Digitale
Medien werden für den Unterricht immer wichtiger. Im Zuge des Lehrplans 21
lernen schon Primarschüler den Umgang mit Computer oder Tablets. Entsprechend
müssen die Schulen aufrüsten. Und die Eltern unter Umständen bezahlen.
"Wir können nicht jedem Schüler ein iPad kaufen", Blick, 10.4. von Helena Schmid
Stadt Zürich schenkt jedem Schüler ein Tablet, Blick, 12.4.
Stadt Zürich schenkt jedem Schüler ein Tablet, Blick, 12.4.
Das
Schweizer Klassenzimmer wird digital – und das kostet. Immer mehr Schulen
setzen voraus, dass die Schüler für den Unterricht ein Tablet oder Notebook
mitbringen. Gerade für Familien, die nicht im Geld schwimmen, ein grosses
Problem. «Für viele Eltern ist diese Technik keine Selbstverständlichkeit,
sondern eine Grossinvestition», warnt Monika Stampfli, Präsidentin der
Winterhilfe Schweiz.
Allein in
Basel erhält die Winterhilfe jährlich 20 Anfragen von armen Familien für solche
digitalen Geräte. Auch die Standorte in Zürich und St.
Gallen werden regelmässig um Unterstützung gebeten.
Eltern stehen unter sozialem Druck
Tablets
oder Laptops werden teils bereits an der Volksschule vorausgesetzt. In der
Projektschule Goldau SZ etwa ab der fünften Primarklasse. «Bring your own
device» heisst das Konzept, das derzeit noch hauptsächlich von Kantonsschulen
umgesetzt wird.
Wer in
Goldau kein eigenes Gerät besitzt, arbeitet mit einem schuleigenen Tablet. Der
Haken: Die Geräte der Schule dürfen nicht mit nach Hause genommen werden. Die
Hausaufgaben müssen diejenigen Schüler also im Klassenzimmer lösen – auch nach
Schulschluss.
Kinder
und Eltern werden so einem sozialen Druck ausgesetzt. Das bestätigt Beat
Döbeli, Projektleiter der Schule in Goldau. «Diesen Anschaffungsdruck hat man
aber auch bei Markenkleidung und anderswo», sagt Döbeli. Klar ist: Mit «Bring
your own device» kann die Projektschule Goldau wichtige Kosten einsparen. 75
bis 90 Prozent der Schüler besitzen nämlich ein eigenes Gerät.
Unentgeltlichkeit gilt für Arme und Reiche
Die
Sekundarschule Flade in St. Gallen geht noch einen Schritt weiter. Für den
digitalisierten Unterricht muss jeder Schüler ein eigenes iPad mitbringen.
Die Hälfte der Gerätskosten übernimmt die Schule, den Rest müssen die Eltern
bezahlen. «Wir können es uns nicht leisten, jedem Schüler ein iPad zu kaufen»,
sagt Markus Benz, Lehrer an der Flade.
Eltern
könnten sich zwar um finanzielle Unterstützung bewerben, Rechtsexperte
Benjamin Schindler findet das Konzept dennoch heikel: «Die
Grundausbildung muss unentgeltlich sein. Das gilt für alle, egal ob arm oder
reich.»
«Kosten dürfen nicht auf Eltern abgewälzt werden»
Dem
stimmt auch Marion Heidelberger (50), Lehrerin und Vize-Präsidentin des
Lehrer-Dachverbandes, zu. «Die Kosten dürfen nicht auf die Eltern abgewälzt
werden. Auch wenn die Schule durch die Digitalisierung finanziell
herausgefordert wird», so die Vize-Präsidentin. «Bring your own device» hat
laut Heidelberger daher an Volksschulen keine Zukunft.
Es bleibt
die Frage, wer dann diese anfallenden Kosten übernehmen soll. Klar ist: Mit dem
Lehrplan 21 braucht wohl jeder Schüler bald ein Tablet oder Computer – schon in
der Primarschule. In der Stadt
Zürich startet der Einsatz in der fünften Klasse bereits
nächstes Schuljahr.
Schule soll Geräte stellen
Für den
Lehrerverband gibt es nur eine vertretbare Lösung. «Die Schule muss den
Schülern die nötigen Geräte zur Verfügung stellen», sagt Marion Heidelberger,
«momentan ist das wegen des Spardrucks schwierig schweizweit umzusetzen.»
In allen
Kantonen entscheidet die jeweilige Gemeinde über das Budget der Schule. Bisher
hat der Bund keinen Minimalbetrag festgelegt. Das erklärt, warum Schulen das
Thema Digitalisierung ganz unterschiedlich anpacken. Und entsprechend auch
unterschiedlich weit sind.
Marion
Heidelberger mahnt: «In der Bildung müssen alle Kinder gleiche Chancen haben.
Weder Wohnort noch Reichtum dürfen auf diesen Grundsatz Einfluss nehmen. Auch
nicht in Zukunft.»
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