An der
Kantonsschule Romanshorn müssen die Schülerinnen und Schüler ab nächstem August
ganz bestimmte Kleincomputer in den Unterricht mitbringen. Es geht um
sogenannte 2-in-1-Hybridgeräte. Bezahlen müssen das die Schülerinnen und
Schüler respektive deren Eltern selber. Byod – «Bring your own device», also
«Nimm dein Gerät selber mit» – heisst diese Strategie. Das macht nicht nur die
Kantonsschule Romanshorn so: In der Kantonsschule Frauenfeld müssen die Schüler
seit einigen Jahren eigene Tablets mitnehmen. Auch in den Gymnasien im Kanton
St.Gallen arbeiten die Jugendlichen in der Schule vielenorts mit Geräten, die
sie von zu Hause mitgebracht haben. Klar ist: Wenn die Schülerinnen und Schüler
eigene Geräte in der Schule verwenden, so ersparen sich die Schulträger Kosten.
Tablet-Zwang an Ostschweizer Schulen weicht kostenlose Schule auf, St. Galler Tagblatt, 23.4. von Carlo Schuler
Bloss: Die
Bundesverfassung garantiert ausdrücklich die Kostenlosigkeit des
Grundschulunterrichtes. Das hat das Bundesgericht Ende 2017 im Falle des
landesweit bekannten «Thurgauer Entscheids» nochmals klar festgehalten. Da
stellt sich die Frage, ob Byod im Bereich der Untergymnasien zulässig ist.
Immerhin müssen bei Byod die Schüler respektive deren Eltern die Geräte selber
berappen. Das Bundesgericht stellt sich auf den Standpunkt, dass der Unterricht
an Untergymnasien nicht zum «Grundschulunterricht» gehöre. Deshalb bestehe kein
Anspruch auf Kostenlosigkeit des Unterrichtes. Dies aber ist in der
juristischen Lehre nicht unumstritten. Vor diesem Hintergrund ist es jedenfalls
nicht völlig ausgeschlossen, dass das Bundesgericht dies eines Tages anders
sehen könnte. Stefan Schneider, Rektor der Kantonsschule Romanshorn, sagt, dass
es an seiner Schule in Sachen Byod bisher keine negativen Rückmeldungen gegeben
habe. «Zudem haben wir für einkommensschwache Eltern einen Fonds, den wir
grosszügig einsetzen.» Hinzu komme, dass die Schülerinnen und Schüler ab der 2.
Klasse stipendienberechtigt seien.
Pascale Chenevard, Prorektorin der Kantonsschule
Frauenfeld, verweist darauf, dass es sich bei einem Gymnasium um ein
nichtobligatorisches Schulangebot handle. Dieses sei nicht kostenfrei. Tina
Cassidy vom Amt für Mittelschulen des Kantons St. Gallen hält fest, dass der
Kanton St.Gallen grundsätzlich der Ansicht des Bundesgerichts folge. Für St.
Gallen sei im Bereich der Mittelschulen deshalb nicht das Alter der
Jugendlichen massgebend, sondern vielmehr der Schultyp. Sobald ein Schüler die
Volksschule verlasse und ein freiwilliges Angebot wie das Gymnasium besuche,
sei es legitim, dass für gewisse Kosten die Erziehungsberechtigten aufkommen
müssten.
Byod gibt es vereinzelt auch in der Volksschule
Völlig klar ist die Ausgangslage hingegen bei den Volksschulen. Zum Grundschul-unterricht
gehören dort selbstverständlich die Primarschuljahre und insbesondere auch drei
Jahre auf der Sekundarstufe 1. Da stellt sich die Frage, wie es die
Volksschulen in den Kantonen Thurgau und St. Gallen mit Byod halten. Die
Schulgemeinden im Thurgau seien selbstständige Körperschaften, erklärt Beat
Brüllmann vom Amt für Volksschule des Kantons Thurgau. Entsprechend seien die
Gemeinden sehr autonom unterwegs. Eine Nachfrage ergibt, dass auf der
Mittelstufe von Amriswil-Hefenhofen-Sommeri das Byod-Prinzip angewendet wird.
Laut Markus Bertet, Informatikverantwortlicher der dortigen Schulgemeinde,
setzt man aus zwei Gründen auf Byod: «Erstens werden vorhandene Geräte genutzt
und zweitens lernen die Schülerinnen und Schüler den Umgang mit den digitalen
Geräten. Diejenigen, die kein eigenes Gerät mitbringen, würden eines von der
Schule erhalten.
Ähnlich wie im Thurgau tönt es beim Kanton St.Gallen. Für die Infrastruktur vor Ort seien
die lokalen Schulträger verantwortlich, erklärt Alexander Kummer vom St.Galler
Amt für Volksschule. Der Kanton habe deshalb keine Übersicht, wer allenfalls
ein Byod-Modell umsetze. Sicher setzt die Gemeinde Eichberg in der 5. und 6.
Klasse auf Byod. Dies sei auch in diesem Schuljahr der Fall, erklärt
Schulleiter Roland Bösch. Gut möglich, dass Byod in Zusammenhang mit dem
Lehrplan 21 noch vermehrt ein Thema werden könnte.
Verpflichtung für Kauf besteht sicher nicht
Auf der Stufe Volksschule ist aber selbstredend klar, dass der Unterricht kostenfrei sein muss. Man könne deshalb von den Eltern nicht verlangen, dass sie ihren Kindern für den Unterricht selber ein Digitalgerät kaufen müssen, sagt denn auch Alexander Kummer. Nun ist es bei Schulen mit Byod-Modell aber oft so, dass jenen Schülern, die kein eigenes Gerät mitbringen, eines zur Verfügung gestellt wird. Ob dieser Ausweg genügt, kann in Frage gestellt werden. Nicht von der Hand zu weisen ist nämlich die Vermutung, dass sich Eltern im Falle von Byod einem latenten Erneuerungsdruck ausgesetzt sehen können. Eltern wollen für ihre Kinder bekanntlich nur das Beste; das kann auch mal das beste Smartphone oder Tablet sein. Hinzu kommt: Jene Kinder, die kein Gerät mitbringen können, sehen sich beim Byod-Ansatz möglicherweise in eine Aussenseitersituation versetzt.
Benjamin Schindler, Professor für Öffentliches Recht an der Universität St. Gallen, erachtet den Byod-Ansatz als problematisch. Dieser weiche das Prinzip der Kostenlosigkeit der Volksschule subtil auf. Wenn die Devise «Bring your own device» gelte, so werde auf alle Kinder subtil Druck ausgeübt, ein solches Gerät anzuschaffen. Faktisch laufe dies auf eine Anschaffungspflicht hinaus. Schindler betont die Bedeutung des erwähnten Verfassungsgrundsatzes. Eine chancengleiche Ausbildung sei die Basis unseres demokratischen Staatswesens.
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