Werden
hochbegabte Kinder im Kanton Solothurn zu wenig gefördert? Darüber diskutiert
heute Dienstag auch der Kantonsrat.
Werden hochbegabte Schüler zu wenig gefördert? - Klar ist: "Die Lektionen sind knapp", Solothurner Zeitung, 8.5. von Lucien Fluri
Das Potenzial der
Betroffenen wird aus Scheuermeyers Erfahrung zu wenig gefördert, wie er auch
aufgrund von Erfahrungen in seinem privaten Umfeld weiss. So könne
es sein, dass Lehrkräfte überfordert sind oder zu wenig geförderte, hochbegabte
Kinder im Schulalltag verhaltensauffällig werden, weil sie unterfordert sind.
Braucht es also mehr Förderung?
Dagmar Rösler, Präsidentin des Solothurner Lehrerinnen-
und Lehrerverbandes LSO, ist überzeugt, dass in Solothurner Schulzimmern
durchaus das Wissen vorhanden ist, um begabten und hochbegabten Kindern gerecht
zu werden. «Der Grossteil der Lehrer macht, was von Ressourcen und Kapazitäten
her möglich ist», so Rösler, auch wenn vielleicht tatsächlich «nicht an jeder
Schule das gemacht wird, was man tun könnte.»
Man versuche jedoch, jedem Kind gerecht zu werden, von den Schwachen bis zu den ganz guten
Schülern. «Starke Kinder sind für uns Lehrer nicht beängstigend.» Ein Augenmerk
liege bei der speziellen Förderung sicher auf den schwächeren Kindern. «Das
heisst aber nicht, dass für Begabte nichts gemacht wird.»
Rösler erwähnt neben verschiedenen Projekten einzelner Gemeinden die Möglichkeit komplexer
Zusatzaufgaben in den Lehrbüchern ebenso wie individuelle Aufgaben im
Unterricht. Die LSO-Präsidentin warnt deshalb davor, das Problem aufzubauschen.
Schlechte Schulerfahrungen in Einzelfällen dürfe man nicht verallgemeinern.
Zu knappe Lektionenzahl
20 bis 27 Lektionen pro 100 Kinder und auf Kindergarten- und Primarstufe finanziert der
Kanton in der speziellen Förderung. Die Kritik von Experten: Viele dieser
Stunden würden für schwächere Kinder genutzt. Die Förderung Hochbegabter werde
aufgrund der knappen Ressourcen eher für leistungsschwächere Schüler genutzt.
«Um jedem Kind genau das zu bieten, was es braucht, sind 27 Lektionen zu
knapp», sagt auch Rösler.
Klar ist für die höchste Solothurner Lehrerin: Bei den schwächeren Schülern darf nicht gespart
werden. «Sprecht uns, wenn schon, zusätzliche Lektionen oder akzeptiert
einfach, dass begrenzte Ressourcen auch begrenzte Möglichkeiten vor Ort
bedeuten.» Mit zusätzlichen Lektionen könnten Schulen Projekte fördern, von
denen gerade auch Hochbegabte profitieren. Rösler denkt an Forschungsprojekte,
die das vernetze Denken fördern.
Beat A. Schwendimann ist Leiter der Pädagogischen Arbeitsstelle beim Dachverband
Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) und hat mehrere Jahre im Bereich der
Begabungs- und Begabtenförderung gearbeitet. Er sagt: «Begabtenförderung ist
nicht optional. Sie ist Teil des Ansatzes, alle zu fördern, nach oben und nach
unten.» Wer Begabtenförderung als Luxus abtue, unterliege einem
Missverständnis.
Begabung heisst nicht, dass man sie ohne Unterstützung in Leistung umsetzen kann. Nur wenn
gewisse Faktoren vorhanden sind, können Schüler ihr Potenzial in Leistung umsetzen.»
Es brauche ein Umfeld, wo man besondere Begabungen auch zeigen dürfe. Je nach
Kanton sei die Begabtenförderung aber mehr oder weniger ausgeprägt, je nach
Lehrperson sei mehr oder weniger Wissen vorhanden. «Damit wird die
Chancengerechtigkeit eingeschränkt.»
Defizite sieht Schwendimann beim Erkennen hochbegabter Kinder. «Es gibt keine einheitliche
Vorgehensweise. Eine systematische Schulung der Lehrpersonen, um selbst
Beobachtungen zu machen, wäre nötig.» Vorstellen kann sich Schwendimann dies
etwa im Rahmen von Weiterbildungen für Lehrpersonen.
Nach ersten Beobachtungen sollte eine umfassende Abklärung des Begabungspotenzials
durchgeführt werden. Nächster Punkt wären für ihn Förderprogramme in der
Regelklasse. «Es ist wichtig, dass man die Kinder nicht stigmatisiert. Nimmt
man sie aus dem Klassenverband, kann dies passieren.» Aber kein Kind wolle «als
speziell abgestempelt werden».
"Die Diagnose ist oft nicht einfach. Es gibt keinen direkten Zusammenhang zwischen der Note und
einem hohen Begabungspotenzial», widerlegt Schwendimann ein Klischee.
Einerseits könne ein hohes Begabungspotenzial auch mit einem
Aufmerksamkeitsdefizit verbunden sein, andererseits könnten unterforderte
Kinder zu Minderleistern werden.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen