Neu
werden mit dem Leistungstest Stellwerk nicht nur die Schüler verglichen,
sondern auch die Klassen. Wenn diese zu stark vom kantonalen Schnitt abweichen,
muss die Schulleitung handeln. Dieses Vorgehen erntet bei den Lehrern Kritik.
Lehrer sorgen sich um Ranking, Luzerner Zeitung, 4.2. von Roseline Troxler
Für alle
Zweit- und Drittsekschüler im Kanton Luzern heisst es einmal pro Jahr: Antraben
zum Stellwerktest. Dabei handelt es sich um einen einheitlichen Test, der ein
Leistungsprofil der Schüler erstellt. Der Test dient laut Charles Vincent,
Leiter der Dienststelle Volksschulbildung, in erster Linie der
Standortbestimmung der einzelnen Schüler. Er zeigt aber auch den Leistungsstand
einer Klasse beziehungsweise das Ergebnis auf Kantonsebene auf. Die Ergebnisse
werden seit Jahren kantonal ausgewertet und publiziert. «Neu erhalten die
Schulleitungen zusätzlich die Ergebnisse aufbereitet für ihre Schule. Dies soll
für sie eine Erleichterung darstellen.»
Doch
viele Luzerner Lehrerinnen und Lehrer, die den Test mit ihren Schülern
durchgeführt haben, gingen bis vor kurzem davon aus, dass es nur um eine
Standortbestimmung für die Schüler geht. Laut Vincent wurden die Schulleitungen
allerdings bereits vor einem Jahr über diesen Schritt informiert. Er sagt: «Wir
haben die Daten, welche wir bereits vorher kantonal ausgewertet haben, nun
erstmals mit dem Vergleich an die Schulleitungen gesendet und diese gebeten,
Schlussfolgerungen zu ziehen.»
Bei
Abweichung braucht es eine Begründung
Das kommt
nicht überall gut an. Eine Sekundarlehrerin ärgert sich: «Es werden nicht mehr
nur die Schüler, sondern auch die Lehrer miteinander verglichen.» Denn bei
Klassen, welche um mehr als zehn Prozent vom kantonalen Durchschnitt abweichen,
muss die Schulleitung neu Stellung nehmen und Massnahmen vorsehen. Dies
bestätigt Charles Vincent. Der Fall sei dies bei rund zehn von 179 Klassen. In
den Vergleich und die Beurteilung mit einbezogen werden die Kompetenzen in
Mathematik und Deutsch. Die Abweichungen von zehn Prozent und mehr betreffen in
den meisten Fällen nur eines der beiden Fächer. Zu den Massnahmen, die
getroffen werden können, sagt er: «Eine Möglichkeit sind zusätzliche
Förderlektionen für die Klassen, weitere Stunden für Deutsch als Zweitsprache
oder etwa ein Coaching für die Lehrperson.» Dass bei einem schlechten
Abschneiden der Klasse die Lehrer Unterstützung erhalten sollen, passt vielen
Lehrern nicht. Vor allem auch, weil Klassen mit vielen Fremdsprachigen oder
Niveau-C-Klassen öfters abweichen. Charles Vincent begründet: «Beim Stellwerk
am Ende der 9. Klasse sind Fördermassnahmen nicht mehr möglich. Wenn die
Auswertung vorliegt, haben die Schüler die obligatorische Schulzeit bereits
beendet.»
«Der
Zweck des Vergleichs muss transparent sein»
Hubert
Müller, Schulleiter der 5. bis 9. Klasse in Willisau, kann «nachvollziehen,
dass der Kanton die Resultate des Stellwerks auch in die kantonale
Schulentwicklung einbeziehen will». Die Rückfrage der Dienststelle bei einer
Abweichung von 10 Prozent und mehr sei legitim. Ähnlich tönt es bei Vreni
Völkle, Rektorin der Volksschulen in der Stadt Luzern. «Bei grösseren
Abweichungen muss die Schule ein Interesse haben, die Gründe dafür zu finden
und Massnahmen abzuleiten.» Auch Lukas Brunner, Schulleiter der Schule Berghof
Wolhusen, findet es für die Weiterentwicklung der Schule positiv, wenn sich das
Team darüber unterhalte, wie es zu den Resultaten gekommen sei und welche
Massnahmen man treffen könne.
Trotz des
interessanten Vergleichs sehen die Schulleitungen auch Gefahren: «Der Zweck des
Vergleichs muss transparent sein. Es soll kein Ranking zwischen den Schulen
oder Lehrpersonen daraus resultieren», betont Völkle. Dies sieht auch Brunner
so: «Der Stellwerktest liefert einen Durchschnitt. Das Resultat hängt sehr von
der Zusammensetzung der Klassen ab. Dass der Kanton nun die Schulen mit den
Resultaten der Stellwerktests vergleichen will, finde ich problematisch.» Für
Völkle hat die demografische Zusammensetzung einen grossen Einfluss auf die
Testergebnisse.
Der
Stellwerktest als Förderinstrument wird hingegen als gute Sache angesehen. So
wüssten die Schüler, wo sie stehen und die Lehrer, welche Themen zu repetieren
sind, sagt Brunner. Für Müller liefert der Test einen interessanten
«Quervergleich mit Tausenden von anderen Schülern oder Klassen». Er warnt
allerdings davor, «die Resultate auf den goldenen Altar zu legen». Sie würden
nur einen kleinen Teil der Lernziele abbilden.
Brunner
sieht im Test negative Folgen für die Lehrer: «Der Rückschluss, dass gute
Stellwerkresultate bedeuten, dass die Lehrperson besser unterrichtet als eine,
bei der die Klasse schlechte Resultate absolviert, ist falsch.» Bei solchen
Vergleichen müsse man aufpassen, dass der Druck nicht zu gross wird. «Ich kenne
Lehrpersonen, welche vor den Stellwerktests nicht mehr gut schlafen, da sie
Angst haben, dass die Schüler schlechte Resultate haben.» Eine Lehrerin
bestätigt die Befürchtungen und glaubt, dass Lehrer mit ihren Klassen künftig
gezielter auf die Stellwerktests hin lernen werden. Vincent hat ein gewisses
Verständnis für die Vorbehalte, sagt aber: «Wir haben bei der Einführung der
Stellwerktests vor zehn Jahren diese Verwendungsform noch nicht geplant.
Deshalb wurde nicht darauf hingewiesen, dass wir den Stellwerktest 9 auch für
die Qualitätsentwicklung der Schulen brauchen.» Dafür auf andere Tests zu
setzen, würde zu Mehrkosten führen, gibt er zu bedenken.
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