29. März 2019

Frauenfeld will keine Kleinpensen mehr


Ohne Lehrpersonen mit Teilzeitpensen lässt sich eine Schule nicht organisieren. Davon ist Thomas Minder überzeugt. Der Verbandspräsident der Thurgauer Schulleiter und bald auch des Schweizer Verbands muss es wissen. Eine Klasse hat mehr Unterrichtslektionen, als eine Lehrperson erteilen kann. «Es gibt ja noch Halbklassenunterricht», sagt der Hinterthurgauer.
Job-Sharing ist ein zweischneidiges Schwert - Kleinpensen sind an Thurgauer Schulen unerwünscht, St. Galler Tagblatt, 29.3. von Larissa Flammer


Trotzdem sei das Thema Job-Sharing ein zweischneidiges Schwert: «Für Schulleitung und Verwaltung bedeutet es sehr viel mehr Aufwand.» Aus diesem Grund würden Schulen dies nicht jeder Lehrperson anbieten. Der Schulleiter sagt: «Einer guten, langjährigen Lehrerin, die man nach dem Mutterschaftsurlaub behalten will, gibt man eher ein Teilzeitpensum.»
Arbeitsaufwand für Schulleiter wird anhand der Schülerzahlen berechnet
Flexible Arbeitszeit ist zunehmend gewünscht, weiss Heinz Leuenberger, Präsident der Thurgauer Schulgemeinden. Aber auch er verweist auf den administrativen Aufwand, der mit Teilzeit-Angestellten zunimmt: bei der Buchhaltung, bei Mitarbeitergesprächen oder Sitzungen. Der Arbeitsaufwand für einen Schulleiter werde aber anhand der Schülerzahlen berechnet, nicht anhand der Anzahl Lehrer.

Als Vorteil von Job-Sharing nennt Leuenberger die Chance für Mütter, wieder in den Beruf einzusteigen, und auch für Männer, nicht Vollzeit arbeiten zu müssen.
«Schülerinnen und Schüler haben so auch eine zweite Ansprechperson, zu der sie vielleicht einen besseren Draht haben.»

Der Präsident der Schulgemeinden betont aber: «Kleinpensen machen aus meiner Sicht keinen Sinn.» Job-Sharing sei nur mit einer Pensum-Aufteilung von 50/50 oder 60/40 vernünftig.

Zweiklassengesellschaft bei Lehrern befürchtet
Davon ist auch Andreas Wirth überzeugt. Der Präsident der Schulen Frauenfeld sagt:
«Wir befürworten Teilzeit, streben aber an, dass jede Lehrperson mindestens ein 50-Prozent-Pensum hat.»

Gerade jetzt, da der Lehrplan Volksschule Thurgau und damit viele Neuerungen eingeführt werden, sei es wichtig, dass alle Lehrer damit vertraut werden. «Wenn wir viele Teilzeitler mit nur je 20 oder 30 Prozent hätten, könnten wir dies als Schule kaum gewährleisten.» Das würde zu einer Zweiklassengesellschaft bei den Lehrern führen, befürchtet Wirth. Er nennt als Beispiele für die Neuerungen die Einführung von Medien und Informatik und die kompetenzorientierte Beurteilung.

Pensum eines Lehrers
Im kantonalen Berufsauftrag für Volksschullehrer ist festgehalten, dass jede Lehrperson mit Vollzeitpensum jährlich 300 bis 350 Arbeitsstunden für «nicht direkt unterrichtsbezogene Tätigkeiten» leistet. Dazu gehören alle Weiterbildungen, «Beratung, Betreuung und Kommunikation» sowie Beiträge an die eigene Schule. Umfang und Inhalt dieses Anteils an der Arbeitszeit werden durch die Schulen festgelegt.

Gemäss regierungsrätlicher Verordnung besteht für Seklehrer ein Pflichtpensum von 29 Lektionen pro Woche und für Kindergärtner sowie Primarlehrer von 30 Lektionen. Die effektiv erteilten Lektionen sind entscheidend für den Beschäftigungsgrad.

Lehrer müssen ihre Schule mittragen
Der Kanton schafft den gesetzlichen Rahmen, dass Job-Sharing an den Schulen möglich ist. Dafür oder dagegen entscheiden sich jedoch die Schulgemeinden selber. Auch Beat Brüllmann, Chef des Amts für Volksschule, macht einen Unterschied zwischen Job-Sharing und Kleinpensen:
«Wenn sich zwei Personen die Klassenlehrerfunktion teilen, ist das grundsätzlich eine Chance. Es macht den Job attraktiv.»

Mindestens zwölf Lektionen pro Woche müsse ein Job-Sharing-Partner übernehmen. «Dadurch ist sichergestellt, dass er sich auch am Rest des Schulauftrags beteiligt», sagt der Amtschef. Wer nur fünf oder sechs Lektionen pro Woche unterrichte, trage die Schule nicht mit. Zum Beispiel für die Organisation eines Sporttags seien die Schulen aber darauf angewiesen, dass sich ihre Mitarbeiter auch neben dem Unterricht für die Institution einsetzen.

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