Die Vorteile eines schlanken und erst noch günstigen Tagesschulmodells,
wie es die Stadt Zürich bald einem Drittel der Schulkinder bereitstellen will,
sind unbestritten. Tagesschulen wirken sich positiv auf Organisation und
Zusammenhalt an den Schulen aus, fördern die Gleichstellung und kurbeln durch
bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf die Volkswirtschaft an. Wer dazu
ein Nein in die Urne legt, verschliesst die Augen vor sämtlichen
gesellschaftlichen Veränderungen der letzten 50 Jahre. Es ist bezeichnend, dass
nicht einmal die SVP als einzige Gegnerin des Projekts unter den Stadtzürcher
Parlamentsparteien den generellen gesellschaftlichen Bedarf an Tagesschulen
negiert.
Die Zeit ist reif für die Tagesschule, NZZ, 12.5. von Lena Schenkel
Wer behauptet, dass das neue Tagesschulmodell familienfeindlich sei,
irrt: Es ist davon auszugehen, dass viele Eltern sogar mehr Zeit für ihre
Kinder haben werden. Zum einen ist durch die verkürzte Mittagspause früher
Schulschluss, zum andern gehen neu alle Kinder einer Familie an denselben Tagen
nachmittags zur Schule und sind entsprechend öfter gemeinsam zu Hause. Die
bisherigen Erfahrungen der jetzigen Pilotschulen zeigen, dass die Nachfrage an
zusätzlicher ausserschulischer Betreuung eher sinkt. Wer diese trotzdem in
Anspruch nehmen will oder muss, spart gegenüber dem Betreuungsangebot in der
heutigen Form. Das neue Modell ist damit in mehrfacher Hinsicht
familienfreundlich.
Es ist das Ergebnis eines breiten politischen Kompromisses, zu dem alle
beigetragen haben: Die Linke ist zurückgerudert, was die kostenlose oder
einkommensabgestufte Verpflegung und tatsächlich ganztägige Betreuung betrifft.
Die Bürgerlichen gaben nach, als es darum ging, nach Unterrichtsende zumindest
optional Aufgabenhilfe an den Schulen anzubieten.
Natürlich lohnt es sich, jetzt, da die Schulstrukturen neu aufgegleist
werden, genauer hinzuschauen und zu prüfen, wie man die Betreuungszeit in der
Tagesschule auch pädagogisch nutzen könnte. Wenn damit Kinder aus sozioökonomisch
schlechteren Verhältnissen gefördert werden, ist dies selbstverständlich
begrüssenswert. Das geschieht allerdings bereits beim gemeinsamen Mittagessen:
Kinder aus allen Schichten und Kulturen verbringen wertvolle Zeit miteinander
und rücken näher zusammen. In der freiwilligen Aufgabenhilfe nach Schulschluss
erhalten Schüler zudem auf fachlicher Ebene zusätzliche Unterstützung.
Wenn Private oder gemeinnützige Organisationen darüber hinaus Programme
mit pädagogischem Mehrwert anbieten möchten, sollen sie dies tun können. Solche
Angebote sollten jedoch nicht zu einem fixen Bestandteil des Tagesschulmodells
werden. Dann nämlich würden jene Eltern benachteiligt, die ihre Kinder
grundsätzlich selbst betreuen und fördern möchten – im Familienverbund. Selbst
eine Abmeldemöglichkeit griffe da zu wenig weit. Bereits jetzt besteht ein
gewisser sozialer Druck, die Kinder am Mittagessen mit ihren Kameraden
teilhaben zu lassen und nicht von der Tagesschule abzumelden.
Die Verzahnung von formaler Bildung und informellem Lernen in der
Tagesschule stellt die traditionelle Aufgabenverteilung zwischen Staat und
Eltern ohnehin bereits bis zu einem gewissen Grad infrage. Die
Erziehungsfreiheit der Eltern ist ein hohes Gut. Wenn die Volksschule darin zu
stark und umfassend eingriffe, wäre es tatsächlich nicht mehr weit zur
«Staatsschule à la DDR», wie die SVP «die Tagesschule ohne Wahlfreiheit» nennt.
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
AntwortenLöschenich fühle mich nicht von gestern nur weil ich mit meinen Kindern Mittagspause machen möchte ich fühle mich aber meiner Freiheit beraubt weil in Zürich mit dem sogenannt "Freiwilligen" Pilot ein Zeitdruck (80Minuten Mittagspause) besteht der es praktisch unmöglich macht die Wahlfreiheit zu leben.
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