Die Baselbieter Regierung hat den Streit um die
Sonderpädagogik entschärft: Die Vorlage von Regierungsrätin Monica Gschwind
wurde nach dem Vernehmlassungsverfahren überarbeitet und eröffnet nun in der
neuen Form den Schulen grossen Gestaltungsspielraum. Anders als etwa in
Basel-Stadt soll es den Schulen im Baselbiet weiterhin überlassen werden, zwischen
der integrativen Förderung und der Sonderschulung abzuwägen. Bei der Vorlage
handelt es sich um eine Nachbesserung. 2014 war Gschwinds Vorgänger Urs
Wüthrich damit gescheitert.
Sonderpädagogik-Streit entschärft, Basler Zeitung, 14.2. von Thomas Dähler
«Es
handelt sich nicht um eine Sparvorlage», stellte gestern Beat Lüthy, Leiter des
Amts für Volksschulen, vor den Medien klar. Dennoch sollen mit den Änderungen
im Bildungsgesetz die Kosten der speziellen Förderung und der Sonderschulung
stabilisiert werden. Die Mittel sollen – statt primär in die individuelle
Förderung – vermehrt auch in die Unterstützung von ganzen Klassen fliessen.
Vorgesehen ist, den Schulen Lektionenpools zuzuweisen.
Nicht
möglich ist die Ressourcierung der einzelnen Schulen nach einem Sozialindex,
wie dies von verschiedenen Seiten gefordert wurde. Der Kanton verfügt über
keine verlässliche Angaben für einen ans Steuersystem gekoppelten Sozialindex.
Stattdessen wurde die Ressourcierung jetzt aufgeteilt: in einen Lektionenpool
für sprachliche Förderangebote gemäss der Anzahl Fremdsprachiger sowie in einen
Lektionenpool für Spezielle Förderung. In beiden Fällen können die Schulen
entscheiden, in welchem Ausmass sie die Mittel für separative oder für
integrative Massnahmen verwenden. Die zwei verschiedenen Pools eliminieren die
Gefahr, dass eine überdurchschnittliche Zahl von Fremdsprachigen die ganzen
Mittel nur für die Sprachförderung abfliessen lässt.
Nicht
sparoptimiert
Die
Lektionenpools sind – wie es im Vernehmlassungsverfahren breit gefordert wurde,
aufgrund des Bedarfs von 2017 berechnet – nicht sparoptimiert. Alle fünf Jahre
soll die Ressourcierung überprüft und je nach Bedarf angepasst werden.
Administrative und organisatorische Vereinfachungen sollen kostendämpfend
wirken. Die Nutzung der Pools soll sich nach dem besonderen Bildungsbedarf der
betroffenen Schülerinnen und Schüler richten: Es liegt an den Schulen, zu
beschliessen, ob sie etwa Fremdsprachige Integrationsklassen bilden oder
Lektionen für die integrative Förderung mit Deutsch als Zweitsprache (Daz)
alimentieren. Oder ob sie Mittel für Lektionen für die Integrative Förderung
oder Mittel für separative Klassen beanspruchen, etwa Kleinklassen oder
Einführungsklassen. Eine Schule, die vorwiegend integrative Massnahmen
ergreift, wird damit nicht mehr gegenüber einer Schule benachteiligt, die vorwiegend
besondere Klassen führt.
Wenn
nötig können auch zusätzliche Ressourcen beansprucht werden – etwa wenn sowohl
integrative als auch separative Massnahmen dies erfordern. Auf eine Obergrenze
dafür wurde wegen den kritischen Einwänden verzichtet, anders als ursprünglich
vorgesehen. Nichts verändert wurde bei der Zuständigkeit: Für die spezielle
Förderung auf der Primarschulstufe sind die Gemeinden zuständig, für die
Sekundarstufe der Kanton. Für die Sonderschulung ist in jedem Fall der Kanton
zuständig.
Sek-Kleinklassen
nur im Niveau A
Nicht
berücksichtigt wurde in der verabschiedeten Vorlage die Forderung, die
separative Spezielle Förderung in den Sekundarschulen auch auf den
anspruchsvollsten Leistungszug P auszuweiten. Es gehe explizit darum, vor allem
das Leistungsniveau A damit zu stärken. Von Sprachlektionen aber können auch
Schülerinnen und Schüler des Niveaus P profitieren. Kleinklassen soll es nur im
Niveau A geben. Die Förderung in Kleinklassen soll nicht dazu dienen, die
Niveauanforderungen auszugleichen oder die Niveauanforderungen zu sichern.
Mit
der Vorlage verfolgt die Bildungsdirektion auch das Ziel, weniger Lehrpersonen
pro Klasse einzusetzen. «Wir wollen, dass Schülerinnen und Schüler weniger
Bezugspersonen haben», sagte gestern Marianne Stöckli, Leiterin der Abteilung
Sonderpädagogik im Amt für Volksschulen. Es soll auch möglich sein,
verschiedene Förderaufgaben durch weniger Lehrkräfte abzudecken. Und anstelle
von Heilpädagogen können die Schulen auch engagierte Lehrerinnen und Lehrer einsetzen,
die in der Lage sind, die Schülerinnen und Schüler entsprechend zu fördern.
Viel hängt dabei von den Schulleitungen ab. «Schulleiter sind Key-Player»,
meinte Amtsleiter Lüthy.
Für
Abklärungs- und Diagnoseaufgaben sind weiterhin Fachpersonen zuständig. Die
Schulleitungen entscheiden aber über die Massnahmen und die Umsetzung der
Speziellen Förderung. Eltern müssen in jedem Fall in den Entscheidungsprozess
einbezogen werden – auch dies war im Vernehmlassungsverfahren gefordert worden.
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