3. März 2019

Die meisten Kinder brauchen keine Frühförderung


Die Schulen werden noch lange an den Fehlleistungen einer verworrenen Pädagogen-Kaste zu leiden haben, die aus den achtundsechziger Jahren hervorgegangen ist und in ideologischer Verblendung sich über längst bekannte Erkenntnisse von Erziehung und Unterricht hinweggesetzt hat. Einer dieser Irrtümer kreist um das Schlagwort «Frühförderung» (NZZ 8. 2. 19). Diese ist zum Prinzip mutiert, wonach die Kinder möglichst früh mit Verhaltensweisen und Kulturtechniken zu unterweisen sind, bevor sie entwicklungsmässig dazu reif sind. Aber das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. Und wenn noch immer argumentiert wird, wie etwa vom Präsidenten des Lehrerfachverbandes, dass dies im Interesse der Chancengleichheit sei, so wird davon ausgegangen, dass beim Menschen umso mehr Wissen angefüllt werden könne, je früher man damit beginne. Gesunde und durchschnittlich intelligente Kinder brauchen keine Frühförderung. Sie erleiden nur Schaden und regredieren, wenn sie zu früh aus ihrer vertrauten Umgebung herausgenommen werden, wo erst einmal Sozialisation im überschaubaren familiären Umfeld erfolgt und die basalen Voraussetzungen für späteres Lernen geschaffen werden. Frühförderung haben hingegen stark retardierte, geistig behinderte und verwahrloste Kinder nötig. Diese heilpädagogische Frühförderung ist aber qualitativ etwas ganz anderes als das, was heute unter Frühförderung kolportiert wird. 
NZZ, 21.2. Leserbrief von Peter Schmid

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen