7. Mai 2018

Den Bildungsrat nicht abschaffen

Wie gehen wir mit politischen Entscheiden um, die uns nicht passen? Der in einer Demokratie hierfür vorgesehene Weg besteht darin, die Politikerinnen und Politiker, welche solche Entscheide treffen, nicht wiederzuwählen und stattdessen anderen seine Stimme zu geben. Abstimmungen über neue Gesetze sowie Initiativen bieten uns weitere Möglichkeiten, Einfluss auf die Politik zu nehmen.
Den Bildungsrat nicht abschaffen, Basler Zeitung, 7.5. von Michael Weiss


Der basel-landschaftliche Bildungsrat, über dessen Abschaffung (oder «politisch korrekt»: Ersatz durch einen «Beirat Bildung» ohne Entscheidungskompetenzen) am 10. Juni abgestimmt wird, hat in jüngster Zeit einige Entscheide getroffen, die verschiedenen politischen Exponenten sowie Teilen der Stimmbevölkerung und der Lehrerschaft nicht gepasst haben. Genannt seien die geplante Einführung von Sammelfächern auf der Sekundarstufe sowie das weitere Vorgehen des Bildungsrats nach deren Ablehnung in einer Volksabstimmung. Übel genommen wurde dem Bildungsrat mancherorts auch bereits der Umstand, dass er sich überhaupt auf den Lehrplan 21 eingelassen hatte. Diese kritisierten Entscheide hat der Bildungsrat jedoch nicht, wie mancherorts behauptet wird, im stillen Kämmerlein und ohne Blick über das eigene Sitzungszimmer hinaus gefällt. Vielmehr hatten unter anderem die beiden Wirtschaftsverbände – die Handelskammer beider Basel und die Wirtschaftskammer Baselland –, die im Bildungsrat mit je einem Sitz vertreten sind, sich als Interessenvertreter der Lehrbetriebe entsprechend positioniert, und eine Mehrheit der übrigen Bildungsratsmitglieder folgte dieser Position. Es entbehrt daher nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet jene Parteien, die sich als besonders wirtschaftsnah deklarieren, sich nun als prononcierte Kritiker dieser Positionen hervortun und damit indirekt auch den Einfluss der Wirtschaftsverbände auf die Bildungspolitik torpedieren.

Das bedeutet nicht, dass dem Bildungsrat keine Fehleinschätzungen unterlaufen wären. Aber zwei Volksinitiativen, von denen eine nicht einmal zur Abstimmung gelangte, haben dazu geführt, dass der Bildungsrat die genannten Entscheide korrigieren musste. Hier hat die Demokratie also gespielt – die Stimmbevölkerung steht sowohl über dem Bildungsrat als auch über den Interessen der Wirtschaftsverbände, und so soll es auch sein.

Nicht gespielt hat die Demokratie hingegen anlässlich der Erneuerungswahl des Bildungsrats im Januar 2018 durch den Landrat. Das liegt aber nicht am Wahlverfahren, denn dieses ist nicht weniger demokratisch als etwa die Wahl des Bundesrats durch die vereinigte Bundesversammlung. Doch der dem Bildungsrat gegenüber so kritisch eingestellte Landrat hat es einmal mehr verpasst, die damit verbundene Verantwortung wahrzunehmen: Nie wurden die von den Anspruchsgruppen für den Bildungsrat vorgeschlagenen Personen zu Hearings eingeladen, anhand derer die Landratsmitglieder hätten feststellen können, wen sie für geeignete Bildungsratsmitglieder halten. Stattdessen wählte der Landrat den gesamten Bildungsrat in globo in stiller Wahl. Offenbar findet es eine Landratsmehrheit bequemer, den Bildungsrat einfach abzuschaffen, als sich darum zu bemühen, ihn mit Personen zu besetzen, die sie für befähigt hält. Trotz des Vorschlagsrechts der verschiedenen Anspruchsgruppen wäre dies aber nicht nur machbar gewesen, sondern hätte geradezu verpflichtend geschehen müssen.

Abschaffung ist undemokratisch
Von was für einem Demokratieverständnis zeugt dieses Verhalten? Auch Landrat und Regierung treffen immer wieder Entscheide, die von Mehrheiten der Stimmbevölkerung für falsch befunden und entsprechend korrigiert werden. Absurd und undenkbar wäre es jedoch, deswegen die Abschaffung des Landrats oder der Regierung zu verlangen. Ein solches Begehren würde zu Recht als Aufruf zum Umsturz aufgefasst. Die Abschaffung des Bildungsrats, dessen Entstehung wir übrigens ausgerechnet den liberalen Kräften zu verdanken haben, deren heutige Exponenten ihn gering schätzen, ist auf dieselbe Weise undemokratisch. Und sie würde der Bildungsdirektion eine Machtkonzentration verschaffen, wie wir sie überall in der schweizerischen Politik aus guten Gründen zu vermeiden suchen.
Bildung ist zu wichtig, als dass man sie noch stärker als heute parteipolitischen Machtkämpfen aussetzen sollte. Und gerade weil Bildungspolitik sach- und nicht parteipolitisch geprägt sein soll, braucht es einen Bildungsrat, der, ohne permanent im Fokus der Öffentlichkeit zu stehen, langfristig und sachbezogen über wesentliche Bildungsfragen berät und entscheidet.

Michael Weiss ist Geschäftsführer des Lehrerinnen- und Lehrervereins Baselland und vertritt diesen seit 2014 im Bildungsrat.


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