Es ist erschreckend, was die am Donnerstag publizierte Mike-Studie über
das Mediennutzungsverhalten von Kindern zwischen 6 und 13 Jahren zutage bringt:
So wurde jedes zehnte Kind der Mittelstufe schon mindestens einmal online
belästigt, sei es in Form von Mobbing und unangenehmen Fragen oder durch «Cyber
Grooming», also das Anbahnen von sexuellen Kontakten mit Kindern. Bei
Jugendlichen ist die Situation noch alarmierender: Laut einer ähnlichen Studie
von 2016 wurde jede vierte Person zwischen 12 und 19 Jahren bereits einmal von
einer fremden Person mit unerwünschten sexuellen Absichten angesprochen.
Mädchen sind dabei stärker betroffen als Knaben.
Jedes zehnte Schulkind wird online belästigt, NZZ, 2.3. von Valerie Zaslawski
«Sexualitätsbezogene Risiken sind für Kinder und Jugendliche die
grössten Gefahren im Internet», sagt Colette Marti, Projektleiterin der
nationalen Plattform Jugend und Medien des Bundesamtes für
Sozialversicherungen, welche die Studie mitfinanziert hat. So gebe es neben
«Cyber Grooming» auch «Sextorsion», also die Erpressung mit Sexbildern, den
Missbrauch von «Sexting» oder die ungewollte Produktion von Kinderpornografie.
Marti betont: «Es ist normal, dass Jugendliche Pornos konsumieren oder dem
Partner auch mal ein erotisches Bild von sich schicken.» Der Reiz, die eigene
Sexualität zu entdecken, dürfe nicht stigmatisiert werden.
Aber: «Das Problem ist der Missbrauch und die Gefahr, sich strafbar zu
machen.» Deshalb sei es wichtig, Kinder und Jugendliche möglichst früh für die
Risiken und das Gesetz zu sensibilisieren. Und sie darüber zu informieren,
welche Konsequenzen die sexuelle Neugierde haben könne. «Denn das Internet»,
sagt Marti, «vergisst nie.» Der Bund widmet sich der Thematik 2018 und 2019
denn auch mit einem Schwerpunkt: Das Präventionsprojekt «Sexualität und
Internet» folgt auf «Radikalisierung über Internet und Extremismus», welches
derzeit läuft.
Sarah Genner, Mitautorin der repräsentativen Studie, die von der Zürcher
Hochschule für Angewandte Wissenschaften bereits zum zweiten Mal durchgeführt
wurde, relativiert die Gefahren: Sexuelle Belästigung im Internet sei freilich
ein Problem. Es werde jedoch gerne vergessen, dass die meisten sexuellen
Grenzüberschreitungen offline sowie meist durch Bekannte oder Verwandte
geschähen. Die Medienpsychologin rät deshalb: «Kinder sollten in einer analogen
Welt möglichst früh lernen, für sich einzustehen. Sie müssen verstehen, dass
ihre Körper ihnen gehören. Dieses Verständnis können sie dann übertragen auf
die digitale Welt.»
Der Umgang von Kindern mit Medien ist ohnehin mehrheitlich positiv. Dies
bestätigen die Ergebnisse der Mike-Studie. So nutzen Kinder in der Schweiz
Smartphones und Tablets zwar rege, viel lieber aber spielen sie draussen,
machen Sport oder treffen Freunde. Auch würden trotz Digitalisierung klassische
Medien weiterhin am häufigsten genutzt. Mehr als drei Viertel der Kinder
schauen mindestens einmal pro Woche fern, hören Musik oder lesen Bücher.
Grundsätzlich machten die Kleinen mit den TV- und Interneti-Inhalten mehr
positive als negative Erfahrungen.
Mike steht im Übrigen für Medien, Interaktion, Kinder und Eltern.
Letztere wurden auch befragt und sehen Medien in erster Linie als wichtige
Informationsquelle, welche die Bildung ihrer Kinder fördern kann. Digitalen
Medien stehen sie gleichzeitig kritisch und optimistisch gegenüber. Und dies
wohl zu Recht.
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