Wie gehen wir mit politischen Entscheiden um, die uns nicht passen? Der
in einer Demokratie hierfür vorgesehene Weg besteht darin, die Politikerinnen
und Politiker, welche solche Entscheide treffen, nicht wiederzuwählen und
stattdessen anderen seine Stimme zu geben. Abstimmungen über neue Gesetze sowie
Initiativen bieten uns weitere Möglichkeiten, Einfluss auf die Politik zu
nehmen.
Den Bildungsrat nicht abschaffen, Basler Zeitung, 7.5. von Michael Weiss
Der basel-landschaftliche Bildungsrat, über dessen Abschaffung (oder
«politisch korrekt»: Ersatz durch einen «Beirat Bildung» ohne
Entscheidungskompetenzen) am 10. Juni abgestimmt wird, hat in jüngster Zeit
einige Entscheide getroffen, die verschiedenen politischen Exponenten sowie
Teilen der Stimmbevölkerung und der Lehrerschaft nicht gepasst haben. Genannt
seien die geplante Einführung von Sammelfächern auf der Sekundarstufe sowie das
weitere Vorgehen des Bildungsrats nach deren Ablehnung in einer Volksabstimmung.
Übel genommen wurde dem Bildungsrat mancherorts auch bereits der Umstand, dass
er sich überhaupt auf den Lehrplan 21 eingelassen hatte. Diese kritisierten
Entscheide hat der Bildungsrat jedoch nicht, wie mancherorts behauptet wird, im
stillen Kämmerlein und ohne Blick über das eigene Sitzungszimmer hinaus
gefällt. Vielmehr hatten unter anderem die beiden Wirtschaftsverbände – die
Handelskammer beider Basel und die Wirtschaftskammer Baselland –, die im
Bildungsrat mit je einem Sitz vertreten sind, sich als Interessenvertreter der
Lehrbetriebe entsprechend positioniert, und eine Mehrheit der übrigen
Bildungsratsmitglieder folgte dieser Position. Es entbehrt daher nicht einer
gewissen Ironie, dass ausgerechnet jene Parteien, die sich als besonders wirtschaftsnah
deklarieren, sich nun als prononcierte Kritiker dieser Positionen hervortun und
damit indirekt auch den Einfluss der Wirtschaftsverbände auf die
Bildungspolitik torpedieren.
Das bedeutet nicht, dass dem Bildungsrat keine Fehleinschätzungen unterlaufen
wären. Aber zwei Volksinitiativen, von denen eine nicht einmal zur Abstimmung
gelangte, haben dazu geführt, dass der Bildungsrat die genannten Entscheide
korrigieren musste. Hier hat die Demokratie also gespielt – die
Stimmbevölkerung steht sowohl über dem Bildungsrat als auch über den Interessen
der Wirtschaftsverbände, und so soll es auch sein.
Nicht gespielt hat die Demokratie hingegen anlässlich der
Erneuerungswahl des Bildungsrats im Januar 2018 durch den Landrat. Das liegt
aber nicht am Wahlverfahren, denn dieses ist nicht weniger demokratisch als
etwa die Wahl des Bundesrats durch die vereinigte Bundesversammlung. Doch der
dem Bildungsrat gegenüber so kritisch eingestellte Landrat hat es einmal mehr
verpasst, die damit verbundene Verantwortung wahrzunehmen: Nie wurden die von
den Anspruchsgruppen für den Bildungsrat vorgeschlagenen Personen zu Hearings
eingeladen, anhand derer die Landratsmitglieder hätten feststellen können, wen
sie für geeignete Bildungsratsmitglieder halten. Stattdessen wählte der Landrat
den gesamten Bildungsrat in globo in stiller Wahl. Offenbar findet es eine
Landratsmehrheit bequemer, den Bildungsrat einfach abzuschaffen, als sich darum
zu bemühen, ihn mit Personen zu besetzen, die sie für befähigt hält. Trotz des
Vorschlagsrechts der verschiedenen Anspruchsgruppen wäre dies aber nicht nur
machbar gewesen, sondern hätte geradezu verpflichtend geschehen müssen.
Abschaffung ist undemokratisch
Von was für einem Demokratieverständnis zeugt dieses Verhalten? Auch
Landrat und Regierung treffen immer wieder Entscheide, die von Mehrheiten der
Stimmbevölkerung für falsch befunden und entsprechend korrigiert werden. Absurd
und undenkbar wäre es jedoch, deswegen die Abschaffung des Landrats oder der
Regierung zu verlangen. Ein solches Begehren würde zu Recht als Aufruf zum
Umsturz aufgefasst. Die Abschaffung des Bildungsrats, dessen Entstehung wir
übrigens ausgerechnet den liberalen Kräften zu verdanken haben, deren heutige
Exponenten ihn gering schätzen, ist auf dieselbe Weise undemokratisch. Und sie
würde der Bildungsdirektion eine Machtkonzentration verschaffen, wie wir sie
überall in der schweizerischen Politik aus guten Gründen zu vermeiden suchen.
Bildung ist zu wichtig, als dass man sie noch stärker als heute
parteipolitischen Machtkämpfen aussetzen sollte. Und gerade weil
Bildungspolitik sach- und nicht parteipolitisch geprägt sein soll, braucht es
einen Bildungsrat, der, ohne permanent im Fokus der Öffentlichkeit zu stehen,
langfristig und sachbezogen über wesentliche Bildungsfragen berät und
entscheidet.
Michael Weiss ist Geschäftsführer des Lehrerinnen- und Lehrervereins
Baselland und vertritt diesen seit 2014 im Bildungsrat.
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