Handys
sind eine Realität in den Sekundarschulen der beiden Basel. Die damit
verbundenen Probleme auch: Druck und Ausgrenzung auch nach Erklingen der
Schulglocke. Die Schulen gehen unterschiedlich damit um, die Sozialarbeit hat
viel zu tun.
Stress auf dem digitalen Pausenplatz, Schweiz am Wochenende, 20.1. von Benjamin Rosch und Leif Simonsen
Die
Gesetze des Schulhofs sind knallhart. Er mit ihr, sie trotz ihm und jene schon
lange gegen ihn. Kaum jemand, der nicht die Unterseite jenes Rades kennt, das
sich täglich durch den Schulalltag dreht und die Kraft hat, jemanden
plattzuwalzen. Was früher unter Hänseleien zusammengefasst wurde, trägt heute
Namen wie Bodyshaming, Cybermobbing und Hate Speech. Altes Weinen in neuen
Schläuchen, könnte man meinen. Doch dem ist nicht so: Zum einen hat sich das
Feld der möglichen Boshaftigkeiten stark erweitert. Zum anderen erstreckt sich
der digitale Pausenhof zeitlich längst über den Heimweg hinaus bis in den Abend
und die Nacht. Der Grund dafür liegt in den Mobiltelefonen, welche die
Jugendlichen heute vernetzen. Diese bergen viele Chancen, auch für Jugendliche,
sind sich die Experten einig. Doch damit einher gehen auch neue
Herausforderungen für die Pädagogen.
Tiefe Hemmschwelle bei Mädchen
Lotti
Lienhard ist stellvertretende Leiterin der Basler Schulsozialarbeit. Diese
Abteilung des Basler Erziehungsdepartements feierte vergangenen Herbst das
20-jährige Bestehen und beschäftigt 39 Mitarbeiter: «Jede Woche haben wir drei
bis vier Fälle, die das Thema Handy behandeln. In rund der Hälfte sind es
Konflikte», sagt Lienhard. Die Palette ist breit. Zuvorderst nennt Lienhard die
Ausgrenzung über Instant-Messenger-Apps. Das kann etwa eine Whatsapp-Gruppe der
Klasse sein, die eine negative Dynamik D gegenüber einer Person annimmt.
«Häufig vermischt sich die analoge Welt mit der digitalen, ein Streit dreht so
weiter», sagt Lienhard. Mädchen seien grundsätzlich stärker betroffen als
Jungen. «Es beginnt mit einem Spruch, einem Scherz. Dann werden Grenzen
ausgetestet bis manchmal verletzende Bilder in Umlauf geraten», sagt Lienhard.
Viele Eltern bekämen dann gar nicht mit, dass ihr Kind virtuell gemobbt wird.
Doch
auch Sexting sei ein Thema. Verliebte Jugendliche schicken sich gegenseitig
Nacktbilder. Wenn das fragile Glück zerbricht, reicht schon die Drohung einer
Veröffentlichung, um Verzweiflung bei den Betroffenen zu stiften. Lienhard
schätzt auf der Basis von schweizweiten Studien, dass rund 15 Prozent der
Basler Buben schon erotische Bilder von sich verschickt haben. Bei Mädchen ist
die Hemmschwelle hier tiefer. Sexting kann so weit gehen, dass Schüler im
Schutzalter Kinderpornografie herstellen.
Vielleicht
weniger bekannt ist die Gefahr, die in Internetforen besteht, auf denen heikle
Themen wie Rassismus, Suizidalität und Essstörungen offen, aber auch
unkontrolliert diskutiert werden. Insbesondere Mädchen würden hier Bilder von
sich posten. Was dann folgt, sind Tipps, sich zu Erbrechen oder Schlimmeres.
Mit dem Handy stets erreichbar.
