Montagmorgen, der Tag der Aufnahmeprüfung am Gymnasium Zürich Nord. Die
11-jährige Zürcher Primarschülerin Sabrina* ist eine von etwas mehr als 8000
Prüflingen an diesem Tag im Kanton. Sie ist bestens vorbereitet – und auch
nervös. Seit langem hegt sie den Wunsch, nach der Primarschule das Langzeitgymi
zu besuchen. Der erste Prüfungsteil ist Deutsch: Textverständnis, zwei Seiten
Interpretation. Alle Schüler sind bereit, diesen ersten Prüfungstag zu
bestreiten.
Schreibwerkzeug wird zum Thema an der Aufnahmeprüfung, Bild: Raisa Durandi
Mit dem Stabilo die Gymiprüfung schreiben, Tages Anzeiger, 13.3. von David Sarasin
Nur Sabrina darf nicht loslegen, erzählt ihre Mutter. Von der
Aufsichtsperson sei sie darauf hingewiesen worden, dass jener Stift, den sie
zur Prüfung mitgebracht hat, nicht erlaubt sei. Es ist ein «Frixion» der Firma
Pilot, ein unter Schülern heute weitverbreiteter Kugelschreiber. Das Problem
damit: Er hat eine Radierfunktion.
Sabrina wird nun immer nervöser. Ihr bleibt also nichts anderes übrig,
als auf einen Stabilo zurückzugreifen, den sie für den Notfall mitgenommen hat.
Einen Stift, extra dafür gemacht, Textstellen zu markieren. Und so schreibt sie
ihre ganze Arbeit mit diesem grünen Filzstift.
Keine Rede vom Verbot
In der Pause ruft Sabrina, jetzt völlig aufgelöst, ihre Mutter an. «Das
war ein denkbar schlechter Start für den ersten Prüfungstag meiner Tochter»,
sagt die Mutter von Sabrina. Sie liest das Anmeldeformular für die Prüfung noch
einmal durch, doch sie findet dort keinen Hinweis auf ein Verbot. Ebenso wenig
auf der Website der Zentralen Aufnahmeprüfung. Dazu kommt: Bei der Probeprüfung
unter realistischen Bedingungen, die ihre Tochter vor ein paar Wochen bestritt,
war ebenfalls keine Rede von diesem spezifischen Verbot.
Doch tatsächlich gibt es eine solche Regel, wie Niklaus Schatzmann von
der Bildungsdirektion des Kantons Zürich sagt. «An den Zentralen
Aufnahmeprüfungen dürfen keine Stifte verwendet werden, bei denen sich das
Geschriebene wieder löschen lässt», sagt er. Auch müssen die Texte im
Nachhinein in jedem Fall lesbar sein, was beim «Frixion» nicht gewährleistet
sei, führt Schatzmann weiter aus. Den Fall von Sabrina S. bewertet er
schliesslich als «unglücklichen Einzelfall».
In der Zwischenzeit hat die Bildungsdirektion die Aufsichtsperson
ausfindig gemacht. Sie stellt die Sache ganz anders dar, wie die
Bildungsdirektion mitteilt: Die Schülerin habe sich nach der ersten Prüfung bei
der Aufsichtsperson gemeldet und ihr zwei Stifte gezeigt: einen
Kugelrollschreiber und einen grünen Leuchtmarker. Demnach habe die Schülerin
gesagt, sie hätte nur zwei Stifte dabei; weil der Kugelroller angegangen sei,
hätte sie mit dem grünen Stabilo weiter geschrieben. Die Aufsichtsperson habe
ihr daraufhin angeboten, einen geeigneten Stift zu organisieren. «Die Schülerin
schlug das Angebot aus, weil sich sie bei einer anderen Person einen Stift
besorgen werde.»
Beim Aufsatz wieder mit Kugelschreiber
Sabrina konnte zumindest den zweiten Teil des ersten Prüfungstages mit
einem Kugelschreiber der Kollegin bestreiten. Sie hofft jetzt noch, dass sie
keinen Nachteil haben wird, weil sie mit diesem grünen Stift geschrieben hat.
Die Mutter drohte an, in einem solchen Fall Rekurs einzulegen. Sie
stellt sich auf den Standpunkt, dass sie weder in den Anmeldeunterlagen zur
Prüfung noch unter der Auflistung von erlaubten Hilfsmitteln auf der Seite der
Zentralen Prüfungen einen Hinweis darauf gefunden habe, welche Stifte genau
erlaubt sind und welche nicht. Stattdessen lässt sich dort etwas zu Smartphones
oder Taschenrechnern finden. Es sei an der Lehrperson an der Primarschule, so Schatzmann
weiter, mehrfach auf dieses Verbot hinzuweisen. Auch sei entsprechende Regelung
im Aufgebot zur Prüfung vermerkt.
*Name von der Redaktion geändert
In einer früheren Version des Artikels stand, dass Sabrina die
Lehrperson nach einem Ersatzstift gefragt hat. Dies hat sich zu einem späteren
Zeitpunkt als falsch erwiesen und wurde deshalb geändert. Sie hat nicht nach
einem solchen gefragt.
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