Herr
Schleicher, Ende der Primarzeit werden Genfer Schüler über 1000 Stunden mehr im
Klassenzimmer verbracht haben als Luzerner. Sind Genfer klüger?
Andreas
Schleicher: Nein, Genfer Kinder sind nicht klüger als Luzerner. Das hängt nicht
von der Lektionenzahl ab. In den Vereinigten Arabischen Emiraten sitzen die
Kinder mehr als 60 Stunden pro Woche im Unterricht oder beim Nachhilfelehrer
und das Ergebnis ist miserabel. In Finnland schaffen es die Schüler, bessere
Resultate zu erzielen, und das in der Hälfte der Zeit. Ähnlich sieht es in
Japan aus.
"Genfer Kinder sind nicht klüger als Luzerner", Basellandschaftliche Zeitung, 29.8. von Yannick Nock
Viele Kantone wollen in der Bildung sparen. Sie könnten demnach
einfach Lektionen streichen und das Ergebnis wäre dasselbe.
Wenn die
Unterrichtsqualität verbessert wird, wäre das tatsächlich möglich. Aber das ist
meistens nicht der Fall. Streicht man bloss einige Lektionen und belässt alles,
wie es ist, werden die Noten schlechter.
Wie verbessert man den Unterricht?
Da
spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Man muss sich fragen: Wie gut sind die
Lehrer? Wie oft tauschen sie sich aus? Wird individualisiert gelernt? Werden Kinder
mit Migrationshintergrund genügend gefördert? Auch die Ganztagsschule ist ein
interessanter Ansatz. Jeder Schüler lernt anders, nur ist das nicht in allen
Schulen angekommen. In der Medizin wird jeder individuell behandelt, aber im
Unterricht bekommen alle die gleiche Medizin. Das ist falsch. Auf dieses
Problem müssen wir Antworten finden.
Wird das der Schweiz gelingen?
Die Schweiz
sollte sich in allen Belangen an der internationalen Spitze orientieren. Da ist
sicherlich noch viel Luft nach oben. Was auffällt, ist der Einfluss des
sozialen Hintergrunds auf die Leistung der Schüler. Die Schweiz hat ein Problem
mit der Chancengleichheit. Kinder aus ärmeren Verhältnissen haben oft mehr Mühe
in den Klassen. Den Schulen gelingt es nicht, diesen Nachteil auszugleichen.
Wie reformwillig ist die Schweiz im internationalen Vergleich?
Das liegt an den
einzelnen Kantonen. Die Schweiz zählt sicher nicht zu den Staaten, welche in
den letzten Jahren die meisten Veränderungen vorgenommen haben, trotz des neuen
Lehrplans 21. Dabei sind es die veränderungswilligsten Länder, die ihre
Resultate deutlich verbessern. Das hängt aber nur bedingt mit der
Unterrichtszeit zusammen.
Der 54-jährige Deutsche ist
Direktor der Bildungsabteilung
der OECD – der Organisation
für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung.
Schleicher gilt als
Erfinder der Pisa-Studie,
die vor allem in den 2000erJahren
die Schweizer Schulen
aufrüttelte. Der sogenannte
Pisa-Schock führte zu mehreren
Reformen.
Schleicher verteidigt einmal mehr die Kompetenzorientierung mit dem "selbstgesteuerten", "individualisierten" Lernen vor dem Computer mit Fake News. Wenn Schleicher seine PISA-Resultate anschauen würde, müsste er sehen, dass Finnland seit der Einführung der Kompetenzorientierung bei PISA abstürzt, allein zwischen 2003 und 2012 25 Punkte, ein ganzes Lernjahr! Genauso geht es allen anderen Ländern, die den neoliberalen, unpädagogischen "Ratschlägen" der Wirtschaftsorganisation OECD gefolgt sind.
AntwortenLöschenZum Physiker Andreas Schleicher:
AntwortenLöschenhttps://de.wikipedia.org/wiki/Andreas_Schleicher
Andreas Schleicher (* 7. Juli 1964 in Hamburg) ist ein deutscher Statistiker und Bildungsforscher. Er ist bei der OECD Direktor des Direktorats für Bildung. (…) Schleichers Grundschullehrer stufte ihn 1974 als „ungeeignet fürs Gymnasium“ ein. Sein Vater, ein Professor für Erziehungswissenschaften, sorgte dafür, dass der 10-Jährige dennoch eine höhere Schule besuchen konnte und schickte ihn auf die Waldorfschule in Hamburg-Wandsbek. Er studierte Physik mit Schwerpunkt Methoden in Hamburg. (…) Auch an Schleicher selbst wird harte Kritik geübt. Ihm wird vorgeworfen, in seinen Analysen einseitig und simplifizierend vorzugehen, ohne auf die Eigenheiten des deutschen Bildungssystems einzugehen. Bayerns Kultusminister Siegfried Schneider (CSU) warf Schleicher u. a. vor, bei seiner „gebetsmühlenhaft wiederholten und einseitigen Forderung“ nach mehr Abiturienten und Hochschulabsolventen den Stellenwert der beruflichen Bildung in Deutschland vollkommen zu ignorieren. Wolfram Meyerhöfer sagt: „Standardisierte Tests entprofessionalisieren die Lehrerschaft. Sie müssen die Schüler auf die Tests hin trimmen, statt mit ihnen das Spannungsfeld der Bildung von Autonomie auszuloten ... Ich möchte, dass der Job von Herrn Schleicher abgeschafft wird, da bitte ich ihn doch nicht per Brief, Pisa bildungsnäher zu gestalten. Diese Tests gehören abgeschafft.“[3]