13. Mai 2018

Student kritisiert Ausbildung

Severin Hofer vom Künstlerduo Hoffnung+Kiwi schliesst diesen Sommer die Pädagogische Hochschule Zug ab – vielleicht. Denn seine Bachelorarbeit, in der er Kritik am Schulsystem übt, wurde vorerst abgelehnt.
Severin Hofer erhält Gelegenheit, seine Bachelorarbeit zu wiederholen, Bild: Stefan Kaiser
Künftiger Lehrer kritisiert Bildungssystem, Luzerner Zeitung, 13.5. von Wolfgang Meyer


Seit vergangenem Freitag steht Severin Hofers – Künstler und angehender Lehrer – neues Buch bei Bücher Balmer. In grauen Pappkarton gebunden, enthält es unter dem Titel «Punkten durch Bildung» einen Essay über Episoden aus Hofers Schulalltag an der PH Zug, die er bezeichnend findet für eine akute Problemlage im Bildungssystem: fehlende Sinnhaftigkeit. Er schildert, wie seine Dozenten von intrinsischer Motivation, divergentem Denken und der Bedeutung von ausserschulischen Lernorten reden und dabei selber in den immer gleichen Bahnen fahren.

Hofer zeigt aber auch auf Seiten der Studentenschaft Handlungsbedarf auf. «Es gibt keine schlechten Dozenten. Es gibt nur Studierende, die nichts mit sich anzufangen wissen», schreibt er. Es brauche mehr Eigeninitiative, mehr Feuer für die Vorstellung, etwas auf die Beine zu stellen, um aus dem ECTS-Punkte jagenden Abarbeiten des Diploms auszubrechen. «Diese Überlegungen sind nicht ausschliesslich auf die PH Zug gemünzt, sie betreffen unser gesamtes Bildungssystem. Beim Schreiben dieser Arbeit war ich gedanklich oft bei den Kindern, die ich unterrichten werde.» Hofer ist in Ausbildung zum Kindergartenlehrer. Der Essay ist seine Bachelorarbeit. «Für mich steht authentisches Handeln an oberster Stelle. Von unseren Schülern verlangen wir Mut zum Versuch und Neugierde für das Unbekannte. Bevor wir das als Lehrer von Kindern verlangen können, müssen wir das selber als Erwachsene leben.» Ver­gangenes Jahr kreierte Hofers Künstlerduo Hoffnung+Kiwi ein eigenes Modul an der PH Zug, welches ebenfalls den Namen «Punkten durch Bildung» trug.

Ein geschenkter Punkt
Die Künstler stellten für die Studenten einen kulturellen Stadtrundgang zusammen, verknüpften den zu erlangenden ECTS-Punkt aber nicht mit der Auflage, diese Orte zu besuchen. «Der Punkt war geschenkt. Ob man sich nun mit den Inhalten beschäftigte oder nicht», erzählt Hofer. «Wir wollten bei den Studenten die Frage nach ihrer persönlichen Motivation für ihr Studium aufwerfen.» Ein Teil seines Essays beschreibt, ob das geglückt ist.

Die PH Zug zeigte sich interessiert am kritischen Ansatz. Manche seiner Mitstudenten ­haben auf Hofers Mut zur Kritik in seiner Arbeit mit konspirativer Euphorie reagiert. Endlich jemand, der sage, was Sache ist. «Das ist nicht, was ich mit dieser Arbeit erreichen möchte», erklärt Hofer besorgt. «Ich möchte einen offenen Dialog zu sinnhafter Bildung ins Laufen bringen, nicht die Fronten verhärten.» Das Revoluzzer-Kolorit strahlt er wohl auch deshalb auf seine Mitstudenten aus, weil er mit seiner ­Arbeit durchgefallen ist. «Sie war leider weit weg von dem, was wir von einer Bachelorarbeit erwarten», erläutert Prorektor Clemens Diesbergen.

Kritik stösst auf Gegenliebe
«Das bedeutet aber nicht, dass wir die Qualität dieser Arbeit nicht erkennen», ergänzt Diesbergen. «Die Ideen und Fragestellungen im Essay beschäftigen uns genauso wie Herrn Hofer, und ich erlebe den Austausch mit ihm als konstruktiv und bereichernd.» Er wünsche sich mehr Studenten wie Hofer. Vom 22. bis 24. Mai lädt der Künstler nun an drei Abenden ins Paettern am ­Zuger Bahnhof, um mit verschiedenen Persönlichkeiten über Sinnstiftung im Bildungssystem zu sprechen. Auch Diesbergen hat die Einladung für den 23. Mai gerne angenommen. «Ich finde das sehr spannend.» Hofer hingegen meint: «Für die Art und Weise, wie die Leitung der PH Zug auf meine Kritik reagiert, muss und will ich ihnen wirklich ein Kränzchen winden. Diese Leute sind für mich Gesprächspartner, und ich fühle mich von ihnen ernst genommen.» Für seine Bachelorarbeit erhält er nun die Möglichkeit, im Sommer eine zweite Fassung einzureichen, welche den Kriterien der Schule entspricht. «In aussergewöhnlichen Fällen lassen uns die Strukturen dieser Schule genügend Spielraum, angemessen darauf zu reagieren», so Diesbergen.


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