18. August 2018

Der Dünkel der aktuellen Bildungspolitik

Neulich ist am Fernsehen einmal mehr der Lehrplan 21 über den grünen Klee gelobt worden, weil er, im Unterschied zum früheren Unterricht, sich nicht einfach auf Wissensabruf beschränke, sondern auf die Fähigkeit ausgerichtet sei, Wissen umzusetzen und anzuwenden. Ich wundere mich nicht nur, ich ärgere mich darüber, wie heutige Erziehungswissenschafter und in ihrem Gefolge auch Bildungspolitiker behaupten können, sie hätten nun etwas umwerfend Neues in der Pädagogik eingeführt, was im Grunde schon seit zweihundert Jahren selbstverständlich zu einer soliden Ausbildung gehört hat, nämlich das Gelernte in täglichen Situationen nutzvoll anwenden zu können. Vorher aber muss man die Grundlagen dafür erarbeiten, üben und dadurch festigen. Aber da sind nun oft dieselben Kreise der Meinung, darauf käme es nicht so sehr an, man brauche ja nichts mehr im Gedächtnis zu behalten, es lasse sich alles über die elektronischen Medien abrufen. Wer erinnert sich schon noch an die fünf formalen Stufen des Lernens nach Herbart, die einer seiner Schüler in folgenden Lernschritten benennt: Vorbereitung mit Angabe des Ziels, Darbietung, Verknüpfung/ Vergleichung, Zusammenfassung und Anwendung! Es versteht sich von selbst, dass diese auseinander hervorgehenden Lernschritte ein hohes Mass an Führung durch die Lehrperson erfordern. Aber auch das wird heute bestritten und durch selbstorganisiertes Lernen ersetzt mit dem Ergebnis, dass am Ende der Schulzeit die elementaren Grundlagen des Rechnens, Lesens und Schreibens im Klassenschnitt sehr zu wünschen übrig lassen, was von Lehrmeistern und Leitern weiterführender Schulen zu Recht beanstandet wird.

Thurgauer Zeitung, 17.8. von Peter Schmid

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen