Holzpenisse
und Plüschvaginas erhitzten 2011 die rechtskonservativen Gemüter: Sie waren der
Meinung, die als Sex-Koffer apostrophierten Unterrichtsmaterialien, die an
Basler Schulen zum Einsatz gekommen seien, enthielten «pornografische Inhalte».
Liberalere Geister verglichen das Instrument 2015 während der parlamentarischen
Debatten zur schliesslich wieder zurückgezogenen Schutzinitiative, wonach
Sexualkunde Sache der Eltern sein sollte, dann lieber mit einer «Bäbistube»
(Zürcher FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann).
«Beim Schwimmunterricht ist das etwas anderes», NZZ, 19.1. von Valerie Zaslawski
Kinder präventiv schützen
Heute
sind sich die Parteien immerhin in einem Punkt einig: Das Urteil desEuropäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), das die Einschätzung desBundesgerichts stützt, sei zu begrüssen. Die Zürcher SP-Nationalrätin Chantal
Galladé meint: «Sexualaufklärung ist etwas Wichtiges und demnach höher zu
gewichten als das Interesse eines Einzelnen.» Es gehe darum, Kinder präventiv
zu schützen; es gehe um die Gesundheit der Kleinsten.
Auch
LDP-Nationalrat und Bildungspolitiker Christoph Eymann, der damals dem Basler
Erziehungsdepartement vorstand, sagt: «Es ist erfreulich, dass das Urteil die
gängige Praxis eines stufengerechten Programms stützt.» Damit werde auch die
Schutzfunktion der Schule bestätigt. Auf die polemische Debatte blickt der
Liberale gelassen zurück: Es habe viele falsche Behauptungen gegeben. Gewisse
Korrekturen seien aber gemacht und die Kommunikation verbessert worden.
Die
Zürcher CVP-Nationalrätin Kathy Riklin zeigt für den Aufstand genauso wenig
Verständnis. Sie spricht von einigen «pseudoreligiösen Fundamentalisten» und
von «extrem konservativen Kreisen», die sich gegen diese Art von
Sexualunterricht zur Wehr setzten. Die Christlichdemokratische Volkspartei habe
damit nichts zu tun. Und die SVP begrüsst den Entscheid des EGMR ebenfalls. Der
Luzerner Nationalrat und Bildungspolitiker Felix-Müri sagt: «Es ist
grundsätzlich richtig, dass man am Schulunterricht teilnehmen muss.» Über den
Inhalt lasse sich allerdings streiten. Die Aufklärung müsse zeitgemäss sein –
er selbst sei noch mit «Blüemli und Bienli» aufgeklärt worden. Doch der
«Sex-Koffer» gehe zu weit.
SVP kritisiert WHO-Standards
Anders
als Müri sieht das der Basler SVP-Nationalrat Sebastian Frehner. Er hatte an
vorderster Front gegen die umstrittenen Basler Unterrichtsmaterialien gekämpft.
So hätte er sich denn auch einen liberaleren Entscheid des EGMR gewünscht. Es
sollte den Eltern überlassen werden, ob sie ihre Kinder am Sexualunterricht
teilhaben lassen wollen – oder eben nicht. «Beim Schwimmunterricht», so
Frehner, «ist das freilich etwas anderes.» Die Thurgauer SVP-Nationalrätin
Verena Herzog, ebenfalls Mitglied der Bildungskommission, pflichtet ihrem
Parteikollegen bei: «Beim Sexualunterricht geht es um die Reife der Kinder,
beim Schwimmunterricht um deren Integration.» Immerhin sei es ein Teilerfolg,
dass der EGMR nur reaktiven und nicht systematischen Sexualkundeunterricht an
Kinder im Kindergarten- und Unterstufenalter befürworte.
Den
beiden SVP-Exponenten ist es wichtig, Missbrauch möglichst früh zu verhindern,
die «Frühsexualisierungspläne» der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind ihnen
aber ein Graus. Herzog hatte im vergangenen Dezember eine Interpellation
eingereicht, in der sie vom Bundesrat wissen möchte, wie er sich zu den
propagierten Standards stellt. Die Antwort steht noch aus. Es gehe nicht an,
findet Herzog, dass vierjährige Kinder sich mit «frühkindlicher Masturbation»
auseinandersetzen sollten oder dass «Vergnügen und Lust, den eigenen Körper zu
berühren» in der Schule zu thematisieren seien, wie gemäss den WHO-Standards
vorgesehen. Noch sind wir von diesen hierzulande aber weit entfernt. Und das
sei auch gut so, meint Herzog.
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