er Blut und Wasser geschwitzt. Nicht wegen des Inhalts, sondern weil er nicht gewusst habe, wie die Schüler einzubeziehen, ihr Interesse wach zu halten und auch die Stilleren zum Mitmachen zu motivieren.

«Acht Jahre sind genug»
Genau das dürfte das A und O des pädagogischen Berufes sein. Entscheidend ist der Lehrer, das wurde Conradin Cramer bewusst, und das weiss auch Hintermann. Sie sei eine unglaublich mitreissende und engagierte Lehrerin, sagten einige Anwesende, und sie habe sie mit ihrer warmen, rhetorisch gewandten Art stets bestens vertreten. Gestern gab sie das Präsidium ab. «Acht Jahre sind genug», sagte sie. «Nach meinem Verständnis ist es gut und richtig, wenn so viele Menschen nicht zu lange von der gleichen Person vertreten werden.» Sie wurde von Cramer mit Blumen und der Entschuldigung geehrt, dass er trotz aller Bemühungen Thorsten Fink nicht habe heranschaffen können, da dieser an einem Spanisch-Kurs sei.

An Stelle von Hintermann wurde Sekundarlehrer Simon Rohner gewählt. Der 32-Jährige hat eine Lehre als Chemielaborant gemacht, bevor er Pädagogik studierte. Er hob die Vielfalt und Ungewissheit des Lehrerberufs hervor. «Schliesslich stürzen wir Lehr- und Fachpersonen uns Tag für Tag in die Wildnis des Schulalltags und es gehört zum Wesen der Wildnis, dass man nie genau weiss, was einen erwartet.» So sprach er, bevor verschiedene Pädagogen Conradin Cramer und anderen Verwaltungsvertretern einen Einblick in den Schulalltag gaben.

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