Und
dann sind da noch Fälle von harter Pornografie, die auf den Handys der Schüler
kursieren. Zahlen dazu sind schwer zu erhalten. Peter Gill von der Basler
Staatsanwaltschaft sagt aber, das komme «regelmässig» vor. Überhaupt: «Mit all
diesen Fällen war das Basler Erziehungsdepartement in den vergangenen Jahren
konfrontiert», bestätigt Simon Thiriet. Genauere Angaben gibt es nicht, denn
das oberste Gut der Schulsozialarbeit ist das Vertrauen der Schüler.
Was tun
mit Jugendlichen, die sich in einem wenig überschaubaren Bereich triezen und
plagen? «Basel-Stadt kommt eine Vorreiterrolle zu», sagt Erziehungsdepartements-Sprecher
Simon Thiriet. Jeder Fall werde einzeln beurteilt und das Vorgehen darauf
abgestimmt. «Manchmal können wir das Problem sehr lokal lösen, mit Gesprächen
der Betroffenen», sagt Lienhard. Manchmal werde die Präventionspolizei beigezogen.
Und manchmal, bei Offizialdelikten wie der Pornografie, bleibt nur noch der
Gang vor die Behörden.
Unterschiedliche Regeln
Damit
lassen sich manche Probleme angehen – vorbeugen kann man sie kaum. Die Basler
Schulen sind sich uneins, wie sie mit dem Faszinosum Handy umgehen sollen. Eine
kantonale Policy existiert nicht, die Hausordnung obliegt der Autonomie der
Schulen. Im St. Alban zieht der Lehrer die Handys jeweils zu Lektionsbeginn ein.
Im Holbein müssen sie ganztägig ausgeschaltet sein, im De Wette gemäss
Hausordnung auch in den Pausen «nicht sichtbar» und im Sandgruben lediglich auf
lautlos geschaltet. Eine Kompromisslösung gibt es in der Sekundarschule
Frenkendorf. Hier dürfen die Handys lediglich in der grossen Pause benutzt
werden, in den kurzen Unterrichtsunterbrüchen muss es ausgeschaltet bleiben. Im
Theobald-Baerwart-Schulhaus haben die Handys ganztägig im Flugmodus zu sein.
Bei Widerhandlung wird es eingesackt, beim zweiten Mal auch über Nacht. Der
Schülerrat kämpft derzeit für eine Handynutz-Zone – analog etwa einem
Raucherbereich. Gaby Hintermann von der Basler Schulsynode sagt, dass das Thema
«kontrovers» diskutiert werde. «Wahrscheinlich läuft es auf einen Versuch
hinaus und wir beurteilen das Ganze nach einem Monat.»
Geteilte Meinungen zu Whatsapp
Ein
weiteres Konfliktfeld spannt sich zwischen Lehrer und Schüler. Manche Lehrer
nutzen den Kanal auch ganz offen zur Kommunikation mit den Schülern.
Durchgesetzt hat sich bei den meisten Lehrern die Erkenntnis, dass
Facebookfreundschaften mit Schülern problematisch sind.
Weit
weniger verdächtig sind Whatsapp-Gruppen. Sie ersetzen das altbekannte
Rundtelefon – ein mögliches Mittel zu mehr Kontrolle? Auch hierzu gibt es
geteilte Meinungen. Der Therwiler Sekundarschulleiter Jürg Lauener sieht dabei
kein grundsätzliches Problem, fügt aber an: «Wir arbeiten derzeit an einem
neuen Medienkonzept.» Unter anderem soll hier der Umgang mit den Handys im
Unterricht definiert werden. Andere sind strikter, etwa Grünen-Grossrat und
Gymnasiallehrer Michael Wüthrich. Er sagt: «Als Lehrer hast du nichts in den
Whatsapp-Gruppen der Schüler zu suchen.» Und Gaby Hintermann von der
Freiwilligen Schulsynode Basel-Stadt sagt: «Wir Lehrer sollten die normalen
Kanäle nutzen, um die Klasse zu informieren. Fast alles lässt sich in der
Schule kommunizieren, da braucht der Lehrer die sozialen Medien nicht.»
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