Es geht
um Zeit und Geld: Lange Ferien vertiefen die Kluft zwischen privilegierten und
benachteiligten Kindern. Drei Wochen Sommerferien müssten reichen. Das heißt
nicht, weniger freie Tage; sie sollten nur besser verteilt werden.
Warum wir kürzere Schulferien benötigen, Welt, 11.10. von Alan Posener
Bald
dürften die Lehrer damit fertig sein, die Lücken wieder zu füllen, die von den
Sommerferien in die Kenntnisse ihrer Schüler gerissen wurden. Hier und da
dürfte das aber bis zu den Herbstferien dauern. Pädagogen wissen
es längst, nun weisen auch wissenschaftliche Studien darauf hin: Lange
Schulferien sind schlecht fürs Lernen.
Das auszusprechen, riskiert einen
Sturm der Entrüstung. Erinnerungen endloser Sommertage werden beschworen, in denen
man mit den Kameraden durch Wald und Wiese stromerte, im Bach angelte, Fußball
spielte, als … halt, halt. Die wenigsten Kinder wohnen heute auf dem Land. In
der Stadt dürfen die meisten Kinder nicht allein aus der Wohnung. Wer nicht im
Verein ist, kommt selten zum Fußballspielen. Sommer, wie sie in einer meist
trügerischen Erinnerung beschworen werden, erleben allenfalls türkischstämmige Kinder, wenn sie in das
Dorf ihrer Großeltern reisen.
Kinder aus bürgerlichen Familien
genießen vielleicht Reisen ans Meer und, wenn sie wieder zu Hause sind,
Ausflüge in Museen, Theater, Freibäder und dergleichen. Kinder aus
bildungsfernen Familien verbringen die Ferien oft vorm Bildschirm. Gewiss, die
Kommunen bieten Ferienpässe an, damit auch sozial benachteiligte Kinder solche
Einrichtungen besuchen können. Doch müssen die Eltern auch die Zeit haben, die
Angebote zu nutzen. Eine alleinerziehende Mutter kann ja nicht sechs Wochen
freinehmen.
Und nicht nur Menschen mit Migrationshintergrund fremdeln oft in kulturellen
Einrichtungen. Kurzum: Lange Ferien vertiefen die Kluft zwischen privilegierten
und benachteiligten Kindern. Drei Wochen Sommerferien müssten reichen. Länger
verreisen können ohnehin nur wenige. Das heißt nicht – man hört schon den
Aufschrei der Lehrer – weniger freie Tage; sie sollten nur besser über das
Schuljahr verteilt werden.
Und was ist mit dem Recht auf
ungeregelte Tage, auf ungerichtetes Spiel, ja auch auf Faulheit und sogar
Langeweile? Jedes Kind weiß, dass man sich schon an einem gewöhnlichen Sonntag langweilen und in zwei
Wochen am Strand toll erholen kann.
Wird der
Unterricht durch den Wegfall der hyperlangen Ferien effektiver, so wird der
Druck durch den „Stoff“ schwächer, kann weniger gepaukt, mehr kreativ gelernt
werden. Ganz davon abgesehen, dass kürzere Ferien leichter gestaffelt werden
können, um Straßen, Bahnen und Flughäfen zu entlasten. Die Bundesregierung
sollte zusammen mit den Ländern in ausgewählten Städten einen Großversuch
starten.
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