Die rasante
Entwicklung digitaler Technologien hat nicht nur Auswirkungen auf die Schule
und die Arbeitswelt, sondern auch auf die Stellenbewerbung. Zunehmend verlangen Firmen heute digitale Bewerbungsunterlagen. Vor allem
Grossfirmen setzen vermehrt Algorithmen ein, welche die Unterlagen auswerten
und eine Vorselektion treffen. Nur wer es durch diesen automatischen Filter
schafft, wird möglicherweise für ein Bewerbungsgespräch eingeladen. Andere
Firmen gehen sogar noch weiter und setzen intelligente Chatbots ein, die gleich
selbst ein Bewerbungsgespräch führen können, während andere die Mimik von
Bewerbenden in Videogesprächen analysieren.
Bewerbungsgespräch mit künstlischer Intelligenz, Bildung Schweiz, 5.2. von Beat A. Schwendimann
Es ist jedoch erstaunlich wenig bekannt darüber, welche Firmen bereits solche
Auswertungsalgorithmen einsetzen und nach welchen Kriterien diese Algorithmen
arbeiten. Befürworter heben hervor, dass Algorithmen schnell und objektiv
arbeiten. Kritiker beklagen die fehlende Transparenz und dass der Mensch auf
wenige, einfach vergleichbare Messwerte reduziert wird. Es sind schon
verschiedene Fälle aufgedeckt geworden, in denen Algorithmen Bewerbende
aufgrund des Geschlechts diskriminiert haben.
Ausser dem Geschlecht könnten auch Noten diskriminierend eingesetzt werden. Es
wäre denkbar, dass nur Bewerbende mit Bestnoten automatisch ausgewählt werden.
Eine Studie von Margrit Stamm hat jedoch gezeigt, dass eine Mehrzahl der
Siegerinnen und Sieger von Berufsmeisterschaften keine besonders gute Sek-I
Schulnoten hatte. Selbst Albert Einstein hatte nicht nur Bestnoten. Dies zeigt,
dass Erfolg im Berufsleben nicht nur von Schulnoten, sondern stark auch von
Persönlichkeitsmerkmalen wie Resilienz, Disziplin, Teamfähigkeit und einer schnellen
Auffassungsgabe abhängt.
Alle Akteure sind hier gefordert. Arbeitgeber sollten Bewerbende ganzheitlich
betrachten und Bewertungskriterien offenlegen. Die Politik ist gefordert,
Stellenbewerbende vor Diskriminierung durch Algorithmen zu schützen. Der LCH
setzt sich dafür ein, dass Schulen die Ressourcen erhalten, um Lernende auf die
digitale Welt vorzubereiten und um zu vermitteln, wie Algorithmen funktionieren
(Computational Thinking).
Da sind wir aber dankbar, dass der LCH die Lernenden auf die "digitale Welt" vorbereitet. Vielleicht könnte ein wenig mehr kritische Distanz nicht schaden, um dieses Ziel zu erreichen. Bis jetzt habe ich noch nicht viel davon gehört und gelesen.
AntwortenLöschen"Andere Firmen gehen sogar noch weiter und setzen intelligente Chatbots ein, die gleich selbst ein Bewerbungsgespräch führen können, während andere die Mimik von Bewerbenden in Videogesprächen analysieren." - Namen und Fakten wären hier sicher interessanter als solche diffusen Anschuldigungen. Und wenn ein Unternehmen seine zukünftigen Mitarbeiter unbedingt auf diese dubiose Art auswählen möchte, dann steht ihnen diese Option doch jederzeit offen. Die Frage ist nur, ob die digitale Strategie des LCH solche Entwicklungen nicht eher noch fördert.