8. November 2018

Das letzte Gefecht gegen den Lehrplan 21


Der neue Lehrplan erhitzt noch immer die Gemüter. Graubünden ist der letzte Kanton, der nun über zwei Initiativen abstimmt, die den Behörden die Hoheit über die Lehrpläne entreissen wollen.

Das letzte Gefecht gegen den Lehrplan 21, NZZ, 8.11. von Jörg Krummenacher



 «Gute Schule Graubünden» – unter diesem Titel stehen die beiden Initiativen, die am 25. November in Graubünden zur Abstimmung gelangen. Die eine will die Verfassung ändern, um Parlament und Volk grundsätzlich mehr Mitsprache bei wichtigen Bildungsfragen zu ermöglichen, die andere das Schulgesetz anpassen, damit Grosser Rat und Stimmvolk abschliessend über die Lehrpläne entscheiden können. Die Vorlagen wollen letztlich, dass der auf dieses Schuljahr in Graubünden eingeführte Lehrplan 21 rückwirkend wieder ausser Kraft gesetzt werden kann.

Bisher chancenlos
Es ist das zehnte und letzte Mal, dass seit 2016 in einem Deutschschweizer Kanton über den Lehrplan 21 abgestimmt wird. Am einen Ort wehrten sich die Initianten direkt gegen dessen Einführung, am anderen zielten sie auf eine bildungspolitische Entmachtung der jeweiligen Regierung. «Lehrpläne vors Volk», lautete dann die Parole.

Doch bisher sind diese Initiativen stets gescheitert. Zuletzt waren es in Zürich und Bern mehr als drei Viertel der Stimmenden, die Nein sagten. In den acht Kantonen, in denen an der Urne entschieden wurde, war das Resultat in Basel-Landschaft mit einem Nein-Anteil von 52,7 Prozent am knappsten, in Bern mit 76,7 Prozent am deutlichsten. An der Innerrhoder Landsgemeinde gab es 2016 zudem ein deutliches Handmehr gegen die Initiative. Die Mehrheit war jeweils der Ansicht, dass Lehrpläne nicht besser werden, wenn sie durch die politische Mühle von Parlamentsdebatten und Volksabstimmungen gedreht werden.

In vier Kantonen (Luzern, Zug, Schwyz, St. Gallen) wurden Lehrplan-Initiativen überdies zurückgezogen, für ungültig erklärt, oder sie scheiterten schon während der Unterschriftensammlung. In St. Gallen kam dann eine Ausstiegsvorlage zu Harmos vors Volk, die indes als Plebiszit zum Lehrplan 21 verstanden wurde.

Auch das letzte, bündnerische Gefecht gegen den Lehrplan 21 wird voraussichtlich scheitern. Der Grosse Rat hat die zwei Initiativen bei jeweils 10 Ja-Stimmen sehr deutlich abgelehnt. Und bereits im September zeigte das Bündner Stimmvolk wenig Gnade mit einer Schulvorlage, indem es die Fremdsprachen-Initiative mit knappem Zweidrittelmehr ablehnte.

Bildungspolitische Ruhe trügt
Nach einer Kaskade von Volksabstimmungen zu Schulreformen – Harmos-Konkordat, Frühfranzösisch, Lehrplan 21 – scheint nun etwas Ruhe in die Bildungspolitik einzukehren. Ausdruck davon ist die Auflösung der 2011 eingeführten Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz (D-EDK) auf Ende Jahr. Diese sieht ihre Aufgabe erfüllt, da alle 21 Kantone und das Fürstentum Liechtenstein bereits mit dem neuen Lehrplan arbeiten oder diesen in absehbarer Zeit einführen.

Bei den Gegnern ist der Ärger indes nicht verraucht. Sie monieren etwa, dass sich die D-EDK mit ihrer Auflösung aus der Verantwortung stehle, und befürchten, dass der kompetenzorientierte neue Lehrplan die pädagogische Vielfalt abtöte, die Lehrpersonen in den Würgegriff nehme und die Kinder ihr Potenzial nicht entfalten lasse. Der Verein «Chance Schulwahl» und die Elternlobby Schweiz haben deshalb eine Petition für das Recht auf Bildungswahl lanciert. Vorerst in den Kantonen Zürich, St. Gallen, Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Freiburg und Wallis verlangen sie, dass die Staatsschulen vielfältiger werden und die Eltern ein passendes Schulmodell wählen können. Nichtstaatliche Schulen, die Kinder ohne ethnische und religiöse Einschränkungen aufnehmen und kein Schulgeld verlangen, sollen laut Petition öffentlich finanziert werden.


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