Smartphones für Kinder: ja oder nein? Diese Frage spaltet gerade die
Meinungen vieler Eltern. Die Hilflosigkeit wächst mit der Ausbreitung der
Geräte, nach den Erwachsenen sind jetzt die Kinder dran. Letztlich gibt der
Netzwerkeffekt den Ton vor. Je mehr Menschen ein solches Gerät haben, desto
mehr glauben, ebenfalls eines zu brauchen. Die Debatte wird jedoch allenfalls
oberflächlich geführt, nämlich als Gretchenfrage des Digitalzeitalters: Wie
hältst du es mit dem Fortschritt? Stattdessen sollte man fragen: Was bringen
Smartphones Kindern, und was nehmen sie ihnen?
Liebe Eltern, nehmt den Kindern endlich das Smartphone weg! NZZ, 13.11. von Milosz Matuschek
Hier zeigt sich ein Konflikt, der über die Frage hinausgeht, ob ein
Taschencomputer für 800 Franken in die Hände eines zehnjährigen Kindes gehört
oder nicht. Es geht im Kern um Massstäbe in der Erziehung, und die haben sich
gewaltig verschoben. Daran sind nicht die Ansprüche der Kinder schuld, sondern
die Haltung der Eltern. Kindeswohl bedeutet für manche nicht mehr, primär
danach zu fragen, was dem Kind am besten tut oder dessen Entwicklung fördert,
sondern schlicht, das zu tun, was die Kinder wollen.
Nicht die Eltern erziehen heute die Kinder, sondern umgekehrt. Die
Eltern verstecken ihre Unwissenheit über Risiken und Nebenwirkungen früher
Smartphone-Nutzung hinter der Illusion, die Kinder seien irgendwie näher an der
Digitalisierung dran und kennten sich daher besser aus. Nach den
Helikopter-Eltern, die das Kind nie aus den Augen lassen, und den
Bulldozer-Eltern, die alle Probleme aus dem Weg räumen, damit das Kind auch ja
nie lernt, wie man es selbst tut, kommen nun die Concierge-Eltern, die glauben,
den Kindern jeden Wunsch von den Augen ablesen zu müssen.
Machen wir uns nichts vor: Hinter der digitalen Erziehungsverweigerung
steht letztlich der Komfortwunsch der Eltern. Konsum und Unterhaltung zu
Pädagogik umzulabeln, wird jedoch ebenso wenig funktionieren, wie das früher
bei der Debatte um Fernsehkonsum oder Computerspiele funktioniert hat.
Techniknostalgie («wir haben damals auch bis zum Sendeschluss TV geguckt»),
Technikignoranz («ist doch nur ein Kommunikationstool wie das Telefon») und der
Verweis auf das Erziehungsversagen der anderen («die Hälfte der Klasse hat auch
ein Smartphone») sollte niemandem mehr zur Gewissensberuhigung reichen.
Das Gerede vom Anschluss an die Welt von morgen, den man angeblich nicht
verpassen darf, ist pure Augenwischerei. Das Smartphone bereitet Kinder nicht
aufs Leben vor, es lenkt eher davon ab; die Benutzung von Siri, Google Maps
oder Candy Crush kann man später immer noch lernen. Verträge dürfen
Minderjährige ohnehin noch nicht abschliessen. Unbemerkt entäussern sie sich
jedoch ihrer Daten, lassen sich tracken und erstellen spielerisch nebenbei eine
digitale Akte von sich. Viele Kinder isolieren sich, sehen weniger Sinn in
Gemeinschaftserlebnissen, schliesslich schickt man sich ja den ganzen Tag schon
Emojis, Gifs und amputierte Sätze.
Digitallobbyisten vom Schlage Sascha Lobos reagieren auf Kritik am
Smartphone trotzdem gewohnt beleidigt; er selbst hält die Debatte für
rückwärtsgewandt und vergiftet. Doch warum ausgerechnet Kinder als
Versuchskaninchen für naiven Optimismus der Älteren herhalten sollen,
erschliesst sich nicht. Dass Apps süchtig machen sollen, behaupten längst nicht
mehr nur Kritiker, sondern die Konstrukteure selbst. Von einem Werbetexter muss
man vielleicht keine Gesellschaftskritik erwarten, aber vielleicht doch die
Beschäftigung mit ein paar Kritikpunkten, die aktueller sind als die eigene
Frisur.
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