Die
Schulen werden noch lange an den Fehlleistungen einer verworrenen
Pädagogen-Kaste zu leiden haben, die aus den achtundsechziger Jahren
hervorgegangen ist und in ideologischer Verblendung sich über längst bekannte
Erkenntnisse von Erziehung und Unterricht hinweggesetzt hat. Einer dieser
Irrtümer kreist um das Schlagwort «Frühförderung» (NZZ 8. 2. 19). Diese ist zum
Prinzip mutiert, wonach die Kinder möglichst früh mit Verhaltensweisen und
Kulturtechniken zu unterweisen sind, bevor sie entwicklungsmässig dazu reif
sind. Aber das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. Und wenn noch
immer argumentiert wird, wie etwa vom Präsidenten des Lehrerfachverbandes, dass
dies im Interesse der Chancengleichheit sei, so wird davon ausgegangen, dass
beim Menschen umso mehr Wissen angefüllt werden könne, je früher man damit
beginne. Gesunde und durchschnittlich intelligente Kinder brauchen keine
Frühförderung. Sie erleiden nur Schaden und regredieren, wenn sie zu früh aus
ihrer vertrauten Umgebung herausgenommen werden, wo erst einmal Sozialisation
im überschaubaren familiären Umfeld erfolgt und die basalen Voraussetzungen für
späteres Lernen geschaffen werden. Frühförderung haben hingegen stark
retardierte, geistig behinderte und verwahrloste Kinder nötig. Diese
heilpädagogische Frühförderung ist aber qualitativ etwas ganz anderes als das,
was heute unter Frühförderung kolportiert wird.
NZZ, 21.2. Leserbrief von Peter Schmid
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen