Severin Hofer vom Künstlerduo
Hoffnung+Kiwi schliesst diesen Sommer die Pädagogische Hochschule Zug ab –
vielleicht. Denn seine Bachelorarbeit, in der er Kritik am Schulsystem übt,
wurde vorerst abgelehnt.
Severin Hofer erhält Gelegenheit, seine Bachelorarbeit zu wiederholen, Bild: Stefan Kaiser
Künftiger Lehrer kritisiert Bildungssystem, Luzerner Zeitung, 13.5. von Wolfgang Meyer
Seit vergangenem Freitag steht Severin Hofers – Künstler und angehender
Lehrer – neues Buch bei Bücher Balmer. In grauen Pappkarton gebunden, enthält
es unter dem Titel «Punkten durch Bildung» einen Essay über Episoden aus Hofers
Schulalltag an der PH Zug, die er bezeichnend findet für eine akute Problemlage
im Bildungssystem: fehlende Sinnhaftigkeit. Er schildert, wie seine Dozenten
von intrinsischer Motivation, divergentem Denken und der Bedeutung von
ausserschulischen Lernorten reden und dabei selber in den immer gleichen Bahnen
fahren.
Hofer zeigt aber auch auf Seiten der Studentenschaft Handlungsbedarf
auf. «Es gibt keine schlechten Dozenten. Es gibt nur Studierende, die nichts
mit sich anzufangen wissen», schreibt er. Es brauche mehr Eigeninitiative, mehr
Feuer für die Vorstellung, etwas auf die Beine zu stellen, um aus dem
ECTS-Punkte jagenden Abarbeiten des Diploms auszubrechen. «Diese Überlegungen
sind nicht ausschliesslich auf die PH Zug gemünzt, sie betreffen unser gesamtes
Bildungssystem. Beim Schreiben dieser Arbeit war ich gedanklich oft bei den
Kindern, die ich unterrichten werde.» Hofer ist in Ausbildung zum
Kindergartenlehrer. Der Essay ist seine Bachelorarbeit. «Für mich steht
authentisches Handeln an oberster Stelle. Von unseren Schülern verlangen wir
Mut zum Versuch und Neugierde für das Unbekannte. Bevor wir das als Lehrer von
Kindern verlangen können, müssen wir das selber als Erwachsene leben.» Vergangenes
Jahr kreierte Hofers Künstlerduo Hoffnung+Kiwi ein eigenes Modul an der PH Zug,
welches ebenfalls den Namen «Punkten durch Bildung» trug.
Ein geschenkter
Punkt
Die Künstler stellten für die Studenten einen kulturellen Stadtrundgang
zusammen, verknüpften den zu erlangenden ECTS-Punkt aber nicht mit der Auflage,
diese Orte zu besuchen. «Der Punkt war geschenkt. Ob man sich nun mit den
Inhalten beschäftigte oder nicht», erzählt Hofer. «Wir wollten bei den
Studenten die Frage nach ihrer persönlichen Motivation für ihr Studium
aufwerfen.» Ein Teil seines Essays beschreibt, ob das geglückt ist.
Die PH Zug zeigte sich interessiert am kritischen Ansatz. Manche seiner
Mitstudenten haben auf Hofers Mut zur Kritik in seiner Arbeit mit
konspirativer Euphorie reagiert. Endlich jemand, der sage, was Sache ist. «Das
ist nicht, was ich mit dieser Arbeit erreichen möchte», erklärt Hofer besorgt.
«Ich möchte einen offenen Dialog zu sinnhafter Bildung ins Laufen bringen,
nicht die Fronten verhärten.» Das Revoluzzer-Kolorit strahlt er wohl auch
deshalb auf seine Mitstudenten aus, weil er mit seiner Arbeit durchgefallen
ist. «Sie war leider weit weg von dem, was wir von einer Bachelorarbeit
erwarten», erläutert Prorektor Clemens Diesbergen.
Kritik stösst auf
Gegenliebe
«Das bedeutet aber nicht, dass wir die Qualität dieser Arbeit nicht
erkennen», ergänzt Diesbergen. «Die Ideen und Fragestellungen im Essay
beschäftigen uns genauso wie Herrn Hofer, und ich erlebe den Austausch mit ihm
als konstruktiv und bereichernd.» Er wünsche sich mehr Studenten wie Hofer. Vom
22. bis 24. Mai lädt der Künstler nun an drei Abenden ins Paettern am Zuger
Bahnhof, um mit verschiedenen Persönlichkeiten über Sinnstiftung im
Bildungssystem zu sprechen. Auch Diesbergen hat die Einladung für den 23. Mai
gerne angenommen. «Ich finde das sehr spannend.» Hofer hingegen meint: «Für die
Art und Weise, wie die Leitung der PH Zug auf meine Kritik reagiert, muss und will
ich ihnen wirklich ein Kränzchen winden. Diese Leute sind für mich
Gesprächspartner, und ich fühle mich von ihnen ernst genommen.» Für seine
Bachelorarbeit erhält er nun die Möglichkeit, im Sommer eine zweite Fassung
einzureichen, welche den Kriterien der Schule entspricht. «In
aussergewöhnlichen Fällen lassen uns die Strukturen dieser Schule genügend
Spielraum, angemessen darauf zu reagieren», so Diesbergen.
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