Im Gespräch mit
der «Schweiz am Wochenende» spricht Erziehungswissenschafterin Margrit Stamm
über die Unterschiede von Kindern mit unterschiedlichen Altern und warum es
dennoch Kinder gibt, die von einer frühen Einschulung profitieren.
Erziehungswissenschafterin Margrit Stamm: "Eine frühe Einschulung kann positiv sein", Schweiz am Wochenende, 4.11. von Yannick Nock
Frau Stamm, wie
stark beeinflusst der Altersunterschied inner halb einer Klasse die schulischen
Leistungen der Kinder?
Margrit Stamm: Der Effekt ist in den letzten Jahren sicher stärker geworden. Der
Stichtag für den Kindergarteneintritt wurde nach vorne verschoben. Die jüngsten
Kinder sind heute lediglich 4 Jahre und ein paar Wochen alt, wenn sie das erste
Mal den Kindergarten besuchen. Sie haben einen Rückstand auf die fast
5-Jährigen.
Wo zeigen sich die
Unterschiede?
Nicht zwingend
in der intellektuellen Entwicklung, sondern eher in den emotionalen und
sozialen Bereichen. Einige haben Mühe mit der neuen Umgebung und den neuen
Gspänli.
Wie lässt sich der
Alterseffekt abschwächen?
Es gäbe die
Möglichkeit, Kinder nicht nur einmal im Jahr einzuschulen. Je nach Alter kommen
sie dann im Sommer oder im Winter in den Kindergarten. Auch eine
Eingewöhnungsphase wäre denkbar.
Untersuchungen
zeigen, dass der Alterseffekt oft über die gesamte Schulzeit bestehen bleibt,
manchmal bis ins Gymnasium. Woran liegt das?
Negative
Beurteilungen der Lehrpersonen können einen starken Einfluss auf die weitere
Entwicklung der Schülerinnen und Schüler haben. Wer früh schon schlecht
bewertet wird, verliert schneller das Selbstbewusstsein und das Interesse an
der Schule und am Schulstoff.
Trotzdem gibt es
Kinder, die von einer frühen Einschulung profitieren.
Natürlich. Eine
frühe Einschulung kann positiv sein, denn es gibt auch den umgekehrten Fall:
Ein begabtes Kind, das sich langweilt und deshalb wenig Interesse am Unterricht
zeigt. Solche Kinder haben vielleicht Mühe mit dem Stillsitzen oder
vorgefertigten Abläufen, dafür sind sie in anderen Bereichen stark. Schulen sollten die Individualität des
Kindes akzeptieren und entsprechend handeln.
Worauf können
Eltern bei der Einschulung ihrer Kinder achten?
Vor drei bis
vier Jahren ging der Trend klar in Richtung, je früher ein Kind zur Schule
geht, desto besser. Jetzt zeigt sich eine Gegenbewegung. Eltern sollten sich
zwei Fragen stellen. Erstens: Was möchte mein Kind und fühlt es sich bereit?
Zweitens: Wie gut können die Lehrpersonen mit den individuellen Bedürfnissen
meines Kindes umgehen? Ich persönlich vertrete den Standpunkt, ein Kind eher
früh als zu spät einzuschulen.
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