Seit zwei
Jahren müssen die Unterstufenschüler im Arboner Stacherholz keine Hausaufgaben
mehr machen. Die Verantwortlichen zogen vergangene Woche eine positive Bilanz:
Die Leistung der Schüler wurde nicht schlechter.
Für Damian Miller, Dozent und Leiter des Fachbereichs Bildungs- und
Sozialwissenschaften an der Pädagogischen Hochschule Thurgau (PHTG), ist dieses
Ergebnis nicht überraschend.
Das "Haus" bei Hausaufgaben wird überflüssig, Thurgauer Zeitung, 5.9.
Damian Miller, was lernen Studierende an der PH
Thurgau über Hausaufgaben?
Entscheidend
ist, dass sie ein Teil des Unterrichts sind. Hausaufgaben unterliegen den
gleichen Qualitätsprinzipien – wie Unterricht ohne eine Lehrperson. Wenn man
also einfach sagt «Macht das zu Hause fertig», stellt sich die Frage, welche
Lerneffizienz das bringt.
Wie sollten Hausaufgaben denn gestaltet sein, damit
sie etwas nützen?
Sie
sollten verständlich, gut nachvollziehbar und ohne Hilfe machbar sein.
Ist das realistisch?
Beim
Können der Schülerinnen und Schüler gibt es eine grosse Bandbreite, deshalb ist
es zumindest schwierig. Es gehört jedoch zur Schule, dass nicht alle die
Aufgaben gleich gut lösen können. Darauf reagieren Lehrpersonen in der Regel
mit individuellen Anpassungen.
Was ist bei Aufgaben nach dem Unterricht noch
wichtig?
Es
entspricht internationalen Erfahrungen, wie zum Beispiel der Hattie-Studie,
dass Hausaufgaben der Schulstufe angepasst sein müssen und didaktisch in den
Unterricht eingebettet sein sollten. Man geht davon aus, dass Hausaufgaben dann
eine mittlere Effektstärke haben. Von daher überrascht mich die Erfahrung im
Stacherholz nicht, dass die Leistungen der Schüler nicht schlechter wurden.
Hat die PH Thurgau das Projekt im Arboner
Stacherholz begleitet?
Dafür
haben wir keinen Auftrag erhalten. Die Schule wurde durch ein im Bildungswesen
tätiges Beratungsunternehmen begleitet. Ich habe mich aber mit dem Schulleiter
Marco Roduner darüber unterhalten.
Was ist bei der Menge an Hausaufgaben zu beachten?
Je älter
die Schüler sind, desto effizienter können sie Hausaufgaben erledigen – solange
sie nicht ewig dran sitzen müssen. Deshalb gilt: Lieber öfter wenig und
intensiv anstatt selten viel und seicht. Ausserdem ist ein schnelles Feedback
auf die gelösten Aufgaben sehr wichtig.
Glauben Sie, dass künftig mehr Schulen auf
Hausaufgaben verzichten werden?
Durch die
Entwicklung neuer Schulstrukturen wie Lernräumen und Tagesstrukturen wird das
«Haus» bei Hausaufgaben nach und nach überflüssig. Es geht um Aufgaben, die das
Lernen unterstützen. Ich glaube, es wird in die Richtung gehen, dass künftig in
mehr Schulen nach dem Unterricht betreut noch Aufgaben gelöst werden. Dazu hat
auch der Schweizer Dachverband der Lehrerinnen und Lehrer schon ein
Positionspapier herausgegeben.
In Arbon haben einige Eltern moniert, dass sie nun
nicht mehr wissen, was ihr Kind in der Schule macht. Was sagen Sie dazu?
Das darf
nicht aneinander gekoppelt werden. Die Kommunikation darüber, was in der Schule
läuft, darf nicht über die Hausaufgaben laufen. Da gibt es andere Formen, um
Transparenz zu schaffen: Elternabende, ein Kontaktheft oder ein Blog auf der
Schulwebsite zum Beispiel. Ausserdem kenne ich viele Kinder, die ihre
Hausaufgaben schnell auf dem Pausenplatz erledigen. Deren Eltern haben auf
diesem Weg also auch keinen Einblick. Heute muss ja sowieso fast jede Prüfung
unterschrieben werden. Über den Leistungsstand ihrer Kinder können die Eltern
also Bescheid wissen.
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