9. Dezember 2018

Berufsauftrag führt zu Dienst nach Vorschrift


Im Magazin «Rundgang» des Verlags Klett und Balmer antwortet LCH-Zentralpräsident Beat W. Zemp auf die Frage, was eine gute Lehrperson ausmache: «Das Allerwichtigste ist die intrinsische Motivation. Man muss den Beruf als innere Berufung verstehen. Kinder und Jugendliche spüren, ob in einer Lehrperson das ‹feu sacré› lodert oder nicht. Das muss vorhanden sein, wenn man Kompetenzen bei Heranwachsenden fördern will.»
Dienst nach Vorschrift? ZLV-Magazin 5/18, Dezember 2018, Leserbrief von Walter Leuthold


Ich freue mich über diese klare Stellungnahme. Die Güte jeder Schulreform müsste sich daran messen lassen, inwieweit sie die intrinsische Motivation stärkt oder zumindest schützt. Unter diesem Blickwinkel kommt der neue Berufsauftrag denkbar schlecht weg. Das ganze Messen, Ausrechnen, Anrechnen, Verrechnen bringt einen Denkansatz in die berufliche Tätigkeit der Lehrpersonen ein, der früher oder später manch ein «feu sacré» ersticken wird. Es lohnt nicht, weiter Zeit, Geld und Energie in die Standardisierung des Lehrberufs zu investieren: Flow setzt Gestaltungsfreiheit voraus, geht unmöglich zusammen mit Erbsenzählen. Abbruch der Übung ist angesagt. Besser heute als morgen.

Wie müsste eine Mitarbeiterbeurteilung beschaffen sein, die sich in den Dienst der intrinsischen Motivation stellen würde? Allem voran sollte man endlich davon absehen, Konkurrenz zu kultivieren, indem man Lehrpersonen in verschiedene Güteklassen auseinanderdividiert. Womöglich gekoppelt mit variablen Vergütungen. Gewiss ist es nötig, festzustellen, ob eine Lehrerin oder ein Lehrer ihre/seine Aufgabe erfüllt. Das ist anspruchsvoll genug. Was darüber hinausgeht, schafft Raum für Willkür. Die politisch orchestrierte Schulentwicklung im Kanton Zürich ist daraufhin angelegt, Dienst nach Vorschrift zu generieren. Das Konzept, alle Kantonsangestellten über den gleichen Leisten zu schlagen, wirkt sich unglücklich aus.

Damit wird vielen Schülerinnen und Schülern die Chance genommen, über das «feu sacré» der Lehrperson für ein Schulfach oder Thema Feuer zu fangen und ihren eigenen Schatz an intrinsischer Motivation zu mehren. Das sind Entwicklungen, die in Beziehung zur Globalisierung stehen. Spätestens seit PISA gibt Konkurrenz einen Takt vor. Aktuell erleben wir extreme Zuspitzungen. Eine Belastungspyramide baut sich auf, im Wechselspiel von Wirtschaft, Politik und der Schule, im Wechselspiel von Elternhaus und Schule. Schliesslich erreicht sie ihre Spitze bei Lehrpersonen, die das Unterrichten, vor allem aber bei Kindern und Jugendlichen, die das Lernen satt haben, ja darob verzweifeln. Gemäss einem Beitrag in der «Sonntagszeitung» vom 19.8.18 leidet ein Drittel aller Schülerinnen und Schüler an Burn-out-Symptomen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen