Zwei ETH-Professoren aus Zürich und Lausanne sorgen dafür, dass unsere
Kinder endlich lernen, wie man Computer programmiert.
So wird das Programmieren zur fünften Landessprache, NZZaS, 19.11. von Patrick Aebischer
Während sich mehrere Deutschschweizer Kantone darüber streiten, ob
Englisch an den Schulen vor Französisch unterrichtet werden sollte, taucht die
Frage der Programmiersprachen in der öffentlichen Debatte seltsamerweise nicht
einmal in der Westschweiz auf. An den Schulen werden höchstens Programme wie
«Word», «Excel» oder «Photoshop» – also kommerzielle Anwendungen der
Softwaregiganten – erlernt. Aber darum geht es nicht. Die echte Herausforderung
liegt im Verständnis von Programmierungstools. In einer sich unaufhaltsam
digitalisierenden Welt hat das Programmieren mittlerweile denselben Stellenwert
wie das Lesen, Schreiben oder Sprechen. Ausserdem lernt man beim Programmieren
auf spielerische Weise aus seinen Fehlern und entwickelt
Problemlösungsstrategien.
Länder wie Frankreich gehen diesbezüglich vorbildhaft voran und haben
den Unterricht in sogenannten digitalen Wissenschaften bereits auf der
Primarstufe eingeführt. Auch Israel oder die USA haben diesen Weg
eingeschlagen. Die Schweiz hinkt leider hinterher. Der Westschweizer Lehrplan
sieht noch keinen Unterricht in «digitalen Wissenschaften» vor. Im Gegensatz
dazu beinhaltet der Lehrplan 21 in der Deutschschweiz auch Unterricht im
Bereich Medien und Informatik. Dies hat diverse Kantone dazu bewogen, entsprechende
Initiativen zu ergreifen. Und erfreulicherweise hat die Schweizerische
Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren kürzlich beschlossen,
Informatikkurse an allen Gymnasien obligatorisch zu machen – ab 2022. Leider
liegt dieses Datum noch in weiter Ferne. Zudem wird die Primarstufe ausser acht
gelassen.
Glücklicherweise haben es Initiativen von Lehrkräften der
Eidgenössischen Technischen Hochschulen vermocht, einige Primar- und
Sekundarlehrkräfte von der Bedeutung des Programmierens für ihre Lernenden zu
überzeugen. Professor Juraj Hromkovic von der ETHZ hat für diesen Zweck
Lehrmaterial für den Programmierunterricht auf allen Stufen entwickelt und
verteilt, auch wenn es im Bereich der Koordination mit den Pädagogischen
Hochschulen noch etwas hapert. Eine weitere lobenswerte Initiative stammt von
Professor Francesco Mondada von der EPFL, dem Entwickler des Lernroboters
«Thymio». Dieser einfache und sympathische Roboter macht das Programmieren
kinderleicht. In Frankreich wird er übrigens bereits an Schulen eingesetzt.
Erfahrungen haben gezeigt, dass man mithilfe von Thymio Musik unterrichten, das
Verständnis der Kräfte in der Physik oder sogar die Mathematik verständlich
machen kann. Dieser innovative Ansatz sollte die Beantwortung der klassischen Frage
ermöglichen, welches Fach durch den Programmierunterricht ersetzt werden
sollte. Interessanterweise sind es häufig gerade die Jugendlichen, welche sich
am wenigsten an den klassischen Schulaktivitäten beteiligen, die sich durch
diesen pädagogischen Ansatz begeistern lassen und ihre Freude am Lernen
wiederfinden. Eine weitere gute Nachricht: Thymio hat bereits den Röstigraben
überwunden – mehrere Pädagogische Hochschulen, insbesondere in Zürich, Luzern
oder St.Gallen, bilden ihre Lehrkräfte mithilfe dieses Tools aus. 600
Primarschulkinder im Kanton Obwalden verwenden Thymio bereits seit Anfang
dieses Jahres.
Das Schweizer Bildungswesen legt immer noch zu viel Wert auf das Lernen
von Fakten. Das Programmieren aber fördert Kreativität und Reflexion. Seien wir
mutig und führen den Programmierunterricht so rasch wie möglich an den
Primarschulen ein, damit die Kinder bestmöglich auf die Zukunft vorbereitet
sind. Machen wir die Programmiersprache zur fünften Landessprache!
Patrick Aebischer war
Präsident der ETH in Lausanne. Übersetzung: Maria Neversil.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen