23. Januar 2018

Unterschiedlicher Umgang mit dem Handy

Handys sind eine Realität in den Sekundarschulen der beiden Basel. Die damit verbundenen Probleme auch: Druck und Ausgrenzung auch nach Erklingen der Schulglocke. Die Schulen gehen unterschiedlich damit um, die Sozialarbeit hat viel zu tun.
Stress auf dem digitalen Pausenplatz, Schweiz am Wochenende, 20.1. von Benjamin Rosch und Leif Simonsen


Die Gesetze des Schulhofs sind knallhart. Er mit ihr, sie trotz ihm und jene schon lange gegen ihn. Kaum jemand, der nicht die Unterseite jenes Rades kennt, das sich täglich durch den Schulalltag dreht und die Kraft hat, jemanden plattzuwalzen. Was früher unter Hänseleien zusammengefasst wurde, trägt heute Namen wie Bodyshaming, Cybermobbing und Hate Speech. Altes Weinen in neuen Schläuchen, könnte man meinen. Doch dem ist nicht so: Zum einen hat sich das Feld der möglichen Boshaftigkeiten stark erweitert. Zum anderen erstreckt sich der digitale Pausenhof zeitlich längst über den Heimweg hinaus bis in den Abend und die Nacht. Der Grund dafür liegt in den Mobiltelefonen, welche die Jugendlichen heute vernetzen. Diese bergen viele Chancen, auch für Jugendliche, sind sich die Experten einig. Doch damit einher gehen auch neue Herausforderungen für die Pädagogen.

Tiefe Hemmschwelle bei Mädchen
Lotti Lienhard ist stellvertretende Leiterin der Basler Schulsozialarbeit. Diese Abteilung des Basler Erziehungsdepartements feierte vergangenen Herbst das 20-jährige Bestehen und beschäftigt 39 Mitarbeiter: «Jede Woche haben wir drei bis vier Fälle, die das Thema Handy behandeln. In rund der Hälfte sind es Konflikte», sagt Lienhard. Die Palette ist breit. Zuvorderst nennt Lienhard die Ausgrenzung über Instant-Messenger-Apps. Das kann etwa eine Whatsapp-Gruppe der Klasse sein, die eine negative Dynamik D gegenüber einer Person annimmt. «Häufig vermischt sich die analoge Welt mit der digitalen, ein Streit dreht so weiter», sagt Lienhard. Mädchen seien grundsätzlich stärker betroffen als Jungen. «Es beginnt mit einem Spruch, einem Scherz. Dann werden Grenzen ausgetestet bis manchmal verletzende Bilder in Umlauf geraten», sagt Lienhard. Viele Eltern bekämen dann gar nicht mit, dass ihr Kind virtuell gemobbt wird.

Doch auch Sexting sei ein Thema. Verliebte Jugendliche schicken sich gegenseitig Nacktbilder. Wenn das fragile Glück zerbricht, reicht schon die Drohung einer Veröffentlichung, um Verzweiflung bei den Betroffenen zu stiften. Lienhard schätzt auf der Basis von schweizweiten Studien, dass rund 15 Prozent der Basler Buben schon erotische Bilder von sich verschickt haben. Bei Mädchen ist die Hemmschwelle hier tiefer. Sexting kann so weit gehen, dass Schüler im Schutzalter Kinderpornografie herstellen.

Vielleicht weniger bekannt ist die Gefahr, die in Internetforen besteht, auf denen heikle Themen wie Rassismus, Suizidalität und Essstörungen offen, aber auch unkontrolliert diskutiert werden. Insbesondere Mädchen würden hier Bilder von sich posten. Was dann folgt, sind Tipps, sich zu Erbrechen oder Schlimmeres. Mit dem Handy stets erreichbar.

