Wie lernen Kinder die Rechtschreibung am besten? Psychologen haben drei
Methoden unter die Lupe genommen, die derzeit an Schulen angewendet werden. So
richtig gut funktioniert ihrer Meinung nach nur die klassische Methode.
Rechtschreibung lernen die Kinder am besten mit einer Methode, Welt, 16.9. von Yuriko Wahl-Immel
Grundschüler lernen Rechtschreibung
am besten nach der klassischen sogenannten Fibel-Methode. Zu diesem Ergebnis
kommt eine Bonner Studie, bei der die Lernerfolge von gut 3000
Grundschulkindern in Nordrhein-Westfalen analysiert wurden. Andere Ansätze wie
„Lesen durch Schreiben“ und „Rechtschreibwerkstatt“ schnitten weitaus
schlechter ab. Die Ergebnisse werden am Montag bei einer Tagung der
Gesellschaft für Psychologie in Frankfurt vorgestellt.
Bei der Fibel-Methode werden
Buchstaben und Wörter schrittweise und nach festen Vorgaben eingeführt. Danach
lernende Kinder hatten mit Abstand die besten Rechtschreibkenntnisse, berichtet
Una Röhr-Sendlmeier vom Institut für Entwicklungspsychologie und Pädagogische
Psychologie.
Das Psychologenteam hatte über
mehrere Jahre hinweg die Rechtschreibkenntnisse von Grundschulkindern in NRW
verglichen, die nach drei verschiedenen Methoden Lesen und Schreiben lernten.
Viele Eltern seien in Sorge, weil ihre Kinder zum Ende der Grundschule
die Rechtschreibregeln kaum beherrschten, so Röhr-Sendlmeier. „Sie fragen, ob
dies auch mit der eingesetzten freien Lehrmethode zusammenhängen könnte, nach
der die Kinder nur nach ihrem Gehöreindruck schreiben sollen.“
Das lange gängige Fibel-Lernen war mancherorts vor allem vom „Lesen
durch Schreiben“ nahezu verdrängt worden, bis sich daran immer mehr Kritik
entzündete, wie Bildungsforscherin Nele McElvany von der Universität Dortmund erläutert.
„Tatsächlich ist problematisch, dass es praktisch keine empirischen Studien
gibt, was die Wirksamkeit dieser Methode angeht.“ Deren Idee: Schüler sollen
möglichst viel frei schreiben und das Lesen darüber mitlernen. Korrekturen
falsch geschriebener Wörter sind unerwünscht, weil das die Kinder demotiviere.
Dabei könne man Schüler sehr wohl Regeln und Prinzipien einüben lassen
und sie zugleich mit positivem Feedback ermutigen, erklärt McElvany. Das
Fibel-Lernen sei regelgeleitet, baue strukturiert aufeinander auf und setze auf
Übungsphasen. Das Ergebnis der Psychologen mit der Top-Note für den
Fibel-Ansatz hält sie für „nicht unplausibel“.
Der beteiligte
Bonner Wissenschaftler Tobias Kuhl erläutert zu der Forschungsarbeit: „Wir sind
wertfrei rangegangen.“ Das „Lesen durch Schreiben“ und die
„Rechtschreibwerkstatt“ führten nachweislich zu vielen Fehlern. Ein fest
vorgegebener Ablauf vom Einfachen zum Komplexen habe sich als klar überlegen
erwiesen.
Die mehr als 3000
Kinder wurden Kuhl zufolge zunächst nach ihrer Einschulung auf ihre
Vorkenntnisse getestet. Danach seien fünfmal jeweils halbjährlich Diktate
ausgewertet worden – immer waren Fibel-Kinder die leistungsstärksten. Schüler,
die mit „Lesen durch Schreiben“ unterrichtet wurden, machten am Ende der
vierten Klasse im Schnitt 55 Prozent mehr Rechtschreibfehler,
„Werkstatt“-Schüler sogar 105 Prozent mehr als Fibel-Kinder. Auch Schüler,
deren Muttersprache nicht Deutsch war, profitierten vom Fibel-Ansatz.
McElany zufolge
lässt die Studie allerdings offen, ob es bei der Einschulung schon
unterschiedliche Voraussetzungen bei den Kindern gab und inwieweit diese im
Schulverlauf erhalten blieben. Angesichts der teilweise dramatisch schwachen
Kompetenzen sei eine Methodendebatte wichtig. Orthografie sei Fleißarbeit und
müsse in den ersten Schuljahren geübt werden. „Es ist wie auch das Lesen eine
Kernkompetenz, die Grundschüler lernen müssen. Dafür brauchen sie in den
Schulen und zu Hause den zeitlichen Raum.“
Der Grundschul-Lese-Untersuchung (Iglu) von Ende 2017 zufolge kann jeder
fünfte Zehnjährige in Deutschland nicht so lesen, dass er den Text auch
versteht. Und der bei Viertklässlern erhobene IQB-Bildungstrend 2016 ergab,
dass nur 55 Prozent orthografische Regelstandards erreichen oder übertreffen.
Der Bildungsverband VBE zeigte sich hinsichtlich der neuen Ergebnisse
skeptisch. Grundsätzlich sei es „nicht zielführend“, die Rechtschreibfähigkeit
als einzelnen Aspekt losgelöst von allen anderen Lernprozessen zu untersuchen.
Der Vorsitzende Udo Beckmann meint: „Eine einseitig festgelegte Rückkehr zum
Unterricht mit der Fibel ist keine Lösung.“
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