Letzte
Woche führten wir ein Telefongespräch mit unserem jüngsten Sohn. Dank seiner
ausgezeichneten internationalen Matur darf er auf der Eliteuniversität in
London, dem Imperial College, studieren. Er
berichtete uns von seinem erfolgreichen Abschluss eines Projekts. Mit seinem Team
entwickelte er einen Sender und baute ihn in ein Fahrrad ein. Damit konnte man
jederzeit in ganz London dessen Standort im Netz nachverfolgen.
Ich
fragte ihn, wie seine Arbeit beurteilt wurde. Er lachte und meinte, dass er
zwar sehr stolz auf dieses Projekt sei, es im Vergleich aber höchst
durchschnittlich wäre. So entwickelten beispielsweise seine koreanischen
Freunde einen Handschuh, der die Bewegungen der Gebärdensprache direkt und
digital in Töne umwandelte. So könne man einen stummen Menschen ausgezeichnet
verstehen. Auch andere Projekte hatten es in sich und würden das seinige bei
weitem übertreffen.
Die ostasiatische Herausforderung, Bieler Tagblatt, 26.3. von Alain Pichard
An
dieser Stelle ist nachzuholen, dass seine ehemalige College-Studentin Li aus
Myamar, eine Landesmeisterin in Mathematik, bessere Maturnoten aufzuweisen
hatte als mein Sohn, aufgrund einer Quotenregelung der Eliteuniversitäten aber
keine Zulassung erhielt. Mit anderen Worten, würde es nur nach den Noten gehen,
studierten an den Eliteunis in aller Welt vor allem Chinesen, Koreaner,
Vietnamesen, junge Menschen aus Hongkong oder Singapur.
Die
Ostasiaten zeigen uns brutal auf, dass wir in einem globalen Wettbewerb stehen,
dem sich die Schule nicht ohne Weiteres entziehen kann. Die TIMMS-Sieger
Singapur, China, Taiwan, Südkorea und neuerdings auch Vietnam bringen
atemberaubende Resultate in der Mathematik hervor. Von 1000 Schülern weisen
diese Länder zwischen 300 – 500 Hochleister auf, das sind Schüler, die die
oberste Kompetenzstufe in diesem Fach erreicht haben. Die Schweiz bringt es auf
60, Deutschland auf 50 und Frankreich auf lediglich 20 Spitzenschüler unter
1000.
Die Top
Resultate der Asiaten werden mit Pauken bis zum Umfallen, mit massiver
Unterstützung der Eltern plus einer starken Förderung der Hochbegabten
erreicht. Und bezahlt wird es mit wirklichem Stress, einer beängstigenden
Suizidrate und unglücklichen Schülern.
Natürlich
will niemand bei uns ein solches Schulsystem einführen, auch ich nicht. Aber
genau das Gegenteil zu machen, kann ebenfalls nicht unser Weg sein und würde
unser Land nicht nur bildungsmässig ins Abseits führen. Eine Schule, die keine
Leistung verlangt, kann genauso inhuman sein wie eine asiatische Paukerschule.
Und wir
dürfen es uns auch nicht zu einfach machen. Bildungsexperten, die in die
ostasiatischen Länder reisen, um deren Erfolgsrezept zu erkunden, berichten
uns, dass es sich bei diesen Assen nicht einfach um roboterhaft gedrillte
Rechenmaschinen handelt. Der dortige Unterricht habe eine enorme Tiefe und ein
hochstehendes Niveau, wie man es bei uns selten begegnet.
Dies bestätigt
auch mein Sohn, der seine asiatischen Kommilitonen zwar als unglaublich
kompetitiv aber auch als kreativ und engagiert erlebt.
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