Und dann sind da noch Fälle von harter Pornografie, die auf den Handys der Schüler kursieren. Zahlen dazu sind schwer zu erhalten. Peter Gill von der Basler Staatsanwaltschaft sagt aber, das komme «regelmässig» vor. Überhaupt: «Mit all diesen Fällen war das Basler Erziehungsdepartement in den vergangenen Jahren konfrontiert», bestätigt Simon Thiriet. Genauere Angaben gibt es nicht, denn das oberste Gut der Schulsozialarbeit ist das Vertrauen der Schüler.

Was tun mit Jugendlichen, die sich in einem wenig überschaubaren Bereich triezen und plagen? «Basel-Stadt kommt eine Vorreiterrolle zu», sagt Erziehungsdepartements-Sprecher Simon Thiriet. Jeder Fall werde einzeln beurteilt und das Vorgehen darauf abgestimmt. «Manchmal können wir das Problem sehr lokal lösen, mit Gesprächen der Betroffenen», sagt Lienhard. Manchmal werde die Präventionspolizei beigezogen. Und manchmal, bei Offizialdelikten wie der Pornografie, bleibt nur noch der Gang vor die Behörden.

Unterschiedliche Regeln
Damit lassen sich manche Probleme angehen – vorbeugen kann man sie kaum. Die Basler Schulen sind sich uneins, wie sie mit dem Faszinosum Handy umgehen sollen. Eine kantonale Policy existiert nicht, die Hausordnung obliegt der Autonomie der Schulen. Im St. Alban zieht der Lehrer die Handys jeweils zu Lektionsbeginn ein. Im Holbein müssen sie ganztägig ausgeschaltet sein, im De Wette gemäss Hausordnung auch in den Pausen «nicht sichtbar» und im Sandgruben lediglich auf lautlos geschaltet. Eine Kompromisslösung gibt es in der Sekundarschule Frenkendorf. Hier dürfen die Handys lediglich in der grossen Pause benutzt werden, in den kurzen Unterrichtsunterbrüchen muss es ausgeschaltet bleiben. Im Theobald-Baerwart-Schulhaus haben die Handys ganztägig im Flugmodus zu sein. Bei Widerhandlung wird es eingesackt, beim zweiten Mal auch über Nacht. Der Schülerrat kämpft derzeit für eine Handynutz-Zone – analog etwa einem Raucherbereich. Gaby Hintermann von der Basler Schulsynode sagt, dass das Thema «kontrovers» diskutiert werde. «Wahrscheinlich läuft es auf einen Versuch hinaus und wir beurteilen das Ganze nach einem Monat.»

Geteilte Meinungen zu Whatsapp
Ein weiteres Konfliktfeld spannt sich zwischen Lehrer und Schüler. Manche Lehrer nutzen den Kanal auch ganz offen zur Kommunikation mit den Schülern. Durchgesetzt hat sich bei den meisten Lehrern die Erkenntnis, dass Facebookfreundschaften mit Schülern problematisch sind.


Weit weniger verdächtig sind Whatsapp-Gruppen. Sie ersetzen das altbekannte Rundtelefon – ein mögliches Mittel zu mehr Kontrolle? Auch hierzu gibt es geteilte Meinungen. Der Therwiler Sekundarschulleiter Jürg Lauener sieht dabei kein grundsätzliches Problem, fügt aber an: «Wir arbeiten derzeit an einem neuen Medienkonzept.» Unter anderem soll hier der Umgang mit den Handys im Unterricht definiert werden. Andere sind strikter, etwa Grünen-Grossrat und Gymnasiallehrer Michael Wüthrich. Er sagt: «Als Lehrer hast du nichts in den Whatsapp-Gruppen der Schüler zu suchen.» Und Gaby Hintermann von der Freiwilligen Schulsynode Basel-Stadt sagt: «Wir Lehrer sollten die normalen Kanäle nutzen, um die Klasse zu informieren. Fast alles lässt sich in der Schule kommunizieren, da braucht der Lehrer die sozialen Medien nicht.»

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