7. Oktober 2018

Medizinische Mündigkeit


Ich arbeite in einer Gemeinde, wo die Oberstufenklassen noch das Papier einsammeln. Ein Steilpass für Schabernack und mehr oder weniger harmlose Dummheiten. So geschehen letzten Donnerstag…
Medizinische Mündigkeit, Urs Kalberer, 7.10.


Ein 3.Sek.-Schüler rennt mit einem gefüllten Wagen eine Strasse runter. Unten angekommen realisiert er plötzlich, dass er seinen rasenden Karren nicht mehr stoppen kann. Er rennt weiter und prallt in ein parkiertes Auto. So weit so ungut.

Die Kinderärztin stellt fest, dass er verletzt ist und deshalb ins Spital muss. Und jetzt die Frage: Sollen wir die Eltern benachrichtigen? Der Schüler verneint - die Ärztin und später das Spital verzichten gemäss dem Willen des 15-Jährigen auf die Information. Das Kind liegt also unfallbedingt auf der Notfallstation eines Krankenhauses und die Eltern werden bewusst nicht informiert, damit dem Willen des Jungen – Kinder haben schliesslich Rechte – genüge getan wird.

Die Neuigkeit über den Unfall verbreitet sich dank allgegenwärtiger Handys in Windeseile. Auch am Mittagstisch der Oberstufenschüler dürfte es das Hauptthema sein.
Und nun versetzen Sie sich mal in die Lage der Mutter, die als letzte vielleicht von Nachbarn oder von Schulkollegen erfährt, dass ihr Kind im Spital liegt. 

Das Ganze nennt sich „Medizinische Mündigkeit“, wie mich die Ärztin am Telefon informiert. Nichts gegen Kinderrechte, aber haben die Eltern in einem solchen Fall nicht auch das Recht, so schnell wie möglich informiert zu werden?

Der Junge meldete schliesslich seinen Unfall den Grosseltern, die dann ihrerseits die Eltern benachrichtigten. Die kompromisslos durchgesetzte medizinische Mündigkeit wird in diesem Fall wohl noch ein innerfamiliäres Nachspiel haben.

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