12. Oktober 2018

Zu lange Ferien


Es geht um Zeit und Geld: Lange Ferien vertiefen die Kluft zwischen privilegierten und benachteiligten Kindern. Drei Wochen Sommerferien müssten reichen. Das heißt nicht, weniger freie Tage; sie sollten nur besser verteilt werden.
Warum wir kürzere Schulferien benötigen, Welt, 11.10. von Alan Posener


Bald dürften die Lehrer damit fertig sein, die Lücken wieder zu füllen, die von den Sommerferien in die Kenntnisse ihrer Schüler gerissen wurden. Hier und da dürfte das aber bis zu den Herbstferien dauern. Pädagogen wissen es längst, nun weisen auch wissenschaftliche Studien darauf hin: Lange Schulferien sind schlecht fürs Lernen.
Das auszusprechen, riskiert einen Sturm der Entrüstung. Erinnerungen endloser Sommertage werden beschworen, in denen man mit den Kameraden durch Wald und Wiese stromerte, im Bach angelte, Fußball spielte, als … halt, halt. Die wenigsten Kinder wohnen heute auf dem Land. In der Stadt dürfen die meisten Kinder nicht allein aus der Wohnung. Wer nicht im Verein ist, kommt selten zum Fußballspielen. Sommer, wie sie in einer meist trügerischen Erinnerung beschworen werden, erleben allenfalls türkischstämmige Kinder, wenn sie in das Dorf ihrer Großeltern reisen.
Kinder aus bürgerlichen Familien genießen vielleicht Reisen ans Meer und, wenn sie wieder zu Hause sind, Ausflüge in Museen, Theater, Freibäder und dergleichen. Kinder aus bildungsfernen Familien verbringen die Ferien oft vorm Bildschirm. Gewiss, die Kommunen bieten Ferienpässe an, damit auch sozial benachteiligte Kinder solche Einrichtungen besuchen können. Doch müssen die Eltern auch die Zeit haben, die Angebote zu nutzen. Eine alleinerziehende Mutter kann ja nicht sechs Wochen freinehmen.

Und nicht nur Menschen mit Migrationshintergrund fremdeln oft in kulturellen Einrichtungen. Kurzum: Lange Ferien vertiefen die Kluft zwischen privilegierten und benachteiligten Kindern. Drei Wochen Sommerferien müssten reichen. Länger verreisen können ohnehin nur wenige. Das heißt nicht – man hört schon den Aufschrei der Lehrer – weniger freie Tage; sie sollten nur besser über das Schuljahr verteilt werden.

Und was ist mit dem Recht auf ungeregelte Tage, auf ungerichtetes Spiel, ja auch auf Faulheit und sogar Langeweile? Jedes Kind weiß, dass man sich schon an einem gewöhnlichen Sonntag langweilen und in zwei Wochen am Strand toll erholen kann.
Wird der Unterricht durch den Wegfall der hyperlangen Ferien effektiver, so wird der Druck durch den „Stoff“ schwächer, kann weniger gepaukt, mehr kreativ gelernt werden. Ganz davon abgesehen, dass kürzere Ferien leichter gestaffelt werden können, um Straßen, Bahnen und Flughäfen zu entlasten. Die Bundesregierung sollte zusammen mit den Ländern in ausgewählten Städten einen Großversuch starten.


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