Hundert Jahre nach der
Oktoberrevolution wehen im Kanton Bern derzeit rote Fahnen. Mit dem
Bolschewismus hat das aber nichts zu tun. Ab Montag wollen bernische
Lehrerinnen und Lehrer mit dem Aushängen von roten Tüchern an Schulgebäuden auf
die Sparmassnahmen des Kantons im Bereich der Bildung aufmerksam machen.
Bildungsgewerkschaft sieht rot, Bund, 20.11. von Calum MacKenzie
Die Aktion,
welche während der Novembersession des bernischen Grossen Rats stattfindet,
wurde vom Lehrpersonenverband Bildung Bern lanciert. Weitere Sparübungen des
Kantons seien nicht mehr zu verkraften, hielt die Organisation in einer
Medienmitteilung fest. «Das soll ein Stoppsignal an den Kanton darstellen, es
symbolisiert, dass Abbau bei der Bildung ein rotes Tuch ist», sagt
Anna-Katharina Zenger, Gewerkschaftsleiterin beim Verband. «Wir sind uns nicht
sicher, dass für die kantonalen Parlamentarier die Qualität der Bildung eine
Priorität ist.» Deshalb wollten mehrere Schulen ein Zeichen setzen: «Bis jetzt
läuft es gut, es machen bereits etwa 130 Schulen mit.»
Wie ein rotes
Tuch wirkt die Aktion jedoch auf Corinne Schmidhauser. «Das geht gar nicht, das
ist eine Instrumentalisierung der Schule und insbesondere der Schüler», sagt
die FDP-Grossrätin und Leiterin der Feusi-Sportschule. Bei der Aktion würden
Andersdenkende überstimmt. «So werden Schüler und Lehrer, die diese Meinungen
nicht teilen, zwangsläufig Teil eines Protests.» Zwar sei Schmidhauser für
Diskussion und Meinungsvielfalt an der Schule. «Aber mit so einer plakativen
und übergreifenden Aktion wird genau die freie Meinungsäusserung beschnitten.»
Ein «politisches
Konstrukt»
Anna-Katharina
Zenger weist den Vorwurf der Übertönung von abweichenden Meinungen zurück. Die
Schulen hätten sich innerhalb ihrer Kollegien demokratisch für oder gegen eine
Teilnahme entschieden. «Wenn eine Schule nicht mitmachen wollte, haben wir das
akzeptiert.» Einige Lehranstalten hätten abgelehnt, «beispielsweise, weil sie
in der Vergangenheit Ärger mit symbolträchtigen Flaggen hatten». Bedenken zur
Instrumentalisierung von Kindern seien vom Verband berücksichtigt worden. «Es
machen nur die Lehrer mit, wir wollten die Schüler nicht einspannen und auch
nicht den Unterricht beeinträchtigen.»
Auch das
Schulhaus Lorraine in der Stadt Bern schliesst sich dem Protest an. Die
Angelegenheit habe man sich gut überlegt, sagt Schulleiter Jürg Lädrach. «Es
war keine Frage, ob wir mitmachen. Uns war aber wichtig, dass wir achtsam damit
umgehen.» Bei einer Sitzung habe sich auch der Elternrat dafür ausgesprochen.
Dies zeigt laut Lädrach, dass die Frage der Instrumentalisierung von Schülern
«eher ein politisches Konstrukt» sei. «In diesem konkreten Fall ist das weit
hergeholt. Wenn das eine tatsächliche Besorgnis wäre, dann wäre das wohl eher
von den Eltern angesprochen worden.»
Erziehungsdirektor
Bernhard Pulver (Grüne) verurteilt die Aktion nicht. Politische Proteste an
Schulen seien jedoch eine Gratwanderung. «Ich empfehle es generell nicht, die
Schulhäuser für so etwas zu verwenden.» Im Interesse der Meinungsfreiheit solle
die Direktion nicht zu schnell intervenieren. «Werden aber die Schüler dafür
benutzt oder der Unterricht missbraucht, ist eine Grenze überschritten.» In
solchen Fällen könne das Schulinspektorat eingreifen.
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