Der neue
Lehrplan erhitzt noch immer die Gemüter. Graubünden ist der letzte Kanton, der
nun über zwei Initiativen abstimmt, die den Behörden die Hoheit über die
Lehrpläne entreissen wollen.
Das letzte Gefecht gegen den Lehrplan 21, NZZ, 8.11. von Jörg Krummenacher
«Gute Schule Graubünden» – unter
diesem Titel stehen die beiden Initiativen, die am
25. November in Graubünden zur Abstimmung gelangen. Die eine will die
Verfassung ändern, um Parlament und Volk grundsätzlich mehr Mitsprache bei
wichtigen Bildungsfragen zu ermöglichen, die andere das Schulgesetz anpassen,
damit Grosser Rat und Stimmvolk abschliessend über die Lehrpläne entscheiden
können. Die Vorlagen wollen letztlich, dass der auf dieses Schuljahr in
Graubünden eingeführte Lehrplan 21 rückwirkend wieder ausser Kraft gesetzt
werden kann.
Bisher chancenlos
Es ist das zehnte und letzte Mal, dass seit 2016 in einem
Deutschschweizer Kanton über den Lehrplan 21 abgestimmt wird. Am einen Ort
wehrten sich die Initianten direkt gegen dessen Einführung, am anderen zielten
sie auf eine bildungspolitische Entmachtung der jeweiligen Regierung.
«Lehrpläne vors Volk», lautete dann die Parole.
Doch bisher sind diese Initiativen stets gescheitert. Zuletzt waren es
in Zürich und Bern mehr als drei Viertel der Stimmenden, die Nein sagten. In
den acht Kantonen, in denen an der Urne entschieden wurde, war das Resultat in
Basel-Landschaft mit einem Nein-Anteil von 52,7 Prozent am knappsten, in Bern
mit 76,7 Prozent am deutlichsten. An der Innerrhoder Landsgemeinde gab es 2016
zudem ein deutliches Handmehr gegen die Initiative. Die Mehrheit war jeweils
der Ansicht, dass Lehrpläne nicht besser werden, wenn sie durch die politische
Mühle von Parlamentsdebatten und Volksabstimmungen gedreht werden.
In vier Kantonen (Luzern, Zug, Schwyz, St. Gallen) wurden
Lehrplan-Initiativen überdies zurückgezogen, für ungültig erklärt, oder sie
scheiterten schon während der Unterschriftensammlung. In St. Gallen kam
dann eine Ausstiegsvorlage zu Harmos vors Volk, die indes als Plebiszit zum
Lehrplan 21 verstanden wurde.
Auch das letzte, bündnerische Gefecht gegen den Lehrplan 21 wird
voraussichtlich scheitern. Der Grosse Rat hat die zwei Initiativen bei jeweils
10 Ja-Stimmen sehr deutlich abgelehnt. Und bereits im September zeigte das
Bündner Stimmvolk wenig Gnade mit einer Schulvorlage, indem es die
Fremdsprachen-Initiative mit knappem Zweidrittelmehr ablehnte.
Bildungspolitische Ruhe trügt
Nach einer Kaskade von Volksabstimmungen zu Schulreformen –
Harmos-Konkordat, Frühfranzösisch, Lehrplan 21 – scheint nun etwas Ruhe in die
Bildungspolitik einzukehren. Ausdruck davon ist die Auflösung der 2011
eingeführten Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz (D-EDK) auf Ende
Jahr. Diese sieht ihre Aufgabe erfüllt, da alle 21 Kantone und das Fürstentum
Liechtenstein bereits mit dem neuen Lehrplan arbeiten oder
diesen in absehbarer Zeit einführen.
Bei den Gegnern ist der Ärger indes nicht verraucht. Sie monieren etwa,
dass sich die D-EDK mit ihrer Auflösung aus der Verantwortung stehle, und
befürchten, dass der kompetenzorientierte neue Lehrplan die pädagogische
Vielfalt abtöte, die Lehrpersonen in den Würgegriff nehme und die Kinder ihr
Potenzial nicht entfalten lasse. Der Verein «Chance Schulwahl» und die
Elternlobby Schweiz haben deshalb eine Petition für das
Recht auf Bildungswahl lanciert. Vorerst in den Kantonen
Zürich, St. Gallen, Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Freiburg und Wallis
verlangen sie, dass die Staatsschulen vielfältiger werden und die Eltern ein
passendes Schulmodell wählen können. Nichtstaatliche Schulen, die Kinder ohne
ethnische und religiöse Einschränkungen aufnehmen und kein Schulgeld verlangen,
sollen laut Petition öffentlich finanziert werden.
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