Der
Lehrerverein Baselland (LVB) versteht sich als Gewerkschaft. Da gehört ein
aggressiver Einsatz für die eigenen Mitglieder oft dazu. Zwar darf nicht die
Härte der Tonart über Recht oder Unrecht entscheiden, doch wenn
LVB-Geschäftsführer Michael Weiss dem Kanton knallhart unterstellt, sämtlichen
Lehrern, die eine Mehrjahrgangsklasse führen, über Jahre absichtlich zu wenig
Lohn ausgezahlt zu haben, dann tut Weiss das nur, weil er sich sehr sicher ist.
Den Vorwurf, den er diese Woche zuerst im «SRF Regionaljournal» äusserte,
untermauert er gegenüber der bz: «Man kann es Absicht nennen, ich selbst sage
dem ‹bschisse›.»
Die Absicht kann schwer belegt werden, die zu tiefen
Lohnzahlungen schon: Seit 2005 regelt die Verordnung über Schulvergütungen in
Baselland, dass Primarlehrer, die eine Klasse unterrichten, in der Schüler
verschiedener Jahrgänge zusammengefasst wurden, für den zusätzlichen Aufwand
eine oder zwei Mehrstunden pro Woche vergütet erhalten. Laut Angaben der
Bildungsdirektion (BKSD) gibt es zurzeit 61 solcher Mehrjahrgangsklassen, die
oft von mehreren Lehrern unterrichtet werden.
Lange falsch gerechnet
Die
Beschwerde einer betroffenen Lehrerin beim Regierungsrat brachte den Stein ins
Rollen. Sie monierte, dass seit der für alle Lehrer eingeführten zusätzlichen
Ferienwoche über die Weihnachtstage 2017 ihre Entschädigung für die
Mehrjahrgangsklasse um eine Woche pro Jahr reduziert worden war. Dabei habe ihr
Aufwand zur Vorbereitung einer Lektion doch nichts mit der Anzahl Ferienwochen
zu tun, so die Frau. Nicht nur bekam sie von der Regierung respektive dem
Rechtsdienst der Regierung Recht. Ihr Einzelfall deckte eine seit 13 Jahren
grundlegend falsche Berechnung der Vergütungen durch die BKSD auf.
Bisher
wurden die Entschädigungen nämlich nur für die effektive Unterrichtszeit
gewährt, nicht aber für die Schulferienzeit, also nur für 39 der 52 Wochen im
Jahr – seit neustem mit der zusätzlichen Ferienwoche noch für 38. Das Führen
einer Mehrjahrgangsklasse wurde so gleich behandelt wie eine
Inkonvenienzentschädigung, die bei Nachtarbeit oder Pikettdienst anfällt. «Die
Regierung kommt hingegen zum Schluss, dass die Entschädigung in diesem Fall ein
fester Lohnbestandteil wegen Mehrarbeit sein muss», sagt der Leiter des
Rechtsdienstes, Hans Jakob Speich, zur bz. Es sollen also die ganzen 52 Wochen
und auch der 13. Monatslohn berücksichtigt werden. Damit korrigiert er den Stab
Recht der BKSD, der die alte Formel verteidigt hatte.
13 Jahre oder nichts
nachzahlen?
Das schenkt ein: Die Beschwerdeführerin erhält rückwirkend per
1.1.2018 pro Monat 276 Franken Entschädigung statt 232, also 572 Franken mehr
im Jahr. Da die BKSD bei der Regierung beantragt, die neue Berechnung mit
Wirkung ab dem 1.August für alle Mehrjahrgangsklassen-Lehrer umzusetzen – Weiss
schätzt deren Zahl auf rund 200 –, kommen einige Mehrkosten auf die Gemeinden
als Träger der Primarschulen zu. Die Regierung entscheidet wohl im September.
Wirklich teuer würde es aber erst, wenn die Betroffenen rückwirkend für die
letzten 13 Jahre den Lohn nachbezahlt erhielten. Der LVB bereitet deshalb für
seine betroffenen Mitglieder Beschwerdeschriften vor, um das Geld zumindest für
die vergangenen fünf Jahre zurückzuerhalten. Der Verein stützt sich dabei auf
das Personaldekret, das bei Einreihungen in eine falsche Lohnklasse oder
Erfahrungsstufe diese Rückwirkungsfrist setzt.
Auf Anfrage sieht die BKSD
allerdings gar kein Anrecht auf Rückwirkung. Und auch Speich sagt: «Rein
rechtlich besteht kein Anspruch, da es hier nicht um eine falsche Lohnklasse
geht.» Weiss weiss das. Dennoch bleibt er angriffig: «Die Regierung sollte es
nicht auf einen Prozess ankommen lassen.» Am Ende schlägt allerdings sogar er
sanftere Töne an, wenn er sagt: «Die Regierung könnte die Nachzahlung als Akt
des guten Willens gegenüber der Lehrerschaft begründen.»
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen