14. Februar 2019

Abwägen zwischen IF und Sonderschulung in Baselland weiterhin möglich


Die Baselbieter Regierung hat den Streit um die Sonderpädagogik entschärft: Die Vorlage von Regierungsrätin Monica Gschwind wurde nach dem Vernehmlassungsverfahren überarbeitet und eröffnet nun in der neuen Form den Schulen grossen Gestaltungsspielraum. Anders als etwa in Basel-Stadt soll es den Schulen im Baselbiet weiterhin überlassen werden, zwischen der integrativen Förderung und der Sonderschulung abzuwägen. Bei der Vorlage handelt es sich um eine Nachbesserung. 2014 war Gschwinds Vorgänger Urs Wüthrich damit gescheitert.
Sonderpädagogik-Streit entschärft, Basler Zeitung, 14.2. von Thomas Dähler


«Es handelt sich nicht um eine Sparvorlage», stellte gestern Beat Lüthy, Leiter des Amts für Volksschulen, vor den Medien klar. Dennoch sollen mit den Änderungen im Bildungsgesetz die Kosten der speziellen Förderung und der Sonderschulung stabilisiert werden. Die Mittel sollen – statt primär in die individuelle Förderung – vermehrt auch in die Unterstützung von ganzen Klassen fliessen. Vorgesehen ist, den Schulen Lektionenpools zuzuweisen.
Nicht möglich ist die Ressourcierung der einzelnen Schulen nach einem Sozialindex, wie dies von verschiedenen Seiten gefordert wurde. Der Kanton verfügt über keine verlässliche Angaben für einen ans Steuersystem gekoppelten Sozialindex. Stattdessen wurde die Ressourcierung jetzt aufgeteilt: in einen Lektionenpool für sprachliche Förderangebote gemäss der Anzahl Fremdsprachiger sowie in einen Lektionenpool für Spezielle Förderung. In beiden Fällen können die Schulen entscheiden, in welchem Ausmass sie die Mittel für separative oder für integrative Massnahmen verwenden. Die zwei verschiedenen Pools eliminieren die Gefahr, dass eine überdurchschnittliche Zahl von Fremdsprachigen die ganzen Mittel nur für die Sprachförderung abfliessen lässt.

Nicht sparoptimiert
Die Lektionenpools sind – wie es im Vernehmlassungsverfahren breit gefordert wurde, aufgrund des Bedarfs von 2017 berechnet – nicht sparoptimiert. Alle fünf Jahre soll die Ressourcierung überprüft und je nach Bedarf angepasst werden. Administrative und organisatorische Vereinfachungen sollen kostendämpfend wirken. Die Nutzung der Pools soll sich nach dem besonderen Bildungsbedarf der betroffenen Schülerinnen und Schüler richten: Es liegt an den Schulen, zu beschliessen, ob sie etwa Fremdsprachige Integrationsklassen bilden oder Lektionen für die integrative Förderung mit Deutsch als Zweitsprache (Daz) alimentieren. Oder ob sie Mittel für Lektionen für die Integrative Förderung oder Mittel für separative Klassen beanspruchen, etwa Kleinklassen oder Einführungsklassen. Eine Schule, die vorwiegend integrative Massnahmen ergreift, wird damit nicht mehr gegenüber einer Schule benachteiligt, die vorwiegend besondere Klassen führt.

Wenn nötig können auch zusätzliche Ressourcen beansprucht werden – etwa wenn sowohl integrative als auch separative Massnahmen dies erfordern. Auf eine Obergrenze dafür wurde wegen den kritischen Einwänden verzichtet, anders als ursprünglich vorgesehen. Nichts verändert wurde bei der Zuständigkeit: Für die spezielle Förderung auf der Primarschulstufe sind die Gemeinden zuständig, für die Sekundarstufe der Kanton. Für die Sonderschulung ist in jedem Fall der Kanton zuständig.

Sek-Kleinklassen nur im Niveau A
Nicht berücksichtigt wurde in der verabschiedeten Vorlage die Forderung, die separative Spezielle Förderung in den Sekundarschulen auch auf den anspruchsvollsten Leistungszug P auszuweiten. Es gehe explizit darum, vor allem das Leistungsniveau A damit zu stärken. Von Sprachlektionen aber können auch Schülerinnen und Schüler des Niveaus P profitieren. Kleinklassen soll es nur im Niveau A geben. Die Förderung in Kleinklassen soll nicht dazu dienen, die Niveauanforderungen auszugleichen oder die Niveauanforderungen zu sichern.

Mit der Vorlage verfolgt die Bildungsdirektion auch das Ziel, weniger Lehrpersonen pro Klasse einzusetzen. «Wir wollen, dass Schülerinnen und Schüler weniger Bezugspersonen haben», sagte gestern Marianne Stöckli, Leiterin der Abteilung Sonderpädagogik im Amt für Volksschulen. Es soll auch möglich sein, verschiedene Förderaufgaben durch weniger Lehrkräfte abzudecken. Und anstelle von Heilpädagogen können die Schulen auch engagierte Lehrerinnen und Lehrer einsetzen, die in der Lage sind, die Schülerinnen und Schüler entsprechend zu fördern. Viel hängt dabei von den Schulleitungen ab. «Schulleiter sind Key-Player», meinte Amtsleiter Lüthy.

Für Abklärungs- und Diagnoseaufgaben sind weiterhin Fachpersonen zuständig. Die Schulleitungen entscheiden aber über die Massnahmen und die Umsetzung der Speziellen Förderung. Eltern müssen in jedem Fall in den Entscheidungsprozess einbezogen werden – auch dies war im Vernehmlassungsverfahren gefordert worden.


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