Seit zwei Jahren müssen die Unterstufenschüler im Stacherholz keine
Hausaufgaben mehr machen. Die Verantwortlichen des Projektes ziehen eine
positive Bilanz. Die Leistungen der Schüler wurden nicht schlechter.
Es geht auch ohne Ufzgi, Thurgauer Zeitung, 31.8. von Lara Jörgl
Als
einzige Schule im Kanton Thurgau gibt das Stacherholz ihren «Unterstüflern»
keine Hausaufgaben mehr auf. Die Initiative kam von den Unterstufenlehrern.
Vor zwei
Jahren ist die Schule durch die Schliessung des Schulhauses Schöntal in eine
unangenehme Lage gekommen. Die Tages- und Hausaufgabenbetreuung verschob sich
in die anderen beiden Schulhäuser, was für viele Schüler und Schülerinnen des
Stacherholz einfach zu weit war. Weil besonders auch die Hausaufgabenhilfe
zuvor rege besucht worden war, befürchtete die Schule, die Kinder mit ihren
Schwierigkeiten alleine zu lassen.
Es musste eine Lösung her
Der
Lehrkörper diskutierte, wie er die Hausaufgaben am besten angleichen könnte, um
die Schüler zu entlasten. Die Lehrerpersonen der Mittelstufe entwickelten
kreative Ansätze. So mussten die Kinder ihren Schulweg ausmessen oder die
Eltern über ihre Arbeit interviewen. Die Unterstufenlehrerinnen wollten die
Aufgaben komplett abschaffen. Dies stiess bei den Eltern teilweise auf
Unverständnis: Sie befürchteten, nicht mehr zu wissen, was ihr Kind in der
Schule macht. Viele Väter und Mütter bezweifelten ausserdem, dass ihr Kind ohne
Hausaufgaben lernen würde, die Zeit richtig einzuteilen und Verantwortung zu
übernehmen.
Marco
Roduner, Schulleiter des Stacherholz, weist diese Sorge entschieden zurück.
«Nach Schulschluss fünf Kästchen auf Seite 43 zu rechnen, ist keine
Selbstverantwortung. Das ist das Abstottern einer Arbeit.» Auch ohne
Hausaufgaben würde die Selbstverantwortung gelehrt werden: Die Kinder müssten
trotzdem ihr Material in der Schule dabei haben und pünktlich sein.
Die Schule liess die Eltern nicht im Dunkeln
Das
Schulhaus informierte den zuständigen Schulinspektor regelmässig über die
Fortschritte. Aber auch die Erziehungsberechtigten wurden auf dem Laufenden
gehalten: Um ihnen zu zeigen, was ihr Nachwuchs in der Schule gemacht hat,
geben die Lehrpersonen jetzt das Mäppchen mit dem Namen «Fenster zur Schule»
mit. Darin befinden sich Arbeiten oder Schultagebücher. Ziel dieses
Pilotprojektes war es, die Eltern zu entlasten, den Lernprozess zu
konzentrieren und ein reflektiertes Lernen zu fördern. Der Schulbehörde war es
ausserdem wichtig, einen aktiven Beitrag zur Chancengleichheit zu leisten.
All diese
Ziele hätten die Schüler und Schülerinnen mühelos erreicht, sagt Roduner.
Sowohl die Kinder als auch die Lehrpersonen und Eltern seien grösstenteils
zufrieden. Die fehlenden Hausaufgaben hätten die Leistungen nicht negativ
beeinträchtigt. Sie haben sich gemäss Roduner sogar nicht bis leicht positiv
verändert. Die Schule verlängerte das Projekt, weil Sorge unter den Eltern
herrschte, dass ihre Kinder möglicherweise Schwierigkeiten mit dem Übertritt
von der dritten in die vierte, also in die «Hausaufgabenklasse», haben könnten.
Wie sich zeigte, waren die Befürchtungen völlig unberechtigt: Der Übertritt
klappte problemlos und bestärkte damit die Haltung der Unterstufenlehrerinnen.
Das Projekt werde nach diesen zwei Jahren mit Begeisterung weitergeführt, sagt
Roduner.
Es ist
noch nicht vorgesehen, das Projekt «Ohne Hausaufgaben nach Hause»
flächendeckend in der Primarschule Arbon umzusetzen. Aber anscheinend sind auch
andere Kantone auf das Konzept aufmerksam geworden. So hat sich eine
Kreisschule in Zürich schon nach einer möglichen Weiterbildung erkundigt.
Schwyz war auch einmal «hausaufgabenfrei»
1994 wurden im Kanton Schwyz sämtliche Hausaufgaben
abgeschafft. Stattdessen wurden die Lehrpersonen dazu aufgefordert, den Stoff
in der Schule durchzunehmen. Dies währte nur kurz: Nach nur drei Jahren wurde
dieses Konzept auf Drängen der Eltern wieder verworfen.
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