«Die Schülerinnen und
Schüler können Programme mit Schleifen, bedingten Anweisungen und Parametern
schreiben und testen». So lautet eine unter vielen Kompetenzen, welche
Schülerinnen und Schüler in der 6. Klasse beim Abschluss der Primarschule
erworben haben sollten. Nachzulesen ist dies im geltenden Lehrplan. In Tat und
Wahrheit ist dies heute aber bloss Wunschdenken für eine fernere Zukunft. Noch
hinkt die Praxis hinter den Zielen der Erfinder des Lehrplans 21 hinterher.
Nicht nur im Kanton Baselland.
Die Digitalisierung hat Verspätung, 22.9. von Thomas Dähler
An der Delegiertenversammlung des Lehrerinnen- und Lehrervereins
Baselland (LVB), an der sich die Mitglieder diese Woche mit dem Schwerpunkt
«Digitalisierung und Schule» befassten, war breiter Unmut spürbar: Anspruch und
Wirklichkeit klaffen auseinander. Das gilt ganz besonders für die
Primarschulen. Inzwischen müssen Primarlehrerinnen und -lehrer etwa mit
Fremdsprachen-Lehrmitteln arbeiten, für welche ein Computer-Zugang nötig wäre,
aber vielerorts gar keiner vorhanden ist. Oder die nötige Software darauf fehlt.
Die ICT-Strategie, welche der Kanton Baselland vor fünf Jahren
beschlossen hat, krankt in den kantonalen Schulen an ungenügend
vorauskalkulierten Finanzmitteln und an einem ambitiösen Zeitplan, der nicht
einzuhalten ist. In den Primarschulen, die sich im Verantwortungsbereich der
Gemeinden befinden, ist der einst gesetzte Rahmen vielerorts nicht umgesetzt.
Beim Übertritt von der Primar- in die Sekundarschule wird sichtbar, dass es im
Baselbiet für die Schülerinnen und Schüler im Umgang mit der digitalen
Herausforderung keine Chancengerechtigkeit gibt.
Das kann nicht auf die leichte Schulter genommen werden. In neun
von zehn Berufen braucht es heute digitale Kompetenzen. Die Schulen müssen die
Jugendlichen auf diese Berufswelt vorbereiten. An der Umsetzung der Lernziele
im Bereich der Informatik führt kein Weg vorbei.
Wer dereinst über Anwendungskompetenzen und Kenntnisse von
Programmiersprachen verfügen oder wer mit Medien kritisch umgehen soll, müsste
darauf vorbereitet werden. Dies beginnt in der Primarschule und darf nicht
daran scheitern, dass eine Gemeinde nicht die nötigen Ressourcen für ihre
Schule aufbringen will. Die digitale Welt ist komplex. Der Umgang mit ihr kann
nicht einfach den Kindern und dem Elternhaus überlassen werden. Diese sind, wie
der Alltag zeigt, damit überfordert.
Zwei hauptsächliche Problemfelder sind in den Baselbieter Schulen
auszumachen: Noch ist offen, ob künftig allen Lehrkräften und allen
Schülerinnen und Schülern ein Arbeitsgerät zum Gebrauch abgegeben werden soll,
ob sich private Geräte nach dem Prinzip «Bring your own device» durchsetzen
oder ob eine Mischform anzustreben ist. Und offen ist auch, wie die Lehrkräfte
entsprechend weitergebildet werden. Bei beiden Problemfeldern ist die
Finanzierung die Herausforderung – besonders auf Gemeindeebene. Die öffentliche
Hand wird bei beiden Problemfeldern pragmatische, finanzierbare Lösungen finden
müssen – wie dies auch in anderen Kantonen geschehen ist und im Baselbiet
evaluiert wird.
Es ist im Interesse der Kinder und Jugendlichen, dass die offenen
technischen Fragen möglichst bald gelöst werden. Sie verdecken die Sicht auf
grundsätzlichere Probleme des digitalen Unterrichts in den Schulen. Es stellt
sich eine Reihe von Fragen: Wie können Kinder und Jugendliche für die digitale Welt
begeistert werden und Medienkompetenz erwerben, ohne dabei süchtig oder gar
cyberkrank zu werden? Wie können nicht IT-affine Eltern von der wichtigen Rolle
der digitalen Medien überzeugt werden? Wie verträgt sich die Digitalisierung
des Alltags mit dem humanistisch geprägten Bildungssystem?
Bei den Lehrerinnen und Lehrern ist zurzeit viel Unmut spürbar,
weil sie Aufgaben erfüllen müssen, aber nicht über die erforderlichen Mittel
dazu verfügen. Eine Reihe von Kritiken sind berechtigt. So monieren die Lehrerinnen
und Lehrer, dass sie von der Bildungsverwaltung bei der Lösung offener Probleme
nicht miteinbezogen werden. Auch schätzen es die Lehrkräfte nicht, dass sich
die kantonale ICT-Abteilung in pädagogische Fragen einmischt. Sie kritisieren,
dass die Bildungsdirektion bei den Gemeinden nicht interveniert, wenn mangels
Ressourcen die Unterrichtsziele nicht erfüllbar sind. Und sie prangern den
Missstand an, dass der IT-Support vielerorts nur dank ehrenamtlicher Arbeit
funktioniert.
Gemessen an den einst formulierten Zielen der ICT-Strategie, gibt
es zu viele Lücken. Immerhin war vor fünf Jahren auf politischer Ebene
formuliert worden, dass bis 2018 Voraussetzungen geschaffen werden, die «den
Kanton Baselland im kantonalen Vergleich wieder in das vordere Drittel
hinsichtlich Schulinformatik bringen».Schule und Digitalisierung: Dahinter
stecken eine Reihe von Chancen und Herausforderungen, die nicht an Ausrüstung
und Support scheitern dürfen.
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