Vor drei Monaten
fällte das Bundesgericht ein Urteil, das in Graubünden Ängste schürt: Denn die
für den Gebirgskanton so wichtigen Schulskilager sind seither akut bedroht. Die
Lausanner Richter schrieben dem Kanton Thurgau vor, die Elternbeiträge für
solche Lager nicht höher zu veranschlagen als die Kosten, die jedes Kind
während des normalen Schulunterrichts verursacht. Heisst konkret: Die Schulen
dürfen von Eltern noch maximal 16 Franken pro Tag fordern. Bisher zahlten
Eltern 30 bis 40 Franken pro Tag im Schullager.
Jetzt soll der Bund die Skilager retten, Südostschweiz, 7.3. von Dennis Bühler
Der Bündner BDP-Nationalrat
Duri Campell wird nun in Bundesbern vorstellig: Sollen in der Schweiz weiterhin
Schulskilager durchgeführt werden, müsse sich die öffentliche Hand stärker an
den Kosten beteiligen, findet der Bauer und Skilehrer aus S-chanf. Er betont,
dass der grosse pädagogische Wert von Schullagern breit anerkannt sei. So aber
bestehe die Gefahr, dass Schulen weniger Lager organisierten. «Das wäre für das
traditionelle Schneesportland Schweiz auch aus volkswirtschaftlicher Sicht sehr
problematisch», sagt Campell. Mit einem Postulat fordert der 54-Jährige den
Bundesrat auf, eine Bundesunterstützung für obligatorische Schulsportlager zu
prüfen. Dabei soll er auch aufzeigen, welche Möglichkeiten im Rahmen des
Programms Jugend und Sport bestehen.
Unterzeichnet haben den
Vorstoss 16 Nationalrätinnen und Nationalräte aus allen Landesregionen und
sämtlichen Parteien. Mit an Bord sind auch die Bündner Heinz Brand (SVP),
Martin Candinas (CVP) und Silva Semadeni (SP). Nicht unterzeichnet hat das
Postulat hingegen SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo – da es ihr nie
unterbreitet worden sei, wie sie auf Anfrage mitteilt. Inhaltlich unterstütze
sie es: «Im Rahmen der bisherigen Sport- und Schneesportförderung kann eine
Bundesbeteiligung sinnvoll sein.»
Auch im Grossen Rat ein
Thema
Voller Verve macht sich
neben Campell auch Semadeni für die Erhaltung von Skilagern stark. «Wenn Kinder
das Skifahren nicht erlernen, verpassen sie herrliche Erlebnisse in der Natur»,
sagt die 66-Jährige. In ihrer Kindheit hätten die Klassen in Poschiavo mindestens
drei Schultage pro Winter auf den Skipisten verbracht, erinnert sie sich. Schon
als Lehrerin an der Kantonsschule habe sie jedoch erlebt, wie die Bedeutung der
Skilager nachlasse.
Dies bedauert auch ihr
Ratskollege Candinas. «Wer Graubünden im Skilager schätzen lernt, wird immer
wieder in unseren Kanton zurückkehren», sagt der 37-Jährige. Skilager seien
deshalb die bestmögliche Werbung und eine Zukunftsinvestition.
Als Sofortmassnahme taugt
Campells Postulat allerdings wenig: Bis eine auf diesem Weg vorgebrachte
Forderung Wirkung entfaltet, dauert es erfahrungsgemäss mehrere Jahre. Deshalb
fordert Candinas auch die Bündner Regierung zum Handeln auf. Der
CVP-Nationalrat verweist auf einen Auftrag seines Churer Parteikollegen Luca
Tenchio, den dieser Mitte Februar im Grossen Rat eingereicht hat. Tenchio
fordert die Regierung auf, dem Grossen Rat innert maximal zweier Jahre ein
Massnahmenpaket zu unterbreiten, wie auch in Zukunft obligatorische
Schulreisen, Exkursionen sowie Klassenlager und Projektwochen in ihrer
bisherigen Form weitergeführt werden können, ohne dass finanzschwache Eltern
direkt oder indirekt benachteiligt werden.
15 Prozent weniger
Buchungen
Am Bundesgerichtsurteil von
Ende 2017 stört man sich aber nicht nur in Graubünden, sondern auch in urbanen
Kantonen. «Mit 16 Franken pro Tag ist es unmöglich, Schneesport-Lager
kostendeckend durchzuführen», sagt der ehemalige Basler Erziehungsdirektor
Christoph Eymann, der als Nationalrat in der freisinnigen Fraktion politisiert.
Die Gefahr sei akut, dass Kantone und Gemeinden künftig auf deren Durchführung
verzichten könnten. Und tatsächlich: Die Branchenorganisation der
Gruppenunterkünfte in der Schweiz stellt bereits einen Rückgang der Buchungen
fest, wie die «NZZ am Sonntag» schrieb. Derzeit lägen sie rund 15 Prozent unter
den Vorjahren.
Zusätzlich zum Postulat von
Campell wird deshalb auch Eymann aktiv. In einer Interpellation fragt er den
Bundesrat an, ob er bereit wäre, die Finanzierungslücke ganz oder teilweise zu
schliessen.
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