Beim Vergleich der letzten vier Jahre schaffen es
in einigen Gemeinden des Bezirks Baden immer mehr Primarschüler in die
Bezirksschule. Dabei fallen auch die grossen Unterschiede zwischen den
Wohnorten auf.
Quelle: Statistik Aargau
Grosse Unterschiede: Warum sich der Bezirksschüler-Anteil stark verändert hat, Badener Tagblatt, 21.4. von Pirmin Kramer
Für viele Kinder im Bezirk Baden beginnt nach den
Sommerferien mit dem Übertritt in die Oberstufe ein neuer Lebensabschnitt. Die
neusten Zahlen von Statistik Aargau (Tabelle rechts) zur Übertrittsquote zeigen
erstens: Der Bez-Schüler-Anteil in einzelnen Gemeinden hat sich in den letzten
Jahren teilweise stark verändert.
Zweitens: In den vergangenen vier Jahren – also
seit der Umstellung von fünf auf sechs Jahre Primarschule – hat sich die Quote
nur leicht (von 44,7 auf 46,7 Prozent) verändert, was den Schluss zulässt, dass
die Umstellung der Primarschuldauer keinen signifikanten Einfluss auf die
Übertrittsquote haben dürfte. Und drittens: Je nach Wohnort der Primarschüler
unterscheidet sich die Übertrittsquote in die Bezirksschule markant.
Wie lässt es sich erklären, dass in Bergdietikon 26
Prozent und in Wettingen 10 Prozent mehr Kinder als noch vor vier Jahren den
Sprung in die Bez schaffen? Bergdietikons Schulpflegepräsidentin Regula
Weidenmann sagt: «Womöglich hängt der Anstieg mit unserem kräftigen Ausbau des
schulischen Heilpädagogik-Angebots zusammen».
Davon profitierten nicht nur die schwächeren,
sondern auch die stärkeren Kinder, im Sinne einer Begabungsförderung. «Es ist
wichtig, dass wir uns um alle Kinder kümmern, niemand soll weder über- noch
unterfordert sein, wichtig ist die Freude am Lernen», sagt Weidenmann.
Nachhilfe auch für starke Schüler
Wettingens Schulpflegepräsident Thomas Sigrist:
«Gleichzeitig zur Umstellung auf sechs Jahre Primarschule haben wir in
Wettingen eine Zentralisierung durchgeführt.» Die Schülerinnen und Schüler der
fünften und sechsten Klassen werden alle im neuen Zehntenhof-Schulhaus
unterrichtet und nicht mehr wie früher an drei unterschiedlichen Standorten.
«Der vermehrte Austausch der Lehrer, aber auch der
Schüler untereinander kann einen positiven Einfluss auf das Niveau haben»,
vermutet der Schulpflegepräsident. Auch, dass die Primarschule sechs Jahre
daure, könne sich positiv auswirken: «Die Jugendlichen sind ein Jahr älter beim
Übertritt, machen sich womöglich mehr Gedanken über ihre Zukunft und haben eher
ein Berufsziel, für das sie sich in der Primarschule anstrengen.»
Elisabeth Abbassi, Präsidentin des Aargauer
Lehrerverbandes, ist überrascht, dass die Bez-Quote im Bezirk insgesamt
angestiegen ist. «Denn die Neuregelung der Übertrittsverfahren vor vier Jahren
– die Aufnahmeprüfung für Zweifelsfälle wurde abgeschafft – sollte eigentlich
dazu führen, dass die Quote eher etwas sinkt.»
Einen grossen Einfluss auf die Zunahme dürften die
Eltern haben, die ihre Kinder je länger, je mehr in die Bezirksschule pushen,
erklärt sich Abbassi die Zunahme. «Viele Eltern sind überzeugt, dass die
Schulstufe einen direkten Einfluss auf den späteren Lebensstandard ihrer Kinder
hat. Die Kinder werden hierfür zum Teil regelrecht ‹getunt›.» Im Gegensatz zu
früher gebe es vermehrt leistungsstarke Schülerinnen und Schüler, die
zusätzlich zum Unterricht noch Lektionen in Privatschulen oder
Nachhilfeinstituten erhalten.»
Warum in Bergdietikon oder Ennetbaden deutlich mehr
Kinder ihre Oberstufenzeit in der Bez verbringen als beispielsweise in
Neuenhof, dürfte sich hauptsächlich mit der Bevölkerungsstruktur erklären.
«In unserer Gemeinde gibt es viel teuren Wohnraum,
den sich tendenziell eher gut ausgebildete Menschen leisten können, was zur
Folge hat, dass viele Kinder in einem bildungsnahem Umfeld aufwachsen», sagte
vor drei Jahren Schulpflegepräsident Rico Gasparini. Ausserdem biete Ennetbaden
mit seinen gut ausgebauten Betreuungsstrukturen ein attraktives Angebot für
berufstätige Eltern.
In Neuenhof hingegen, wo nur knapp eines von vier
Primarschulkindern den Sprung in die Bez schafft, sei der Anteil der
bildungsfernen Familien höher als anderswo, was womöglich mit der Geschichte
der Gemeinde als Siedlung für ABB-Arbeiter zusammenhänge, sagte der dortige
Schulpflegepräsident Jürg Amrein. In vielen Gebieten Neuenhofs gebe es noch
heute günstigen Wohnraum, den sich auch bildungsferne Familien leisten könnten.
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